Star Trek TNG – Staffel 6, Teil 2: „Also ICH sehe da eine 5-Sterne-Serie!“
Eure Großeltern haben es so gewollt: Heute geht es weiter mit dem zweiten Teil unserer großen Staffel 6-Verwurstung von TNG. Die Durchschnittswertung liegt diesmal so hoch, dass ich Kollege Sparkiller als Reviewer hinzuziehen musste, damit mir in den höheren Wertungsregionen nicht die Luft zum Atmen wegbleibt. Und nicht die Spucke bei der beschissenen Folge um Odos Schoßhündchen… Besondere Highlights: Picard fühlt der Beleuchtungskörperindustrie auf den Zahn und Deanna erschafft die allererste gute Troi-Folge, indem sie einfach jemand anderen spielt.
Eine Handvoll Datas
Data ist beliebt. Jeder mag Holodecks. Jeder kennt Cowboygeschichten. Und fast jeder findet, dass Storys mit Klingonen nicht humorvoll genug sind. – Rein technisch betrachtet war diese Folge daher wohl so unvermeidlich wie NEMESIS (Jeder mag Romulaner. Data ist beliebt. Jeder mag Klone in SF-Filmen, ect…). Und somit stand auch schon das Grundkonzept dieser reinen Spaßepisode fest, die zum x-ten Male die Frage aufwirft, warum Holodecks vom Technischen Überwachungsverein und nicht aufgrund der Genfer Konvention kontrolliert werden. Auch wenn ich die späteren DS9- und Voy-Folgen an dieser Stelle unfairerweise dazuzähle, muss man schon nachhaken, wie oft die Sicherheitsmechanismen noch ausfallen müssen, bevor die Sternenflotte tätig wird? Sind Schaukel und Klettergerüst im Aboretum denn wirklich so eine schlechte Alternative für das Freizeitbedürfnis der Crew?
Wie auch immer… Lustig ist es natürlich trotzdem, wenn alle Holodeckcharaktere wie Data aussehen. Auch wenn mir im Moment kein einziger Witz einfällt, der über diese visuelle Tatsache hinausging. Schenkelschonbezüge können daher wohl doch daheim gelassen werden. Oder halt ganz woanders, wenn ihr diese Episode denn daheim seht.
Wenn der echte Android nach der Besprechung in Picards Blumenkübel rotzt und dabei „Mitten in den Napf!“ grunzt, ist das sogar witziger als Worf in der Schlafschlumpf-Handlung. Auch war mir die Holodeck-Atmo diesmal etwas zu lieblos: Nach der beeindruckenden „Massenszene“ zu Beginn wirkte die Westernstadt wie ausgestorben. Sogar so sehr, als hätte es im Paramount-Hauptquartier einen Postraub gegeben, bei dem alle Briefe an die Statisten entwendet wurden. Mitsamt ihren Einsatzplänen. Schade, dass man aus der Not keine Tugend gemacht hat und Data auch noch als Totengräber, Barkeeper, Schulmädchen und Ackergaul hat auftreten lassen… Für die titelgebende „Handvoll Datas“ sind die paar Einsätze dann doch etwas spärlich. Und nein: Hier bringe ich keinen neuen Wortwitz zu Scottis fehlenden Fingern und seine eventuelle Zähl-Beteiligung an dieser Episode.
„Es tut mir wirklich leid, dass ich Dich Gestern vor allen Leuten nachgeäfft habe. Soll auch nicht wieder vorkommen, ich schwör’s! Hüte und ich, wir sind ab heute tabu!“ – „Grmpf. Das menschliche Konzept der ‚Untertänigen Entschuldigung’ hätte ich noch nie gemocht, wenn ich denn Emotionen hätte.“ – Warum eigentlich nicht die (Eisen)Biege gemacht? Die Holo-Datas hätten aufgrund ihrer Fähigkeiten eigentlich härtere Gegner sein können. Zumindest hätten ich gerne gesehen, wie sie mit einem weggespuckten Kautabakklumpen einer Fliege das Auge ausschießen…
Und wie Worf aus einem Kommunikator mal gerade ein schützendes Kraftfeld herauskitzeln kann, verstehe ich auch erst, seitdem ich mir meine DVDs unterwegs mit einem Schraubenzieher auslese… Nett gemeint war mal wieder die Beteiligung von Worfs Sohn, der leider immer noch zu weit von einer Führerscheinzulassung entfernt ist, um in einer SF-Serie beliebt zu sein. Leider (oder zum Glück?) fiel dem Autoren nichts anderes ein, als ihn als Geisel von Big Ol’ Data zu machen, wo er pflichtschuldig herumzappeln und seiner Rettung harren durfte. Was mich erneut feststellen lässt, dass die glorreiche Selbstmord-Tradition von Klingonen in Gefangenschaft in letzter Zeit leider etwas wenig Beachtung erhält… Und Trois Einsatz als geheimnisvolle Fremde kam dann auch etwas zu kurz. Hier hätte man die Figur der alten Sallerqueen noch mehr aufbrechen können… Ein Kugelhagel wäre da aus physikalischer Sicht sicherlich gut geeignet gewesen.
