„Venom“ – Die ungiftige Kritik zum Kassenschlager
Manchmal ist man selbst nicht super(-heldig) genug: In den letzten Monaten haben wir ja etwas die Marvel- und DC-Filme außer Acht gelassen und uns eher auf das DT-Universum (= „Dumb Trek“) konzentriert… Daher schaue ich jetzt mal schnell, was Kollege Sparkiller im Besenschrank an schönen Superhelden-DVDs gesammelt hat. So viel kann das ja auch nicht seeeei…? (*Holter-Dipolter*) Öh… – Hilfäää? Kann bitte jemand einen Schaufelbagger holen? Und meinen Priesteeer?
Inhalt: Ein Glibberwesen aus dem Weltraum zieht – trotz der Mietpreisbremse – in den erfolglosen Reporter Tom Hardy ein. Da der den Machenschaften eines finsteren Industriellen auf der Spur ist, passt das mit dem überstarken Überwesen in der eigenen Hautpelle aber recht gut.
Besprechung:
Eines können wir schon mal als Vorab-Fazit festhalten:
Gegen die neuen Marvel-Filme wirkt dieser Streifen fast schon wie ein altes Brötchen aus dem Jahre 2005. Aber wie eines, das den ganz alten Enten unter uns durchaus munden könnte: Dieser Bonustrack unter den Superhelden-Filmchen ist nicht komplett ALLES aus dem Computer, sondern „nur“ die Hauptfigur und bestimmte Actionsequenzen. Ebenso wirkt der Endgegner nicht wie das „größte Böse aller Zeiten“, sondern ist ein relativ spät eingeführtes Schlamm-Anhängsel der Charakterszenen. Eben ein notwendiges Übel, dieser Üble.
„Guten Tag, ich bin der Typ, der Ihnen von ‚Free Hugs‘-Agentur geschickt wurde. Kann ich gleich Mord… Morgen anfangen?“ – Verzahntes Filmuniversum: Woher dieser Bursche in den Comics kommt, war mir für dieses Review egal. Ich dachte als Kind eh, DAS hier sei seine komplette Origin-Story…
Am meisten gefällt mir aber, was Tom Hardy (und alle anderen Darsteller!) hier mit Gesicht, Mund und Restkörper anstellt. Kaum zu glauben, dass Meister Shin-„Ich pack mir an die Migräne-Glatze“-zon aus „Star Trek 10“ mal den Weg in die Hochpreis-Liga schaffen würde. So machte mir jede Szene mit dem Schauspieler großen Spaß, der ständig gegen das böse Wesen ins sich anstrampelt, anfaselt oder antorkelt. Nicht zu glatt, aber auch nicht zu düster kommt er daher, wenn er mit seinem fiesen Trittbrett-Bremser darüber diskutiert, ob man Leuten den Kopf abbeißen darf. Und wenn doch, WEM dann doch… Quasi der „Kant’sche Imperativ“ für Doofe.
Nicht falsch verstehen: Dieser Film ist so eine Art „Thor 3“ für Großstadt-Liebhaber. Ein Film, der nichts neu macht, dafür aber dafür Spaß. Dies ist eben kein Werk, für den man angeblich 12 Filme davor (und 73 Filme danach) gesehen haben muss, sondern ein „Low-Budget-Experiment“ für popelverdächtige 110 Millionen Dollar. Nur echt mit naturbelassenen Hollywood-Zutaten. Die da wären:
– Böser Industrieller (heilt garantiert den Krebs – sobald 10.000 Obdachlose ordnungsgemäß verflüssigt wurden)
– 1-2 Frauen mit wichtigen Funktionen und guten Ideen, aber nicht künstlich aufgeblähter Neben-/Hauptrolle
– Klassische Actionszene am Ende, die aber keine halbe Stunde dauert und teilweise erfrischend schlechtes CGI hat (gefiel mir unerwartet „gut“)
„Ich habe nichts dagegen, dass du in mich reinflutschst. Aber können wir uns einigen, dass du vorher kurz die Öffnung nennst?“ – Willkommen im schönen Schwitzer-Land: Tom Hardy sieht hier regelmäßig so fertig aus wie ich ab 24 Grad im Sommer. Hm… Vielleicht sollte ich mal auf die dreifache Trekkie-Pizza mit extra Schweineschmalz verzichten?
Überhaupt scheint das das Geheimnis eines „guten“ Supihelden-Streifens zu sein: Der Kampf des Helden gegen sich selbst. Mich interessiert nicht, wie dolle der Schurke zukloppen kann, sondern wie Spiderman, Iron Man und Co. auf normale Dinge wie Uni-Vorlesungen oder langweilige Powerpoint-Präsentationen reagieren. Und ob Bruce Banner beim Joggen unbedingt auf seine Puls-Uhr achten muss („180? Kein Wunder, dass ich schon ganz rot-grün im Gesicht werde!“)…
Klar, starke Gegenspieler sind immer (un-)nett, aber niemals so interessant wie die Frage, ob man die Sicherheitsleute und Polizisten eventuell nicht hätte zerquetschen sollen. Und dass das böse Venom-Wesen dabei noch cool aussieht (gibt ja schon genug „normalere“ Power-Eumel mit Blech und Farbe am Kopp!), schadet natürlich nicht die Bohne.
