Severance 2.01 Review – „Hello, Ms. Cobel“
*auf tastatur pust*
Hallo? Ist das Ding hier an?! Typisch Klap, kaum ist man nach fast 25 Jahren Zwangsarbeit bei Zukunftia für ein paar Monate nicht zu erreichen, da zieht sich auch der Höööörr Kollege vor lauter Einsamkeit („Ohne Spark hat das Arbeiten einfach keinen Sinn!“) spontan (in sich) zurück. Dann muss ICH wohl halt wieder ran, das wird den Kerl bestimmt UMGEHEND zurücklocken!
Aber apropos sinnlose Arbeit, für dieses Thema eignet sich zufällig ganz doll die neue Staffel der überraschend knorke seienden Apple-Show „Severance“. Also, ab an den Redaktions-PC und losgeschrieben! *in unheimlichen fahrstuhl steig*
Sorry auch, dass wir die erste Staffel nicht eines Blickes gewürdigt haben. MIR ging diese Serie über in seelenlosen Arbeitswürfeln gefangenen Tipp-Zombies einfach etwas zu nahe, während Chef Klapo wegen der negativen wie unfairen Darstellung eines unmoralischen Personenkultes wohl etwas verschnupft war.
Aber worum GENAU geht es bei Zukunft— bei „Severance“ eigentlich:
Hauptfigur Mark arbeitet bei Lumon, einem gesichtslosen Weltkonzern mit dem optischen 80er-Jahre-Charme einer deutschen Behörde. Will sagen, lange und identische Korridor und Poster mit bewegenden Motivationssprüchen drauf („Wir stehen für den Sinn in Stumpfsinn!“).
Der Twist: Jedes Mal wenn Mark den Fahrstuhl in seine Etage nimmt, wird sein „Aussie“ (Nein, er ist nicht Australier. Oder vielleicht DOCH?! Diese Spannung!) mittels Mikrochip im Kopp gegen einen mental komplett getrennten „Drinnie“ ausgewechselt, welcher an der Außenwelt nicht interessiert und dadurch auch total produktiv ist. Und wenn man später doch keinen Bock mehr hat? Pech, dass hat nämlich die andere Hirnhälfte in der Außenwelt zu entscheiden. Ein Konzept, welches bestimmt eine grandiose Wichsvorlage für nicht wenige Geschäftsführer darstellt!
„Verdammt, wo war nochmal die Mitarbeiter-Toilette? Links, Links, Rechts, Rechts, Geradeaus? Oder Links, Rechts, Geradeaus, Links, Links??“ – Korinth— Korridor-Kacker. Mit diesem Bild hat man bereits 75% von Severance gesehen. Und 90% aller deutschen Jugendämter.
Diese Form des Mitarbeiter-Managements sorgt aber, Überraschung, für nicht wenig Drama. Nicht nur zwischen den Marks von Drinnen und Draußen, sondern auch im Zusammenhang mit den, noch mehr Überraschung, Geheimnissen der mysteriösen Firma Lumon, welche ein bisschen an die Dharma Initiative aus LOST oder auch Aperture Science aus Portal erinnert. Halt die Sorte Unternehmen, wo nur „die ganz Oben“ wissen, WAS eigentlich Ziel der ganzen Operation ist. Was Severance auch sehr schön durch ein bizarres „Zahlen-Minesweeper“ darstellt, welches es auf jedem Uralt-Computer der Mitarbeiter täglich zu absolvieren gilt.
Unser Mark verbündet sich im Verlauf der ersten Staffel jedenfalls mit seinen Arbeitskollegen und stellt sich gegen die gesichtslose Geschäftsführung, welche von gleichfalls hirn-getrennten Untergebenen vertreten wird. Doch von denen wird ein aufmüpfiger Mitarbeiter keinesfalls blutig abgemurkst, sondern ganz firmengerecht mit bunten Ballons ruhiggestellt oder in eine… *grusel*… Fortbildung geschickt.
Am Ende von S1 war (Spoiler!) vor allem eines wichtig: Mark erfährt, dass seine tot geglaubte Frau doch nicht verstorben ist, sondern ebenfalls bei Lumos arbeitet. Was ER natürlich erstmal nicht checkt, Kopfwechsel sei Dank. Die vielen Intrigen des Düster-Konzern sorgen bei ihm letztendlich dafür, dass er das System von Innen vernichten will, was ihm am Ende der Staffel auch gelingt. Oder vielleicht DOCH nicht? Und Schnitt zur neuen Folge!
Hinweis: Da seit der ersten Season beinahe drei Jahre (!) vergangen sind, konnte ich mich nicht mehr an alle vorherigen Details erinnern. Müsst ihr halt Kritik-Seiten mit jungen, geistig frischen Redakteuren besuchen! Pöh!