Fazit: Schon total witzig und eine total süüüße Idee, aber aufgrund der oben genannten Stichpunkte nichts, was ich meinen Freundinnen uneingeschränkt empfehlen würde. Real Data, der mit seinem Western-Slang seine Vorgesetzten verwirrt, rettet das 4. Gummiohr jedoch für eine Handvoll dollar… Sprüche.
Datas Hypothese
Man sollte sich mal den Spaß erlauben und zählen, wie oft etwas bei TNG zum Leben erweckt wurde, was bei Ikea normalerweise im in den hinteren Reihen verstaubt wäre. Die Formel „Grips pro Quadratkilometer All“ würde höchstwahrscheinlich enthüllen: Nirgendwo sonst legte der liebe Gott seinen alten Lehmklumpen derart fix zur Seite und experimentierte mit Werkstoffen vom Holzfass bis hin zum Plutoniumriegel häufiger als bei Picard. Und fast immer waren jene Folgen die Highlights auf dem Raucherflur der Ethikkommissionen. Sie bewiesen, dass die Zuschauer nicht wegen der überbordenden Raumkämpfe einschalteten (die man bei TNG lange suchen konnte; bei Voyager übrigens auch. Aber nur, weil es so viele davon gab), sondern wegen der zeitgemäßen Präsentation von SF-Ideen der 50er Jahre.
Versagt hat das Konzept eigentlich noch nie. Immer wieder macht es Spaß, die alten Folgen zu sehen und den kleinen Rackern („Die Macht der Naniten“) sowie den etwas größeren („Wenn Weltraumnebel denken lernen“) die Daumen zu drücken: Na los, Du schaffst es! Spreche Dein erstes Wort! Überzeuge den dusseligen Zellklops mit den vier Kullern am Kragen! So auch hier. Data entdeckt als erster, dass die Exocomps eine Art Selbsterhaltungstrieb entwickelt haben und von plötzlichen Explosionen im Leitungssystem am liebsten nur aus den Abendnachrichten erfahren.
Die ethischen Bedenken, die sich daraus ergeben, werden wie üblich beischlafähnlich hin- und hergewälzt. Die ungeduldige Erfinderin der kleinen Burschen ist uneinsichtig und sieht in den Robotern nur Werkzeuge wie z.B. einen Hammer, der auf den Kopf des Captains geparkt gehört. Somit liegt die Beweislast bei Data, der die Exocomps Tests unterzieht. Leider sind die schwebenden Rohrverleger jedoch so schlau, dass sie die Prüfsituation durchschauen und der Aufgabe zuwider handeln. Dass dies ein besonders großes Maß an Intelligenz bedeutet, beweist die Tatsache, dass ich bei meiner praktischen Fahrprüfung einst die gleiche Taktik angewendet habe…
„Man könnte sogar sagen, dass die Exocomps nicht nur autonom arbeiten, sondern sogar klüger sind als wir beide zusammen.“ – „Und wie viele von uns sollen das bitte sein, hö-hö-hö?“ – Und zum Abschluss ein schönes Stück „Leb“-Kuchen: Dank der schmalen Exocomps werden die Ingenieure auch bei Wartungsarbeiten im Fäkaltank der Raumstation stets mit frischem Toastbrot versorgt. Da wird man fast schon aus Prinzip lebendig, nur um dem Chef mitzuteilen, dass das ja wohl eine bescheuerte Idee sei.
Allerdings gibt es auch schwächliche Punkte, die eine Höchstwertung der Folge verhindern: Im Gegensatz zu anderen Neo-Lebewesen kommunizieren die Exocomps hier nicht mit der Besatzung, weswegen sie schon ein bisschen unhöflich rüberkommen. Denn das ist doch eigentlich stets der schönste Moment solcher Storys! Zu erleben, wie ein kleiner Schraubenaugust bei den ersten Gehversuchen gegen die Wand klatscht, um dann „Muttu pusten!“ zu rufen und zur überraschten Brückencrew zu humpeln. Auch wirkte die Quasi-Gegenspielerin diesmal etwas formelhaft mit ihrem ewigen „Wir haben doch KEINE Zeit!“ (*auf Jean-Lucs Wanduhr zeig*).
Fazit: Intalligunz siegt! Auch, wenn diese Folge den ersten 2 Seiten der Bibel nicht wirklich neue Aspekte abringt und das dramatische Ende etwas gestellt daherkommt (Motto: Der Weltraumnotfall im Haus erspart den Psychologen-Mann), ist das Grundthema wieder einmal geeignet, zwei heiße Tränen der Rührung zu produzieren.