Interessant fand ich auch, dass viele Gags gerade deswegen so gut funktionieren, weil sie nebenher und unaufgeregt passieren. Wo bei den Avangers jede Minute jemand die Ernsthaftigkeit des Geschehens aufbrechen muss (ich brauche auch so einen CGI-Waschbären für’s Büro!), so funktioniert der Humor bei „Venom“ immerhin so „subtil“, dass ein 14-Jähriger durchaus mal einen Scherz verpassen kann. Was schon eine Kunst ist, wenn ein Alien nach ein paar Tagen in Alltagssprache auf einen einbrabbelt und dabei auch nicht vor Sätze zurückschreckt, wie: „Du musst die Kleine klarmachen!“ oder „Wir brauchen noch 2 Liter Milch aus dem Supermarkt.“
„Junge, ich habe dir doch gesagt, dass der Teer bei dieser Wärme noch nicht trocken ist!“ – „Na und? Es war DEINE Idee, mit einem kompletten Auto aus Vollmilchschokolade vorzufahren!“ – Immerhin gibt es optisch mal was Neues. Und für die CGI-Künstler vermutlich auch („Meine erster Versuch – toll, und dann gleich sooo durchschnittlich!“).
Fazit: Einen Film, den man kein zweites Mal sehen muss, einem beim ersten Mal aber auch nicht die Schädeldecke weg-langweilt.
Sogar unsere Redaktions-Putzfrau meine liebe Freundin Schildhilde war am Ende voll des Lobes:
„Habe ich mir schlimmer vorgestellt!“
„Habe optisch sogar was erkannt!“
„Die Kopfschmerzen hinterher waren gar nicht so doll!“
„Lustiger als Deadpool!“
„Zu lang war er auch nicht!“
„Fortsetzung: sehr gerne!“
Dem kann ich mich nur anschließen.
Yup, kann ich so unterschreiben.
Was ich mir von dem Film allerdings stark erhofft hatte war etwas mehr Gewalt. Ich lese keine Comics, kann also nicht wirklich was zu Vorlage sagen, aber Venom wirkte so als wäre ihm Kollateralschaden egal. Hier hätte drastische Zurschaustellung von Blut den Film nochmal sehr aufgewertet und von der Superheldenmasse unterscheidbarer gemacht, das hat bei Deadpool ja auch ganz gut funktioniert.
Aber er war witzig, und Shinzon war hervorragend! Ich hoffe auf einen zweiten Teil.
Was ist denn das für ein Blödsinn?
„Macht den Film gewaltätiger, erst dann ist er toll, wenn fünf Omas hintereinander gekillt werden, vorher nicht, nur Gewalt ist gut!“
Nööööö….
Ach komm schon, wo hab ich das denn geschrieben? Ich will doch nicht plötzlich dass in Biene Maja endlich Max geköpft wird!
Aber diesem Film hätten ein paar Härten durchaus gut getan, war aber wohl nicht drin wegen des lukrativeren PG-13 Ratings. Hat ja auch schon super geklappt im Total Recall oder Robocop Remake.
Intensivere Gewaltdarstellungen sind ja schlicht ein filmisches Stilmittel.
Da sich „Venom“ ja erfrischenderweise eher an dem realistischen Stil des „New Hollywood“ aus den 1970er Jahren orientiert, als Regisseure ganz gezielt auch explizierte Gewaltszenen als Stilmittel einsetzten (man denke an „Taxi Driver“, „Der Pate“, „French Connection“ usw.), hätte diesem Film eine etwas härtere Gangart durchaus nicht geschadet.
Jesses … explizitere wollte ich schreiben …
Nachdem man an San Francisco beispielhaft sehen kann, wie Großkonzerne wie Amazon eine ganze Stadt ins Chaos stürzen und eine Gesellschaft in superreich und obdachlos spalten kann, passt dieser Ort als Setting für eine Parasiten-Geschichte wunderbar.
Unkontrolliertes Wachstum gibt es in der Natur nur in einer einzigen Form. Diese Form nennt sich Krebs. Und so wuchert in dieser Stadt das Parasitäre auch wie ein Krebsgeschwür. Gegen diese Radikalität hilft nur ein gleichsam radikaler Held. Gefällt mir! Und es unterscheidet sich wohltuend von dem belanglosen Trash-Overkill der Disney-Marvel-Filme.
Letztlich ist „Venom“ ein erfrischend zynischer Film, mit authentischen Bildern und einem charismatischem Hauptdarsteller.
Ich habe gar nicht mitbekommen, dass nach Avengers (2012) noch weitere Filme aus dem Marvel-Universum erschienen sind. Vermutlich, weil ich noch dabei bin, die erzählerische Komplexität des Spätwerks von Bud Spencer und Terence Hill zu bewundern („Die Troublemaker. Ein Film der nichts neu, aber dafür Spaß macht.“)