„Voyagers“ – Poppen mit Janeway? Das Review.
Endlich mal wieder ein schönes SF-B-Movie in sparsamen Kulissen, mit schönen Menschen und einer gesellschaftlichen Botschaft gefällig? Dann seid ihr bei diesem Schulmädchen-Report für Amazon-Prime-Kunden leider falsch. – Diese Eigenproduktion für eigenschaftslose Eigenbrödler ist ungefähr so erhellend wie eine Schulhofschlägerei, über die jemand ein Schild mit der Aufschrift „Ist irgendwie für’s Klima“ gehängt hat. Doch trotzdem kann es spannend sein, mal eine dieser üblichen Schmalspur-Dystopien zu beleuchten. Eine Mini-LED reicht schließlich.
Inhalt: Um die kaputte Erde zu verlassen und einen neuen Planeten zu besiedeln, werden zig Kids in ein Raumschiff gesperrt. Hier sollen sie während des langen Flugs eine neue Generation zeugen. Doch leider kommt ihnen der zweite Akt dazwischen, so dass sie erst mal klären müssen, wer die nächsten 80 Jahre bis zur Decke pinkeln darf. Aus Reviermarkiergründen.
Besprechung:
Leider ist früh zu erahnen, wie wenig Ambitionen in diesem Amazon-Exclusive stecken.
„Künstlerisch“ (damit meinte ich die angemalten Brettergestelle, die da rumstehen – also die Darsteller) ist das ganze Werk hochgradig angreifbar. Ein brandgefährliches Spiel mit Feuer und zu eng aufgestellten Kulissen. Mit einem Inhalt, bei dessen Interpretation selbst ein Hauptschüler aufstehen und sagen würde: „Ist das nicht ein biiiisschen zu einfach für eine Abschlussarbeit?“
Überall nimmt die dürre Handlung um aufmüpfige Space-Jugendliche zudem bequeme Abkürzungen: Gesichtsausdruck-Gammelzeit? – Die sind halt unter sedierenden Drogen aufgewachsen… Es gibt kaum Fenster, um den Weltraum zu sehen? – Die sollen sich schließlich auf das Wesentliche (das Budgetproblem der Produktion) konzentrieren… Die Infrastruktur des Schiffes verbirgt sich an wirklich JEDER Stelle hinter weißen Wandpanelen? Seid froh, denn die später gezeigten Gewehre sehen arg nach 3D-Drucker und grauer Styroporpaste aus…
„Hey, Regieassistent? Such noch ein paar Bildchen von Tigern, vergrößerten Pupillen und einem Monster-Truck-Rennen raus. Alles bitte doppelt.“ – „Und die werden einfach sinnfrei reingeschnitten?“ – „Auch. Zudem plane ich einen Memorykarten-Abend mit allen Produktionshelfern.“
Und die Macher tun nach dem ersten Zeitsprung z.B. einfach so, als wenn in 10 Jahren eines Kindes einfach nichts passiert… Chemische Ruhigstellung hin oder her: Irgendwas Persönliches MUSS doch an Bord mal geschehen sein? Und wenn es nur die Hantelbank ist, die mit Heftpflastern und einem alten Beatmungsschlauch (lange Geschichte) repariert wurde. Damals, als der Meteoritensturm das Schiff auf den galaktischen Standstreifen zwang.
Stattdessen schweigt man sich an, bügelt Falten aus den Jogging-Raumanzügen, dreht die klassische Musik unzüchtig laut („Harhar, 30 Dezibel. Wir sind verdorbene kleine Teufel, oder?“) und pflegt seit 15 Jahre eine Art vorpubertäre Mid-Life-Crisis.
Ganz nach dem Motto: „Schade, Chef. Dass wir echt nur Kinder auf diesem Flug gebären dürfen.“ – „Stimmt. Aber die können EUCH dann bei den Hausaufgaben helfen.“
Schnell ist klar, dass es hier auf eine Revolte der fliegenden Eierstöcke und Spermaproduzenten hinausläuft, und nicht etwa auf das Erreichen des fremden und unheimlich( budgetsprengend)en Planeten. Klar, man benötigt eine gewisse Fallhöhe der Charaktere (= vorher brav, später ganz scharf), aber wenn diese sich generell verhalten wie Nachbars Lumpi mit beidseitigen Hodenklemmen, geht irgendwas schief.