Geheime Mission auf Celtris III (Teil 1 + 2)
Spaß beiseite. Jetzt kommt Ernst und foltert. „Kein Problem,“ werden sich viele Voy-Fans jetzt sagen, „das bin ich gewöhnt! Ich habe es auf der medizinischen Schmerzskala sogar bis zu Staffel 7 geschafft“. Und ich sage: Nein! In dieser Episode erwischt es nämlich nur Picard hammerhart. Dieser wird von Cardassianern gefangengenommen, nackig gemacht, ausgehungert, ohne Abendbrot, aber dafür mit Schmerzen in’s Nicht-Bett geschickt. Und zu allem Übel hat er beim psychologischen Machtspielchen seine Wärter mehrfach nur eine Eins gewürfelt. – Es geht um den Kult am Knüppel, die ultimative TNG-Folge, es geht um nicht mehr oder weniger als um „Celtris III“. Oder C3, wie wir Fans sie liebevoll nennen.
Doch langsam. Erst mal durchatmen vor dem finalen Stromstoß der Euphorie. Festzuhalten ist: Niemand war so geeignet für die Rolle wie Picard. Nicht nur, dass man dem Vorzeigemimen das Leid wirklich an den Augen, ach was, an der grauen Fläche drum herum ansieht, nö, seine bisherige Rolle als Machtmensch macht ihn als gebrochenes Opfer natürlich besonders attraktiv. Spannend ist hier vor allem, dass Picard lange Zeit tatsächlich seine Sozialarbeitermasche durchzieht und seinen Folterer sogar tiefenpsychologisch auseinanderklamüsert, dass ein Leben als hungriges Straßenkind sicherlich braune Spuren hinterlassen hat. Ideologisch gesehen.
Gebrochen, aber dennoch clever versucht Jean-Luc, sich einen Rest von Würde und Unabhängigkeit zu bewahren. Er versagt seinem Peiniger, 5 Lichter zu sehen, wo nur 4 sind. Dabei wird absichtlich offen gelassen, was der Sinn dieses Zählspielchens ist, das man sich ohne Probleme in Cardassianischen Mathematikunterricht vorstellen kann. („Das sind 45 Grad, ganz sicher, Herr Lehrer!“ – „Es sind 90! *Klopp* Der Rest davon ist an die Partei gegangen!“). Umso heroischer erscheint Picards Versuch, trotz Aua-Generator in der Brust auf arithmetischen Spitzfindigkeiten zu bestehen. Zwar darf der Captain das perfide Laternenspiel am Ende als fröhlicher Eingekackter abschließen, doch es wird trotzdem klar, dass sein Wille eigentlich bereits gebrochen war.
„Ich sehe… vier helle Lichter. Und eine Treppe. Da sind Menschen. Und eine kalte Metallstange im Boden!“ – „Das ist in einem Striplokal nun mal so üblich, Jean-Luc. Ziehen sie sich nun den blöden Monitor aus oder nicht?“ – Gute Idee: Der Halbgott Picard verkleidet sich als Mensch, um seine Gegner zu verwirren. Diese haben aber keine Probleme, selbst einem nackten Mann noch in die Tasche zu greifen: Mittels eines Teppichmessers und eines blanken Oberschenkels ist so eine Tasche ja auch schnell hergestellt…
Ich erinnere mich noch, dass es diese Folge war, die mich damals wirklich für die Cardis interessiert hat. Ob DS9 bereits in Deutschland lief, ist mir gerade entfallen, aber diese Story war es, die mich wirklich Angst vor den Gesellen empfinden ließ. Ich habe tagelang meine Suppe nur mit der Gabel gegessen, da sich die löffelgestirnigen Kotzbrocken in mein Hirn eingebrannt hatten (= Folter?). Ja, Die Cardassianer waren nicht so ein skurriles Lego-Volk wie die Borg oder irgendwelche Kraterstirne auf dem ausgelatschtem Kriegspfad wie z.B. die Klingonen. Nein, sie waren der Putin im Menschen, der Pol Pot, der Hitler und seine Frau. Und trotzdem waren es denkende Wesen, mal mehr grausam und militärisch denkend, mal viel weniger.
Ihre komplexen Probleme und ihr wohlüberlegtes Design (schöne Masken!) machten sie flux zu meinen Angstgegnern. Ab dem Moment konnte ich keine ST-Folge mehr sehen, in denen ich nicht im Hinterkopf hatte, dass sie Picard mal gezwungen hatten, seine eigenen Füße als Toilette zu missbrauchen. Und – nur am Rande – man stelle sich mal vor, wie andere Captains diese Folge verschandelt hätten! Da weiß man direkt wieder, warum Picard eigentlich der beliebteste Captain ist: Janeway hätte wohl einfach als weibisch-zickig gegolten, wenn sie dem Wärter bei der Beleuchtungsfrage nicht entgegengekommen wäre: „Ich habe mein Schiff doch nicht vom Deltaquadranten bis hier hin verunfallt, um Fragen über Glühbirnen zu beantworten! Meine Crew wird Sie suchen, finden und da mein Schiff das Stärkste im Deltaquadranten ist, werden wir sie bezahlen lassen für all das, wofür es bislang kein Wechselgeld… blabla, Rhabarber“.
