„Under The Skin“ + „Another Earth“ – 2 Reviews für alle mit Indie-Herz
„Typisch Klapo! Premiumware aus Hollywood wie den 2014er-Alltime-Klassiker ‚Schnittorgie mit Tom Cruise‘ blöd finden, uns dann aber irgendwelche ranzige Kunstfilm-SF empfehlen, bei denen sich schon beim Zulesen mein fehlender Hauptschulabschluss aufrollt.“ – Genau richtig, skeptischer Zuleser Nummer 91! Moderne SF mit einem Budget von mehr als 98,2 Millionen (willkürlich festgelegt by ©Klapo.de) taugt nix, nur die Kleinen sind derzeit ertragbar. Daher heute mal zwei besonders schwule(?) Vertreter…
Gleichzeitig möchte ich ein Experiment wagen: Da ich sowieso nicht weiß, wie ich die Filme (langfristig) finden werde, werde ich heute eine andere Bewertung einbringen. Denn, mal ehrlich: Bei einem hochgelobten Hollywood-Block- und Marketingfirmenumsatz-Buster ärgert man sich bei einer 5/10 schon mal, während man bei einem Low-Budget-Film jenseits des eigenen Zettels schon mal „Joaaah, mal echt was anderes!“ sagt, obwohl die Zahlenwerte vielleicht sogar gleich wären.
Daher bewerte ich nun erstmals die Anzahl der TAGE, an denen ich später noch an die Filme gedacht habe! Denn je nach Mondzyklus oder Testosteronspiegel schwankt auch bei MIR die Bewertung von Filmen wie diesen extrem. Die neue „Tage-Bewertungsskala“! Denkt dran: Bei uns habt ihr zuerst davon gelesen.
Regie: Mike Cahill
Jahr: 2011
Budget: 200.000 $
Inhalt: Eine junge Frau tötet versehentlich Frau und Kind, nur der Mann überlebt. Während am Himmel eine exakte(?) Kopie der Erde auftaucht, versucht sie, das wieder gut zu machen…
Eine zweite Erde taucht auf und trotzt relativ schnell dem denkenden SF-Zuschauer: Warum stoppt der Planet nahe der Erde, nachdem er herangebraust kam? Wie konnte sich EXAKT das gleiche Leben darauf entwickeln, wenn er im All (ohne Sonne?) herumdümpelte und allein schon durch kosmologische Abweichungen die Geschichte hätte anders verlaufen müssen? Hat z.B. Galilei dort statt die Saturnmonde ein Schwarzes Loch bestaunt? Wieso fliegen Privat(!)personen als erstes hoch? Wieso weiß man nach der (viel zu späten Funk-Kontaktaufnahme) immer noch nichts über diese Welt? Was ist eigentlich mit Schwerkrafteinflüssen?
Das alles kann man sich fragen in diesem Film, der womöglich von jemandem geschrieben wurde, der Kometen mit Sternen verwechselt, an Schwerkraft nur denkt, wenn Marmeladenbrötchen unglücklich landen und der mit realistischen Abläufen in der Raumfahrt (oder bei SETI) überforderter ist als Christopher Nolan mit 90-Minuten-Erzählstruktur. ABER: Das alles spielt keine Rolle, ist das Zweite-Erde-Gedöns doch nur Bei-, wenn nicht sogar Naschwerk, nicht mal 10% des Films ausmachend. Stellt euch analog dazu einen Til-Schweiger-Film vor, bei dem das Dreibauchnabel-Küken aus einem Raumschiff gefallen ist, bevor sich alle beziehungs-be-komödien.
Aber der Film ist nicht lustig. Nein, nein. Eigentlich geht es hier um Schuld. Darum, dass wir uns manchmal wünschen, auf einer anderen Erde hätten wir anders gehandelt, empfunden, gelebt. Vor allem dann, wenn man eine ganze Familie tot fährt (wie hier geschehen), in den Knast kommt (wie hier ebenfalls geschehen) oder den Film „Dante 01“ bis zum Ende sieht (MIR geschehen)…
„Es ist unglaublich, unfassbar, unerklärlich! Ich habe doch tatsächlich einen Autounfall verursacht! Ich wüsste nicht, WAS im Universum mich davon ablenken könnte. Schöner großer Mond heute, übrigens…“ – Doppelt geerdet: Zwei Erden haben viele Vorteile. Zwei Ukraines für Putin, doppelt so viele Jungfrauen für die IS-Kämpfer und sehr viele Möglichkeiten für Briefkastenfirmen.
Es ist ein ruhiger Film, ein Film, in dem man als junger Mensch eventuell „Depriattacken“ (= in Wahrheit Smartphon-induzierte Aufmerksamkeitsreduzierung) bekommt, weil die Hauptfigur als Putzkraft arbeitet, traurig an die Wand starrt oder ihren Arbeitskollegen im Krankenhaus besucht, weil der sich flüssiges Blei(!) in Augen und Ohren gegossen hat (*weiteren Nolan-Witz unterdrück*). Es geht um darum, wie man Verschuldetes wieder gut machen kann, ob man zu seinen Fehlern steht und was Entscheidungen bedeuten. Das Ganze wird nur sanft von der zweiten Erde am Himmel untermalt. Zwischendurch vergisst man diese sogar, weil die Erforschung des Planeten trotz geschätzter Distanz „Erde-Mond“ in die Hände von Ursula Von-der-Leyen gelegt worden zu sein scheint („Wir haben 20 Teleskope und 30 Funkgeräte, aber sind alle kaputt.“)…
„Another Earth“ wird vielen nicht gefallen, die mehr als ein langsames Depridrama mit winzigem SF-Unterbau erwarten. Und wer deutsche Depridramen à la „Mein jüdischer Hamster hat Krebs“ erwartet, wird über den Planeten sowieso nicht hinwegkommen. Doch für alle anderen, die schöne Bilder(!), einen leichten Lars-von-Trier-Touch und eine gewisse Hollywood-Überdrüssigkeit ihr eigen nennen, könnte er durchaus etwas sein. Ähnlich wie „Melancholia“ ist’s halt was komplett eigenes. Und somit eigentlich schon – Achtung – „gut“!