Dann hagelt es Momente wie diese hier:
„Ich will Anführer sein anstelle des Anführers!“
„Moment, ich muss erst ein Mädchen sexuell belästigen, denn mein Bluttest hat ergeben, dass ich ein Toxic-Male bin.“
„Und ich bin die willige Schlampe, die ihre Brüste gerne an fremden Oberkörper-Feinripp spürt. Uuuuh, geil. Baaaaumwolle!“
„Könnte ich vielleicht auch mal Anführer sein? Mein Agent hat mir dafür extra diese Dehnungsübungen im Bereich der glasigen Augen verschrieben.“
„Hauptsache, ich als Frau darf das dauerhafte Opfer sein. Zu viel Gleichberechtigung schlägt mir immer auf die Libido.“
Im Ernst, welche Art des Konflikts soll in so einem klinischen und beengten Umfeld erzählt werden, den wir nicht schon in zehn Varianten spannender gesehen haben? Und welche Art von klugen Dialogen soll man von einem Film erwarten, der uns zu Beginn verkündet, dass man jetzt die Eizelle einer Ingenieurin mit der DNA eines Nobelpreisanwärters verquicken wird? Das wirkte nämlich nicht wie die fehlgeleitete Politik einer dystopischen Elite, sondern wie das ganz vernünftiges Vorgehen unter seriösen Wissenschaftlern. Getreu der alten Vorstellung: Mutti war Chefsekretärin, Vatti Gymnasiallehrer, also wird der Fötus mal der reiche Hausarzt eines hochrangigen Politikers.
„Arghh, diese alten Werbeclips, die unser Raumschiff auffängt, machen mich ganz wuschig! Was soll das denn bitte heißen? Einmal gepoppt, nie mehr gestoppt..?“ – Christian Bales jüngerer (und mimik-amputierterer) Bruder sorgt für mächtig Beef auf dem Genero-Flur 7C. Kein Wunder, dass die Girls da lieber den verrucht-neutralen Gesichtsausdruck für die nächste Calvin-Klein-Reklame einüben.
Und was dachte man sich dabei, als man ursprünglich plante, die ca. 7-Jährigen Wonneproppen alleine auf die weite Reise zu schicken, ohne Erwachsene? Und am Ende nur mit EINEM Techniker/Erzieher/erfahrenem Raumfahrer? Laut Filmlogik geschieht das wohl, damit sie beim Anblick der Kindergärtner nicht wieder Bock auf den Heimatplaneten bekommen? („Wow, 40 Jahre alt sind die. – Wir drehen um zum Planeten der MILFs, lechz!“)
Ja, wir sehen hier einen Film, bei dem man die Gesellschaftsklopp… -kritik nie so richtig von der Doofigkeit des Drehbuchs unterscheiden kann. War es z.B. wirklich von den Missionsplanern gewollt, dass alle hormonell gedrosselt auf das Endziel namens Generationsraumschiff hintrudeln? Oder ist dem Drehbuchautor nichts anderes eingefallen, um uns zu erklären, dass zwangsverschickten Raketen-Kids generell übel mitgespielt wurde? („Guck, wie traurig und ungebumst alle gucken! DAHER ist das hier unmoralisch, liebe Zuschauer.“)
Es kommt, wie es kommen muss… Irgendwann nimmt der Hormonstau überhand und trotz perfekter Ausbildung und den Genen von Friedrich Merz und Alberta Einstein bricht nach und nach das Chaos aus: Haue mit dem Schraubenschlüssel, Vernachlässigung von Schiffssystemen und das ständige Trockenknattern (natürlich mit Klamotten am Körper) sind da nur drei der vier gezeigten Erfolgs-Klischees.
Die Botschaft: Junge Menschen ohne Führung verwandeln sich in wilde Bestien. Klar, so was kann man in einer SF-Story durchaus erzählen, wirkt aber abgeschmackt. Da helfen auch keine Hautporen in Großaufnahme, abgeschmeckt mit wild reingeschnippelten Bildern von offenen Mündern und Weltkriegsszenen. Der Zuschauer soll ja schließlich wissen, dass in diesem C-Movie der Bogen zur gaaanz großen Weltgeschichte geschlagen wird.
Nur echt in der fettfreien Jeff-Bezos-Version. Wo lediglich Mädchen OHNE Hautunreinheiten noch als „Pickelfresse“ beschimpft werden dürfen.
„Wieso habt ihr sie erschossen?! Sie wollte gerade durch den Bildschirm greifen und dem Zuschauer die Vorteile der Demokratie in den Hemdskragen diktieren.“ – „Ihr offener Mund hat mich einfach zu rattig gemacht.“ – Einen Chesseburg… Schießbürger bitte: Die Botschaft mag etwas plump rübergebracht sein, aber als echter Intellektueller muss ich ihr zugestehen, dass sie mir überhaupt keinen Spaß gemacht hat.
Am Ende bleibt nur ein quälend langes Teenie-Drama mit Anleihen von „Die Welle“, „Herr der Fliegen“ und einem gepfefferten Anteil „Michael Burnhams Memoiren“ übrig.
Da hilft auch das – völlig aus dem Nichts kommende – Gelaber von einem Alien(!) nicht weiter. Denn das kommt in etwa so glaubwürdig rüber wie die plötzliche Suche nach dem Yeti in einer Episode GZSZ.