Archer hätte vermutlich die ganze Zeit genau so geschaut, wie er es immer tut („Urgs. Diese cardassianischen Zitronen sind ja NOCH saurer als die von der Erde. Bemerkenswert…“) Und Kirk wäre immer wieder aufgestanden, selbst nachdem man ihm sämtliche Gliedmaßen und seinen Darstellervertrag amputiert hätte: „Gnnnnaaaaah! Für meineeeeen toteeen Sooooohn, ihr Möööörder!“
Auch die Nebenhandlung weiß zu gefallen: Da Picard über Nacht zum GSG9-Beamten degradiert wurde, brauchte die Enterprise spontan einen neuen Captain. Und was für einen! Einen bärbeißigen alten Sabberlappen, den niemand mag und bei dessen Anblick man lieber den nächsten Turbolift nimmt, wenn „er“ schon drin steht…
So etwas hätte ich mir für ST ja häufiger gewünscht: Sinnlose Personalentscheidungen an der Grenze zur Kraftfeld-Zwangsjacke. Denn egal, wie abstrus man Personal ab- oder umgezogen hätte, an die Realität wäre die Serie wohl nie drangekommen. Picard wird dann überraschend zum Bundespräsidenten ernannt, Troi bekommt einen EDV-Kurs nach dem anderen reingedrückt („Neue Richtlinie, Councellar. Ihre letzten Minesweeper-Testresultate waren verheerend.“), Riker ist plötzlich in der falschen Partei („Die Sozialpädagogischen Sozialisten haben überraschend die Wahl gewonnen? Verdammt! Und ich bin Mitglied der Radikaltoleranten Humanisten!“) und das Data-Urteil aus der 2. Staffel wird doch noch überraschend gekippt („Du bist doch `ne Maschine. Bitte melde Dich bis morgen an Entsorgungsstation 4!“)…
Der Neue ist herrisch, kontrollierend und undiplomatisch. Und dennoch hat man das Gefühl, dass er nicht unrecht hat, wenn er Troi dazu auffordert, sich endlich was Gescheites anzuziehen. Oder er dem Maschinenraum genaue Vorgaben zur Effizienzsteigerung macht. Oder wenn er anmerkt, dass er im Angesicht eines drohenden Krieges keine Zeit dafür hat, das anale Puderzuckergebläse in der Männerumkleide einzuschalten. Warum solche Unikate (von denen es ja mehr als genug gibt) nie die Hauptrolle in einer Serie bekommen, ist meiner masochistischen Ader ein Rätsel. Das alles sorgt jedenfalls bei mir dafür, dass die politische Dimension geradezu mit Händen greifbar ist. Das Gefühl, dass hier wirklich die Gefahr eines Krieges lauert und jedes nachlässige Pinkeln in die Konferenzraumpflanze einen Atomschlag zur Folge haben kann, schien nur bei TNG vermittelbar zu sein. Bei DS9 war’s auch noch in Ordnung, aber spätestens mit dem müden Allianz-Geseiere in der 4. Staffel von ENT („Kreuze an: Willst Du mit mir gehen? Ja O Nein O Vielleicht O“) hätte ich mir lieber einen schönen Krieg gewünscht. Zeitlinie hin oder her.
„Cardassianier! Entweder SIE machen mir jetzt Zugeständnisse, oder ICH werde sie machen! Sie haben die Wahl! – Und sagen Sie mir dann später nicht, dass ich sie nicht gewarnt hätte! Ich werde dieses Gespräch dann sowieso wieder vergessen haben. Und jetzt entschuldigen sie mich. Ich muss noch im Schlafanzug ziellos über die Autobahn irren!“ – Ein harter Verwandlungspartner: Die wirre Gesprächstaktik von Captain Gnurbtsch ist nicht jedermanns Sache. Kein Wunder also, dass sich alle Jedermänner 5 Minuten nach dieser Aufnahme vor dem Kaffeeautomaten verbrüderten… – während der Alte dem Wandputz weiterhin ein Knie an die Klinke laberte.
