„Der schweigende Stern“ (1960) – Gastreview des DDR-Films
Happy Birthday zuum Todestag! – Ich persönlich bin sehr froh, dass die DDR unterging und den Wessis angegliedert wurde. Denn so kann ich heute viel besser mitbekommen, welche brandneuen Sozialleistungen und Ausländer-Weitwurfleistungen meine östischen Verwandten und Bekannten noch auf ihrer Brainstorm-Agenda haben. Da sind tolle Ideen dabei! Genau so toll wie der Gastartikel von Tobias H., der selbstverständlich genau HEUTE erscheint. Und demnächst auch wieder mehr von MIR, versprochen. Denn: Die daa öööben wölln’s ja nich ändörs!
Der schweigende Stern (1960)
Ah, die 60er Jahre. Das waren wundervolle Zeiten. Amerikaner und Russen versuchten sich im „Space Race“ gegenseitig das Wasser zu reichen, während in Westdeutschland schon die Orion aus ihrem Wasserwirbel abhob. Zeitgleich dazu ging Kirk’s Enterprise erstmals auf Warp. Doch die Science Fiction machte auch vor dem Eisernen Vorhang keineswegs halt. Neben den literarischen Größen (Strugatzki, Lem…) gab es auch den einen oder anderen Gehversuch im Kino.
1960 schickte sich die DEFA dann mit polnischer Hilfe an, Menschen dorthin zu schicken, wo noch nie ein Sozialist zuvor gewesen war – und damit meine ich nicht Westberlin, sondern die Venus.
Der Film beginnt mit einem recht cleveren Einfall: man erfährt, dass der Tunguska-Meteorit kein Meteorit war, sondern die Trümmerteile eines Raumschiffs. In einem dieser Fragmente ist eine Datenspule intakt. So beginnt man zu erkennen, dass dieses Schiff von der Venus stammte, also unmittelbar aus der kosmischen Nachbarschaft. Alle Kontaktversuche scheitern, die Venus schweigt. Jetzt wird eine Expedition vorbereitet…
Der Film kann sich, wenn man sein Alter bedenkt, immer noch sehen lassen. Im Ernst, die Effekte sind mit den Brüdern aus dem Westen durchaus auf Augenhöhe und besonders die Venus-Oberfläche wirkt wesentlich fremder als es die berühmt-berüchtigten TOS-Höhlen jemals taten. Man hat sogar eine asiatische Schauspielerin engagiert, die hier die optisch überzeugende Japanerin Sumiko mimt. Das ist wesentlich besser als mit Friedrich Beckhaus, der nur wenig später den Japaner Atan Shubashi darstellten sollte.
Die international angehauchte Crew passt ganz gut und man hat sogar Crewmitglieder aus Afrika mit dabei, die tatsächlich mehr machen dürfen als nur aus Quotengründen im Hintergrund zu sitzen. Man gab sich hier also redlich Mühe, das Bild einer schönen (roten) Zukunft zu entwerfen. Allerdings schlägt der schnarrende Orion-Bordcomputer dann doch den Ost-Roboter Omega um Längen, denn dessen Sprachausgabe lässt alle Bedenken bezüglich der Röhrentechnologie wieder sehr fassbar werden. Das ist alles trotzdem recht angenehm, denn zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, eine Art ostdeutsches TOS zu sehen.
Auch die super-optimistischen Zukunftsideen sind wunderbar. Der Film spielt nur 10 Jahre nach seinem Produktionsjahr, aber selbstredend gibt es eine sowjetische (zivile) Raumstation, sehr moderne Raketenraumschiffe und nicht zuletzt solche Mengen von umgewandelter Nahrung, dass es kein Hunger mehr existiert. Auch der Kalte Krieg wurde hier offenbar viel eher beigelegt als in der Realität.
„Kaum ist man im All, ist sie schon zu merken: die Neigung, überall Angelschnüre anzubringen.“ Man tat damals, was man konnte, um das All zu simulieren, aber Aufnahmen aus Gagarin’s Kapsel hätten es wohl auch getan.
