Gastreview: Review zu „Eolomea“ (1972)
Drei Gastreviews haben sich in den letzten Wochen und Monaten bei mir angesammelt. Einer der beiden Autoren wird inzwischen als Synonym für das Wort „Gastautor“ geführt und heißt dementsprechen weiterhin: Tobias H. Schön finde ich, dass er sich weiterhin an (DDR-)Klassiker heranwagt, die selbst mir zu abwegig sind. Oder für die ich erst die 2-Meter-Kneifzange kaufen müsste. Ich wünsche gute Unterhaltung – und verspreche hiermit, alle Gastartikel in den nächsten zwei bis zwanzig Wochen zu veröffentlichen.
Eolomea ist der klangvolle Name eines DEFA-Films aus dem Jahre 1972. Er hat ebenfalls einen gewissen Kultstatus vorzuweisen und ist daher perfekt für eines meiner Reviews geeignet. Man bemerkt sofort, dass er auf der Welle von Kubricks „2001“ daherkam – damals das Eichmaß der Science Fiction. Bloß fünf Jahre später sollte der Klassenfeind dann mit „Star Wars“ erneut das Genre umkrempeln und erheblich mehr Tempo reinpumpen. Letzteres hätte diesem Film auch echt gutgetan.
Ich will aber nicht vorgreifen, denn eine – detailliert erklärte – Story gibt es. Im Wesentlichen geht es darum, dass acht Raumschiffe spurlos verschwinden und dann schweigt auch noch die Raumstation „Margot“ (Honecker?) still. Der astronautische Rat verhängt ein Startverbot.
Diese ersten Minuten versprachen einen durchaus nostalgisch-lustigen Abend. Beachtlich ist insbesondre die Wissenschaftlerin Prof. Scholl, die eine Art frühe Seven of Nine ist. Ihr angeblich messerscharfer Verstand tritt oft in den Hintergrund, ihre Kurven eher hervor.
„Ach komm, nach Wochen auf der Venus bist du doch bestimmt ausgehungert?“ Schön, dass der Osten jedes Klischee des Westens bereitwillig übernommen hat. Die Zusammenarbeit ging also doch! Hier sehen wir die sexy Wissenschaftlerin, die in solchen Outfits sogar auf Krisensitzungen erscheint.
Nach dem Mysterium und laaangen Gesprächen im Komitee kommen dann zwei Weltraumtaxifahrer ins Spiel, die beide ihres Jobs schon lange überdrüssig sind. Daniel und Kun, sein älterer Kamerad, hocken auf einer Asteroidenbasis, auf der sie… irgendwas machen. Von der munter raumfahrenden Welt und deren Organisation sieht man nämlich so gut wie nichts.
Nach und nach kommen die Figuren einer „Verschwörung“ auf die Spur: man erfährt, dass ein Stern im Sternbild Cygnus das „Wort“ Eolomea morst. Woher die Aliens unsere Morsezeichen kennen, ist egal. Da die Welt offenbar vom Sozialismus vereint wurde, fallen böse amerikanische Absichten jedenfalls weg. Prof Scholl bricht dann zur Margot-Station auf, dort trifft sie auf Daniel, der sich seinerseits hierher begeben hat. Dies war die Folge eines Tipps von einem kranken Kameraden. Dieser hatte womöglich Kontakt zu Außerirdischen oder auch nicht, denn es kommt so unmotiviert daher, dass man es schnell wieder vergisst.
Filmhistorisch interessant ist, dass die „Schatten“ (siehe „Babylon 5“ – 20 Jahre später) hier erstmals als Aliens in Erscheinung traten. Naja, mehr oder weniger halt. Ehe man sich versieht, kommt dann die Enthüllung: die gestohlenen Schiffe planen eine nicht genehmigte (!) Reise zum Stern Eolomea. Dan, der seinen Job schon aufgeben wollte, wird vom Pioniergeist eines Gagarin gepackt und macht sich in einer besseren Raumfähre auf den aberwitzigen langen Flug.