Bei allem Lob zu diesen Doppelfolge muss man die Grundprämisse jedoch erst mal schlucken: Ist der Sternenflotte bei all den Philosophievorlesungen das Kanonfutter für Selbstmordmissionen ausgegangen? Was macht bitte jemand wie Picard als Führer eines Sondereinsatzrollkommandos? Wird man etwa dafür Captain, um fortan mit der Gewissheit zu leben, jederzeit für Spionagemissionen im Gulag eingesetzt werden zu können? Für so etwas braucht man Top ausgebildete Leute, die bei der Bundeswehr selbst dann die T1-Kriterien erfüllen würden, wenn sie zur Musterung nur ihre Speichelprobe vorbeischicken. Man entsendet doch eine Ärztin, die einen Schnellkurs in Schwarze-Kapuze-Aufziehen belegt hat, ebenso wenig wie einen Klingonen mit intellektuellen Massendefiziten. „Verdeckte Operation“ und „Klingone“ schließen sich quasi von vornherein aus! Was ist, wenn man sich vor dem Feind verstecken muss, unsere Braunstirnamazone aber plötzlich unkontrolliert zu Grunzen oder Massenzumorden beginnt?
Fazit: Großes Kino für kleine Röhren! Endlich mal ein Zweiteiler, der sich nicht gewaschen hat und mit seinem schmutzigen Charme überzeugt… Solch subtiles und glaubwürdiges Trek ist heute leider selten geworden.
Bewertung für beide Teile:
Das Schiff in der Flasche
Und hier ist es wieder! Das Wunder des Lebens! Pünktlich wie immer sitzt es jeden Tag bei TNG auf der Quadranten-Parkbank. Gerade erst in die Welt geworfen und sich mit den halbvollen Bierflaschen neben dem Altglascontainer über „Wasser“ haltend. Besonders löblich ist, dass Professor Moriaty aus der Sherlock-Holmes-Geschichte der 2. Staffel nicht vergessen wurde. Normalerweise wird bei TNG die Floskel „Wir laufen uns dann bestimmt mal wieder über den Weg.“ ja gerne in voller Hintergrundkenntnis der Größe des Universums verwendet. – Es existiert keine metaphorische Tür, die man so sehr zuschlagen könnte, wie es dieser Satz normalerweise tut.
Das Schöne an dieser Folge ist, dass er zwei Themen umfassender und seriöser behandelt, als dies später bei Voyager geschehen ist: 1.) Die Überlegung, Holodeckfiguren einen Personalausweis auszustellen. 2.) Die Idee, dass man sich noch im Holodeck befinden könnte, ohne es zu ahnen. Nach „Das Schiff in der Flasche“ waren zumindest diese beiden Einfälle erschöpfend durchgenommen worden. Ein zufriedenes Schmatzen von meiner SF-verarbeitenden Hirnregion war akustisch nicht ganz wegzuleugnen. Ich sage sogar: Danach hätte man auf diese beiden Themen fast für immer verzichten können, um das Außergewöhnliche dieser Story nicht zu schmälern.
Natürlich ist diese Episode aber auch nicht frei von Unlogik: Dass ein Haufen Kraftfeld sich plötzlich in einen kompletten Menschen (mit DNA!) verwandelt, ist physikalisch natürlich unmöglich. Das wird zwar von Data auch gesagt, aber meiner Meinung nach in einem Ton, in dem man seinem Chef auch sagt, dass die „Präsentation unmöglich bis Morgen fertig“ sein kann. Die Resignation wegen der bevorstehenden Streichung des U-Wortes war hier bereits in der Stimme enthalten. Man hätte hier viel früher auf den Gedanken kommen können, dass hier etwas mit unrechten Dingen vorgeht. Zumal es hier ja nicht nur ums körperliche Verlassen des Holodecks geht, sondern eine komplette Intelligenz vom Schiffscomputer auf einen frisch modellierten Kohlestoff-Kopf übergesprungen sein muss.
Neben dem ganzen technischen Hin und Her um Kraftfeld-Haftkleber, gebeamte Holodeck-Materie (ungefähr so sinnvoll, wie durch den Fernsehbildschirm in einen Pornofilm hineinspringen zu wollen) und Sicherheitscodes in ungewollten Filesharing-Systemen bleibt auch ein bisschen Raum für Tiefgründiges. So darf spekuliert werden, ob sich Moriaty über seine Programmierung als Krimineller hinwegsetzen kann (= nö), was die Definition von Leben ist und ob die „Realität“ vielleicht nur eine unverbindliche Ansichtsempfehlung ist.