Drinnie-Mark betritt direkt zu Beginn wieder seine Etage, nachdem es zuvor per Notausgang geschafft hatte ohne Gehirn-Switch das Gebäude zu verlassen und die Zustände bei Lumon auffliegen zu lassen. So wird es einem zumindest verklickert, TRAUEN werde ich dieser Informationen aber erst einmal noch nicht! Ich, der Drinnie-Spark, bin ja nicht doof. Der andere da DRAUSSEN vielleicht, aber ich nicht! *mißtrauisch in den spiegel schau*
Denn so wird ihm auch gesagt, dass seine drei bisherigen Weggefährten nicht zurückkehren wollten, weswegen er nun drei neue Leerköppe zugewiesen bekommt. Mit den selben Gaga-Aufgaben („Oooh! Diese 7 auf dem Bildschirm sieht voll komisch aus! Schnell den Papierkorb anklicken! Warum auch immer.“) und ähnlich skurrilen Kollegen („Du heißt auch Mark, Mark? Wenn DAS nicht mal für Spannungen sorgen wird!“). Diese Typen lehnt Klassik-Mark aber grundsätzlich ab und trickst sich mittels schlecht-versteckter Aussie-Botschaft eine Audienz bei der ominösen Geschäftsführung zurecht.
„Danke, dass ihr zur heutigen Mitarbeitersitzung gekommen seid. Und da ich gerade den Sprechball halte: Ich finde unsere Pausenräume sind einfach viel zu grell und farbenfroh. Dabei habe ich zu den… den blauen Bändern unserer Zugangskarten schon nichts gesagt.“ – Dröge Gebärden. Selbst solche Szenen fesseln hier an den Bildschirm, kann man den Wahnsinn im Hintergrund doch geradezu trappsen hören. Außer der Typ auf dem Foto vielleicht („Wenn Gott uns hören sehen wollte, dann hätte er uns keinen Mund gegeben!“).
DIES sorgt dann auch für ein Treffen mit seinen Gefährten, wo ihnen ein aufwändiges Animationsvideo gezeigt wird, wo die Verbesserungen aufgezeigt werden, welche Lumon für seine Mitarbeiter eingeführt hat. Bessere Snacks im Automaten? DANN hat sich der riskante Aufstand ja gelohnt.
Einen großen Teil der Handlung bei Severance nimmt aber das Zusammenspiel zwischen Mark und seinen Freunden ein, weiß Dank Chip ja keiner wirklich etwas von „da Draußen“. Denn wenn man gar nix von seiner Sippe oder anderen äußeren Lebensgefährten weiß, dann wird man zwangsläufig auch mit dem nervigsten Kollegen schnell ganz dick. Ja, auch Trekkies!
Dies ist aber nie langweilig, werden doch alle Beteiligten gut ausgeleuchtet (auch technisch!) und bleiben sympathisch (wenn gewollt) und interessant. Sogar der seelenlose Abteilungsleiter mit seiner Mischung aus Zeuge Jehovas und Ordnungsfreak („Wieso steht in meinem Bildschirmschoner ein anderer Name!?!“ *support-ticket als ‚wichtig‘ markier*).
Dazu kommt eine tolle Atmosphäre, was bei einer Kulisse fast NUR aus Korridoren und Büros im 80er-Apple-Stil schon eine Leistung darstellt. Die Musik klimpert angenehm vor sich hin und überhaupt mag ich ja mysteriöse Firmen, wo man nicht einmal deren PRODUKT kennt. Im Spiele-Bereich kann ich dazu nur die Stanley Parable empfehlen.
„Waaaas? Seit vier Wochen kein Zukunftia-Review! Ich bebe vor Wut! Ich brenne vor Zorn! Hoffentlich kriegt meine Brandschutzversicherung das nicht mit.“ – So gehen auch Schuppen weg. Im Laufe der Folge wird uns ein kleiner Propaganda-Film im Knet-Format gezeigt. Süß, aber mit Kontext ebenfalls verstörend. Trotzdem, sowas demonstriert sehr schön die Liebe der Macher. Also deren Liebe für krasse Mindfucks, boah ey!
Klaaaar, die Serie ist sehr dialoglastig und wilde Action ist weniger zu erwarten. Aber genau DAS macht sie ja aus, denn hier wird Menschlichkeit durch ein Umfeld der Drögheit hervorgehoben. Jeder der schon einmal in (größeren) Büros gearbeitet hat erkennt hier nicht wenige Dinge wieder („Danke für Ihre 30 Jahre bei uns. Hier, ein Ballon!“) und selbst wenn nicht: Das verwandte Konzept der Backrooms hat nicht ohne Grund seine Liebhaber („Halloooo?! Ich habe einen Termin in Raum 431-C? Jemand daaaa?!“ – Umriss am anderen Ende des Korridors: „Hier ist 431-B, C ist am anderen Ende der Stadt. Aber egal, ich werde Sie jetzt eh auffressen.“ – „Puh! Gottseidank, der Verkehr ist heute schrecklich!“).
Fazit: Während mich Sci-Fi mit Riesenbudget und CGI-Krawall in letzter Zeit eher zum Gähnen bringt (Rebel Moon), schafft es Severance trotz seinem Minimal-Design, dass ich beim Schauen nicht einmal zum Smartphone greife und mich sogar dabei gebannt nach Vorne lehne (!). Und gerade letzteres ist eine große Auszeichnung, gerade wenn man mein Alter berücksichtigt.
*mit lautem knacken wieder zurücklehn*
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