In diesem Kontext ist die Idee, dass sich auch ein Amerikaner der Mannschaft anschließt, ohne das dies zu Reibereien führt, ein so unglaublich nett-naive Idee, dass dagegen „Kampfstern Galactica“ wie eine seriöse Reportage über das zukünftige Wesen des Militärs wirkt.
Doch die Zukunft hier ist so fröhlich und überhaupt nicht niederschmetternd, dass sie mir gut gefiel. In den Zeiten, in denen das Kino meist nur noch Dystopien anbietet, hält der „Schweigende Stern“ weiterhin die (hoffentlich rote) Fahne derer hoch, die an Besserungen glauben. Manche Mängel sind natürlich auch der Romanvorlage geschuldet. Denn „Der schweigende Stern“ basiert auf dem Roman „Die Astronauten“ (auch als „Planet des Todes“ bekannt) von Stanislav Lem. Es ist aber eines seiner eher schwachen Frühwerke, wie er im Vorwort der Neuauflage sogar selber anmerkte. Und daher hatte sogar der polnische Sci Fi-Riese gegen die Verfilmung so einige Vorbehalte.
So krankt der Film an der eigentlichen Handlung, die sich so darstellt: Nach und nach kommt heraus, dass die Venus-Bewohner schon lange ausgestorben sind. Diese (militaristische) Rasse hat sich via Kernkraft (ob Krieg oder Unfall ist unklar) selber ausgelöscht und die seltsamen Effekte auf der Venus sind einfach Reste ihrer technischen Hinterlassenschaften. Gerade die arme Sumiko, welche als Kind aus Hiroshima rauskam, ist davon besonders betroffen. Bei der Venus-Erkundung geht dann auch so manches schief und nur ein Teil der Kosmonauten kommt zur Erde zurück.
„M–e–i–n S–c–h–a–c–h–p–r–o–g–r–a–m–m i–s–t ü–b–e–r–m–ä–c–h–t–i–g.“ „Das ist aber unwichtig, wenn Dein Gegner ohnehin mitten in der Partie einschläft, Omega.“ Der Roboter ist ganz klar ein Schwachpunkt des Films (und der Venusmission).
Die Botschaften werden einen hier so unfassbar grob präsentiert, dass jeder T-34 dagegen wie ein Skalpell daherkommt. Selbstredend gibt es eine Zukunft nur im Sozialismus und die Kernkraft (und Atombomben sowieso) sind echt gefährlich. Schlussendlich sind (westliche) Aggressoren immer böse. Das hat der aufmerksame Zuschauer natürlich schnell raus, wodurch der wiederholfreudige Film besonders in der zweiten Hälfte viel Tempo und Spannung einbüßt.
Fazit: mehr Zeitzeuge als Spielfilm. Keineswegs so schlecht, wie ich befürchtete, aber ohne großen Gewinn für den heutigen Betrachter.
Netter Fakt: der Film schaffte es auch in amerikanische und britische Kinos, dort wurden die Atom-kritischen Stellen aber zensiert. Leider konnte ich keine dieser Versionen entdecken, es wäre aber interessant gewesen, hier die Zensur zu erleben. Ebenso gut hätte man auch die Venus aus der Handlung rausnehmen können.
Es stimmt, momentweise hat der Trailer wirklich an Star Trek bzw. TOS erinnert, was mir aber sehr gefehlt hat war die Musik. Abgesehen von Stimmen und Geräuschen war der ganze Clip stumm!
Das nimmt auch schon mal viel von der Atmosphäre.
Wenn sich jemand den Film ansehen möchte empfehle ich die MST3K Fassung. Da ist er nicht nur unfreiwillig komisch: https://youtu.be/mQy_Zx4-To0?t=379
Ich kenne nur diese Fassung, ich weiß nicht ob ich den Film ohne die Kommentare zu Ende geschaut hätte.
Da es die englische Fassung ist, könnte es auch die von Tobias oben erwähnte zensierte Version sein.