„Sie sagten doch, es sei physikalisch unmöglich, dass Holodeckfiguren diesen Raum verlassen könnten, Mister Data!“ – „War es auch. Aber die Parameter haben sich eben geändert.“ – „Die da wären?“ – „Na, die Tür ist jetzt nicht mehr von außen abgeschlossen.“ – Ich simuliere Leben, also bin ich: Moriaty ist gerade dabei, allen zu beweisen, dass er keine abstruse Phantasiegestalt ist. Und zwar, indem er die Arme hebt und NICHT zu fliegen beginnt…
Schön auch das erneute Auftauchen von Barcley, der sich diesmal wacker schlägt und in keinen Turboliftschacht mit dem Schild „Außer Betrieb“ stürzt. Noch schöner ist jedoch die Schlussanekdote der Folge, in der Picard scherzhaft sagt, dass er und seine Crew vielleicht auch nur fiktive Figuren sind. Man kann sich direkt vorstellen, wie der irritierte Barcley für Monate ein neues Hobby vor dem Einschlafen pflegt: Die unsichtbaren Zuschauer mittels wilder Gestikulation aus seinem Schlafzimmer verjagen.
Fazit: Reinste Science Fiction, welche in einer schottischen Destille über Jahre herangereift ist. Ihr vollmundiger Geschmack überzeugt genießende Kenner ebenso wie den Kampftrinker mit wenig Zeit! Und: Im Gegensatz zum billig gebrannten Voyager-Gesöff macht die visuell übersichtliche Handlung hier auch nicht blind!
Aquiel (Ein Sparkiller-Review)
Es hätte so schön sein können. Da genießt man seinen ruhigen (Außen-)Posten in irgendeiner Hinterwäldler-Region der Föderation, doch auf einmal wird man von seinem irren Arbeitskollegen ohne Vorwarnung angegriffen und muß in einem Shuttle die Flucht ergreifen. Kein großer Unterschied zum Durchschnitts-Bürojob auf der Erde, möchte man sagen.
Dies ist dann auch der aktuelle Zustand der Leere im galaktischen Equivalent einer Dorf-Sparkassenfiliale welcher der Enterprise-Besatzung bei ihrer Ankunft entgegengähnt. Denn von Aquiel Uhnari, dem Opfer des zuvor erwähnten Extrem-Mobbings, fehlt jede Spur. Abgesehen von einer meterbreiten Beschleunigungsspur im Hangardeck jedenfalls. Dafür trifft man erst einmal auf Aquiels Hund, welcher ab jetzt in nicht wenigen Szenen zu sehen sein wird, damit der Zuschauer am Ende auch laut „Ahaaaaa! Das hatte es also damit auf sich!“ rufen kann. Wenn dieser bis dahin noch nicht eingeschlafen ist. (Der Zuschauer, nicht der Hund.)
Der weitere Verlauf der Handlung ist so verworren, daß ich auf eine genaue Inhaltsangabe lieber verzichte. Aquiel taucht kurze Zeit später jedenfalls wieder auf und Geordi verknallt sich in die dunkelhäutige Schönheit. Was mich ja übrigens doch etwas über die eigentlich so hochgelobte Rassen-Toleranz von Star Trek nachdenken lässt. Wird man etwa auch im 24. Jahrhundert immer noch von der Familie enterbt, wenn man mit einer grünhäutigen Sklavin vom Orion durchbrennt, welche „Malcom X“ fälschlicherweise für eine tellerianische Fußsalbe hält?
Danach gibt es jedenfalls die übliche Romanze zwischen unserem nicht nur seh- sondern auch charmebehinderten Maschinenraum-Chef und dem nervigen Keif-Lieutenant Aquiel. Dazwischen werden mal alle Akteure kurz des Mordes verdächtigt und auch die Klingonen bestätigen mal wieder, daß man seine E-Mails gar nicht genug verschlüsseln kann. Gefundene Brutzel-Überreste des Stations-Kollegens verwandeln sich plötzlich in eine Kopie von Beverlys Hand und am Ende war der Täter natürlich auch ein Formänderer, welcher die ganze Zeit über als Hund („Ahaaaaa!“) durch das Bild tollte.
…ist es eigentlich Zufall, daß bei dieser Story unser alter Kamerad Brannon Braga seine Finger im Spiel hat? Ich glaaaaube nicht!
„Doktor, ich habe ja persönlich nichts gegen Forschritt. Aber wofür genau brauchen wir eine Schüssel mit Miniatur-Treibsand?“ – „Eine gute Frage, welche Ihnen meine Assistentin gerne beantworten wird. Worf, könnten Sie sie bitte eben herausziehen?“ – Opfer im Namen der Wissenschaft gibt es immer wieder, doch der Nutzen wird diese bei weitem übertreffen. Man denke dabei nur an die Drehbuchautoren dieser Folge, welche man da rein schuppsen kann!
Fazit: Eine etwas dürftige Geordi-Folge, welchen ich ja persönlich selbst noch vor Wesley für den unsymphatischten Trek-Charakter aller Zeit halte. Und weil die Gast-Rolle mit Aquiel eine ganz ähnliche Nörgeltante darstellt, war diese Folge als eine der wenigen bis jetzt auch noch nie in meinen DVD-Player gewandert.