Regie: Jonathan Glazer
Jahr: 2013
Budget: wenig?
Inhalt: Eine mörderische Alien-Frau (Scarlett Johansson) lockt Männer in ihr Auto, um sie dann … ja, was eigentlich?
Dieser Film nötigt dem hirneigenen „Gutfind-Zentrum“ so einiges ab: Es wird wenig gesprochen, viele Bilder aus Schottland verdienen das Prädikat „Wenn ich gaaanz lange hinsehe, bewegt sich die Landstraße vielleicht?“, die Motivation der Aliens ist nur zu erahnen und ihre Technologie fast nicht zu sehen. Es ist so, als würde man den Film „Species“ mit einem Roadmovie mischen. Dazu ein paar Penisse (teilweise stolz in die Höhe gereckt), fertig ist der seltsamste „Aliens entführen Menschen“-Film, seitdem ich Erich von Dänikens Gedanken aufzeichnen kann.
Ohne Kenntnis der Romanvorlage versteht man beispielsweise nicht, wann und wie die Menschen ruhiggestellt werden, dass man diese mästet, die Hauptfigur nur ein rangniederer Lockvogel ist und das Ganze sogar ein Plädoyer gegen die Massentierhaltung ist (das man DAS nicht sieht, ist für einen Gutmenschen-Auffresser wie mich sogar von Vorteil). Man sieht nur die hypnotischen Bilder von Menschen in schwarzen Schleimmassen, Aufnahmen von sich formenden Augen zu verstörender Musik… – Dazwischen dann wieder normale Straßen, handelsübliche Discos oder ein entstellter Zwerg, der nackt übers Feld läuft. – Letzteres ist übrigens ein prima Indikator dafür, ob ein Film mainstreamig ist oder nicht. (Vergleiche dazu mit Matthew Mcconaugheys Feldläufen in „Interstellar“)
„Was du, was mich an deinem Schlafzimmer irritiert, Baby?“ – „Das Fehlen des Zimmers?“ – „Nein. Die aggressiven Weichmacher im Fußboden.“ – Mehr Schleim als Sein: Scarlett hat schon wieder das Schild „Vorsicht vor dem Moore“ versteckt. Sie nimmt übrigens nur Single-Männer mit. Die haben weniger übel schmeckende Stresshormone im Blut.
Ein paar Szenen waren dann sogar richtig verstörend. Obwohl der Film ab 12 ist (Uhrzeit oder watt?), muss ich gestehen, dass ich als 12-Jähriger hierfür DREI Hosen hätte anziehen müssen. Eine zum Wechseln, zwei zum Reinpullern. Gerade das Unaufgeregte sorgt hier in der Schädel-Hirnhalle für wohlige Irritationen: Bilder, die ein paar Sekunden zu lange (oder eben genau richtig) stehen bleiben, Musik der Marke „Stampfen statt Klampfen“ und eine Erzählweise, die dem Zuschauer eigenes Denken abverlangt. Hier kann man lange auf einen Erzähler warten, der uns die Schuldgefühle von mörderischen Außerirdischen erklärt. – Da bleibt nur, der Hauptdarstellerin zuzusehen, wie sie z.B. Torte auf den Teller kotzt.
Das Ende ist düster, RICHTIG schöne Menschen gibt es höchstens, wenn man auf fetischmäßig auf männliche Gesichtsdeformationen steht und überhaupt gibt es kaum Gründe, diesen Film zu sehen. Was in meiner verqueren „Och ne, lasst den Film ‚Iron Thor 3‘ echt mal langsam stecken!“-Welt eigentlich auf eine echte Empfehlung(!) hinausläuft. Denn wenn ein Film es schafft, bei mir wildes Armewedeln bei den harmlosen Worten „Kind, Strand, Haut, Wald, Anzünden“ auszulösen, hat er eigentlich schon gewonnen.
Und dass eine weibliches Alien OHNE Zutun von AUßEN ihren Kollegen entkommen will, ist tatsächlich eher neu. Und dass tatsächlich ein völlig entstellter Mensch auftritt, ebenso. Erwähnte ich schon die wenigen Effekte, die aber trotzdem gut bis großartig aussehen? Ach, ich mach’s kurz:
„Under the Skin“ hatte laut boxofficemojo.com ein Produktionsbudget von 13,3 Mio. (davon wahrscheinlich 10 Mio. an Scarlett Johansson) und ein weltweites Einspielergebnis (will sagen: Umsatz brutto) von 5 Mio. USD. Das war vom Studio selbstverständlich so beabsichtigt. Man muß auch mal in künstlerisch wertvolle Filme investieren, die eher wenig Gewinn bringen. Aber in einigen Jahren wird es im zugehörigen Wikipedia-Artikel heißen: „…entwickelte sich nach dem Kinokassenflop zu einem Kultfilm auf DVD/Bluray“.
„Under the skin“ war schon ein guter Tip.
Hat mir gefallen.