Fazit: Wer gerne schöne Menschen sieht, die sich grundlos aufs Maul hauen/küssen („Ich will mehr Frauen anfassen als du! Und die Sauerstoffversorgung geht bestimmt auch durch die Unterhose, Lechz“), ist hier an der vollkommen richtigen Fake-Adresse.
Das ist keine Fürsprache für mehr Demokratie, sondern für die ZWANGSrekrutierung und ZWANGSbeschulung von Menschen mit Hormonstau – und ihrem Drehbuchautoren, der „Gesellschaftskritik“ nur in der Trailer-tauglichen Variante schätzt.
Wow, ich bin jetzt fast versucht mir das anzusehen.
„Verkehrsunfall“ „nicht weggucken können“ usw.
Dagegen könnte „Intergalactic“ wohl als Geniestreich durchgehen.
Wo das Niveau der Serie schon so mies ist, sei zur Qualitätssteigerung der Review darauf hingewiesen, dass die korrekte Bezeichnung für die angesprochenen eigenschaftslosen Konsumenten des Schrotts E i g e n b r ö t l e r heißen müssen, weil es nämlich im 16. Jh. offenbar Irre gab, die sich ihr eigenes Brot mit ins Hospital brachten.
Es mag ein Schock sein, aber: Das ist keine Serie! (Witzigerweise gab es in den 1980er Jahren sogar mal eine Serie, die so hieß, allerdings mit Ausrufezeichen am Ende!)
Ja, das ist tatsächlich ein Film. Und zwar angeblich sogar ein Film, der im April in den USA im Kino lief, und im Juli in England offenbar noch im Kino laufen soll, zumindest laut Wikipedia.
Jetzt weiß ich zumindest was ich nicht schauen werde.
Dachte erst auch das wäre eine serie als ich das auf amazon video gesehen gab. Ich dachte noch „interessant, eine serie über ein generationenschiff. Da gibt es sicher viel zu erzählen, lange handlungsstränge, totale isolation, generationenkonflikte auf engstem raum, später große familienfehden etc. … super kombi zwischen drama und sci-fi…“ dann hab ich gesehen das es doch nur ein teenyfilm im weltraum ist, mit einem „düsteren“ geheimnis… gähn
Ich dachte nicht nur, das sei eine Serie, sondern: Wahnsinn, DIE Serie sieht ja mal wirklich billig aus.
Da gibt’s ja wirklich „Outer Limits“-Einzelfolgen, die sich bei der Ausstattung mehr Mühe gaben. Allein für die „Kostüme“ hat man wohl einfach mal einen Azubi zum Grabbeltisch bei kik geschickt.
@Skapo: Wer einen hervorragenden Roman zum Thema „Gernerationenschiff“ lesen möchte, der lese Ursula leGuins „Verlorene Paradiese“.
Besonders interessant: Sie nimmt in ihrem Roman die mittlere Generation des Schiffes in den Blick, also die Menschen, die weder die Erde als Ausgangspunkt kennen, noch die Perspektive haben, den Zielplaneten kennenzulernen.
Danke für den Tipp, hab grad ein bisschen gegoogelt. 140 Seiten als Taschenbuch… also mal keine Story die auf 360+ Seiten aufgebläht wird um die „richtige Romanlänge“ zu ereichen?
Zum Thema Generationenschiff kann ich noch eine sehr gute DDR-Kurzgeschichte aus dem Jahr 1982 empfehlen, „Das Ende einer Weltraumodyssee“ von Ernst-Otto-Luthard, zu finden ein der Sammlung „Die Klingenden Bäume“als erste Geschichte, die Geschichten des Autors in einer Anthologie sammelt. Auf 14 Seiten wird ein äußerst interessantes Szenario entworfen. Mehrere Schiffe sind vor Urzeiten von der Erde aufgebrochen, im Computer der Schiffe sind die Parameter eingetragen, wie der ideale bewohnbare Planet (also die Erde) auszusehen hat. Ewigkeiten nach Aufbruch, die Passagiere der Schiffe haben so gut wie keine Kenntis mehr von der Erde außer das, was im Computer verzeichnet ist, nähern sich die Menschen langsam dem Ende ihrer Geduld und es wird auch hinterfragt, ob es überhaupt den perfekten Planeten zur Besiedlung geben kann. Das Ende werde ich nicht spoilern, aber die 14 Seiten holen alles aus ihrer begrenzten Seitenzahl raus und die Story ist wirklich packend.
Bei LeGuin wird nie gebläht!
Also ich habe am Sonntag „Kenny begins“ auf Netflix gesehen, mit schwedischer Originaltonspur und mit deutschen Untertiteln. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt: kein Geheule, solide Story, glaubwürdige Charaktere, wie man diese aus dem wahren Leben kennt. Man konnte aber erkennen, dass es eine Budget-Produktion war, das fand ich jedoch nicht so schlimm.