Schön aber, daß man mit der Station zur Vermittlung von Subraum-Nachrichten auch mal die Langweiler-Jobs der Sternenflotte vorgeführt bekommt. Quasi das Callcenter der Zukunft, in welcher diese Folge wohl ohne weiteres auch hätte spielen können. Abgesehen vom bösen Formwandler-Chef vielleicht. Aber wie gut kennt man seinen eigenen Vorgesetzten denn wirklich?
Das Gesicht des Feindes (Ein Sparkiller-Review)
Wer kennt das nicht? Man tappst am frühen Morgen benommen ins Badezimmer und erschreckt sich vor dem eigenem Spiegelbild. Soweit aber nichts ungewöhnliches, hätte sich nicht irgendjemand den Spaß erlaubt, einem zwei künstliche Spitzohren an die Schläfen zu tackern. Und, hey, wem sein Badezimmer ist das hier eigentlich?!
Selbige Situation ist zu Beginn dieser Episode jedenfalls auch Counselor Troi widerfahren, welche sich am Abend zuvor noch nichtsahnend auf einer (bestimmt total spannenden) Psychologen-Konferenz auf Sigmund IV verlustiert hat. Mit neuen Ohren und in einer frisch gebügelten Romulaner-Uniform erwacht sie nun im dunklen Quartier eines Warbird der fiesen Grünblüter.
Der Sinn des Ganzen? Natürlich der, eine der Hauptfiguren mal in eine lustige Verkleidung zu stecken. Ganz nebenbei möchte man Trois Telepathen-Fähigkeiten aber auch dazu nutzen, um erfolgreich in den expandierenden Wirtschafts-Zweig des weltraum-umspannenden Politiker-Exports einzusteigen. Dabei handelt es sich um einen kleinen Nebenverdienst von Botschafter Spock, welcher aus leider nicht näher genannten Gründen immer noch auf Romulus abhängt. Denn schon Damals wurde kaum ausreichend erklärt, womit man auf diesem Planeten denn nun so furchtbar unzufrieden ist. Zu hohe Rundfunk-Gebühren? Oder doch nur eine Erhöhung der Wehrpflicht von 80 auf 100 Jahre?
„Beeindruckender Sprung, Captain! Aber über VIER Romulaner schaffen Sie es bestimmt nicht!“ – „Von wegen, Nummer Eins. Auf der Akademie habe ich es sogar über zehn Gorn geschafft. Mr. Data und der namenlose Lieutenant daneben… auf den Boden mit euch! Dem alten Fusselgesicht werden wir es zeigen!“
Auf der Enterprise ist man mittlerweile aber ziemlich besorgt, erhält dann aber Ratschlag von einem vor vielen Jahren zu den Spitzohren übergelaufenen Sternenflotten-Fähnrich. Was ich ja einmal für eine echt einfallsreiche Sache halte, wurden solche Aspekte vorher eigentlich noch nie angesprochen, selbst in anderen Sci-Fi-Serien. Und… öh… nachher dann leider irgendwie auch nicht mehr. Doch die Idee, daß jemand tatsächlich auf die Föderation mal keinen Bock mehr hat, hat mir wirklich sehr gut gefallen. Wenn an dem Knaben die übliche Romulaner-Uniform inkl. Suppentopf-Haarschnitt auch ein wenig tunntig aussieht.
Schön anzusehen ist es auch, wenn Troi, in ihrer Rolle als romulanischer Geheimagent, mit dem Commander des Warbirds um die Wette keift. Als Mann möchte man da fast die iranischen Bemühungen zur Geschlechtertrennung am Arbeitsplatz befürworten. (Wenn da nicht der Sommer mit den kurzen Röcken wäre.) Sowieso ist es aber auch mal abwechslungsreich, die Abläufe auf einem romulanischem Schiff zu erleben. Spätestens nach Deep Space Nine konnte ich nämlich keine klingonische Brücke mehr sehen, welche dort ja gefühlte 200-mal recycled wurde.
Fazit: „Das Gesicht des Feindes“ ist für mich letztendlich sogar die beste Troi-Episode. Und das nicht nur wegen der, gerade im Vergleich zu ihren anderen Folgen, intelligenten Handlung. Denn auch weil sie hier einmal eine toughe Rolle spielen darf, anstatt das immer freundliche und diplomatische Couch-Accessoire. Also wenn es nach mir geht, sie hätte ihre Ohren gar nicht mehr abnehmen brauchen!
EEEEEERRRRRRSSSSTTTEEEESSSS Licht.
Aahhhh, die Lichter-Episode. Das Glanzstück der Serie. Geniales Review Klapo.
Hmmmmmmm,, ein Staffelfazit? ansonsten super wie immer
mfg jpp
Fazitte, Fazits oder Fatzitessen gibt es ja meist am ENDE einer Staffel, was alleine schon schlusspunkttechnisch mehr Sinn macht. Und im Gegensatz zu neumodischer SF wie Battlestar Galactica hat TNG immer noch weit über 20 Folgen die Staffel.