Muss ich noch erwähnen, dass die bildhübsche Professorin und der müde Weltraumkutscher mal was miteinander hatten? Nein? Der Film hätte das auch nicht tun sollen, denn die Liebessequenzen, die hier in Rückblenden daherkommen sind derartig zum Fremdschämen, dass dagegen Cmdr. McLane und Lt. Jagellovsk direkt als modernes Paar durchgehen würden. Als Person, die noch in der DDR geboren wurde, frage ich mich ernsthaft, wie ich entstehen konnte. Im Sozialismus hat man doch nicht wirklich durch das Überschütten mit Sekt geflirtet, oder? Eine seltsame Zukunft.
Klasse: die Zukunft kommt wie eine Ostberliner S-Bahn aus dem Jahr 1989 daher. Wenn man zeigen will, dass Raumfahrt etwas inzwischen Alltägliches ist, dann ist das gelungen. Man kann künstlerische Ideen aber auch zu weit treiben. Schön sind auch die Bahnschilder im Hintergrund.
Ach ja: damit ist der Film dann auch beendet. Die Liebe scheitert und das Abenteuer geht weiter und weiter. Dankenswerterweise machte die DEFA meistens schon nach 90 Minuten Schluss – eine Eigenart des DDR-Films, die umgekehrt „2001“ gutgetan hätte.
„W-a-s t-u-n S-i-e d-a?“ „Halt still, ich muss die „Eolomea“-Filmrolle rausnehmen, bevor wir uns den Streifen nochmal antun müssen!“ Im Nachhinein fand ich Raumpatrouille Orion-Roboter gar nicht mehr so übel.
Ich möchte fair sein: die Idee war nicht verkehrt und für die damaligen Verhältnisse (ohne Erlaubnis vom Komitee???) vermutlich schon als rebellisch zu bezeichnen. Leider ist der Streifen langsamer als ein Sojus-Raumschiff, das im Boden steckt. Die unnötig ausgewalzte Liebesbeziehung ist schwer erträglich und das ganze Gerede über die paradiesisch schönen Galapagosinseln lässt diese eher als ein Ziel erscheinen, das kein Bürger des Ostblocks jemals hätte sehen können.
Womöglich ist das auch schon eine der bestimmt vorhandenen Meta-Ebenen, über die nachzudenken man aber irgendwann keine Lust mehr hat. Die Ausstattung ist dann ganz ähnlich: manche Sachen, etwa die Asteroidenbasis, sehen erstaunlich gut aus und gerade als ich dachte: „Gut, halt bierernst.“, kommt mit RA 0560 einer der trashigsten Roboter überhaupt daher, der jeden Anschein von Seriosität verschwinden lässt.
Wie die mutigen Raumfahrer in ihren besseren Planetenfähren ohne Frauen oder nennenswerte Verpflegung an Bord die jahrhundertelange (!) Reise zum Stern Eolomea überhaupt überleben sollen, ist auch völlig unklar.
Fazit: Ein dröger Streifen, der seinen Kult wohl nur aus dem Mythos zieht, der ab und an um alle DEFA-Filme weht. Dann doch besser gleich „2001“, wenn es denn langsam sein soll oder noch besser ein ganz anderer Film.
Wer sich trotzdem auf die laaange Reise zum Eolomea begeben möchte: der Film ist komplett über YouTube zu sehen.
[Anmerkung von Klapo: Na, dann bauen wir das doch gleich hier ein. Was soll schon passieren? Abmahnung von Erich Honecker?]
tach auch !
Erstör !
Man könnte noch die recht coole Musik (für dieses Jahrzehnt und Deutschland) erwähnen.
Ansonsten : Danke für den Tipp.
Den Film muss ich noch zu Ende schauen.
Gruß BergH
Den Used-Look inklusive der individuellen Ausgestaltung von Raumfahrzeugen durch Aufkleber, Poster und Schilder („Fasse Dich kurz“ ist der Brüller) haben sie echt gut und lange vor Star Wars und Alien hinbekommen. Das rettet das dröge Werk zwar nicht, tröstet aber etwas.