Will sagen: Fortsetzung folgt. Eher sogar noch 2.
Klapowski in Schreiblaune! Wundert mich bei dieser Zuckerstaffel aber auch nicht!
Besonders interessant fand ich ja das C3-Review und folgenden Satz:
"Warum solche Unikate (von denen es ja mehr als genug gibt) nie die Hauptrolle in einer Serie bekommen, ist meiner masochistischen Ader ein Rätsel."
Meiner Ader auch. Freut mich, dass dir das besonders militärische Merkmal der Episode auch gefallen hat.
Aus irgendeinem Grund wirkte der neue Captain nicht wie einer der unsympatischen, GRUNDLOS kotzbrockigen Düstermänner der späteren Serien, er war für mich – Jean-Luc, verzeih mir – sogar als zukünftiger Captain durchaus vorstellbar. Zumindest mehrere Folgen mit dem Kerl wären erfrischend gewesen.
Und die Personalentscheidungen in TNG wirkten manchmal sogar einen Tick glaubwürdiger als die "Sisko, Sie sind ab nun nicht mehr Captain der Defiant"-Entscheidungen auf DS9.
Die C3-Verhör-Folge hat übrigens maßgeblich zur kreativen Gestaltung der heutigen Call-In-Shows beigetragen… "Tach, hier ist wieder Euer Gul Madred, und das erste Spiel ist ganz einfach: Zählen Sie alle Lichter ! *klingelingel* Ich werd' bekloppt, da ist schon unser erster Anrufer. Wer ist denn da ?" – "Hier ist der Jean-Luc." – "Und Jean-Luc, watt haste raus ?" – "Da sind vier Lichter !" – "Nein, das ist so nicht richtig. Muß ich jetzt leider den Hot-Button drücken !" – "*bratzel* AAARGH !"
quasi ist die C3-Folge DIE Referenz für die späteren 9Live-Shows! *gg*
Eines der besten Reviews seit langem! Ich war ja schon immer der Meinung, dass man sich nur über etwas lustig machen kann, das man im innersten eigentlich vollblutig liebt…der klassische Ehekrach sei mein Zeuge.
Bemerkenswert übrigens der drastische Gummiohren-Abfall beim ersten Sparki-Review. Ich bin sicher Daniel hätte hier aus reiner "Ist ja Staffel 6!"-Euphorie die doppelten Gummiohren vergeben. Gut gemacht also, Sparki.
Übrigens gibt es durchaus eine aktuelle Serie, deren Hauptfigur ein mürrisches Unikat ist…
Die da wäre?
"Wem sein Badezimmer"?!?! Wessen!!! Dem Genitiv sein Tod ist dem Dativ seine Schuld!
@Schwingkopf: Er meint sicher diesen Langweiler-Arzt InDaHouse-OutDaHouse-Autohaus
Mich hier in die lnge Reihe derer einzugliedern, die die C3-Flge absolute Spitze finden ist natürlich zu langweilig für einen Kommentar. Aber ich muss ja noch eins draufsetzten. Wenn ich richtig informiert bin, ist diese Folge ja von Amnesty International peisgekrönt worden, wegen der Authensität der Folterszenen. Da fragt man sich natürlich, wieviele cardassianische Folterer bei Amansty International bekannt sind, damit die so etwas behaubten können :-)
Auch bei den anderen Folgen spiegelt der Review-Virtuose meine persönliche Meinung größtenteils wieder. Zwar hätte ich der Troi zusätzlich zu ihren zwei Spitzohren nicht gleich fünf Gummiohren verpasst, aber es stimmt schon, dass es mit Abstand ihre beste Folge ist. Man kann jetzt also zusammenfassend sagen, dass Deanna Trois Lieblingsbeschäftigungen (neben dumm aus der Wäsche schauen) Romulaner ärgern und Schiffe zu Bruch fliegen sind. An Rikers Stelle würde ich schon einmal eine gute Lebensversicherung abschließen. Und natürlich Vollkasko für die Titan.
Jupp !
Sehr schön !
Weitermachen !
Gruss Bergh
und tach auch .
„Dabei wird absichtlich offen gelassen, was der Sinn dieses Zählspielchens ist, das man sich ohne Probleme in Cardassianischen Mathematikunterricht vorstellen kann.“
Das ist eine Anspielung auf Orwells 1984. Dort nimmt die Frage, ob 1+1 gleich 2 ist sowas wie eine Schlüsselrolle im Roman ein.
Es geht letztlich darum, ob es eine Wahrheit jenseits von dem gibt, das die Partei vorschreibt. Das Motiv mathematische Sätze in diesen Zusammenhang einzusetzen ist um einiges älter.