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„Solaris“ (1972) – Review des Klassikers

„Solaris“ (1972) – Review des Klassikers

Endlich mal wieder ein Klassiker äh… überhaupt mal wieder ein Review. Nachdem Zukunftia kurz in der Winterpause war (nur 25 Grad im Juni? Unter 35 stehe ich morgens gar nicht mehr auf!), gibt es nun also den ultimativen Test, ob ihr uns wirklich wiederhaben wollt: Nämlich die Besprechung des Klassikers von 1972. Eigentlich sollte die Neuauflage von 2002 ebenfalls reviewt werden – aber dann kam mir diese wirklich üble George-Clooney-Allergie dazwischen…


Was ist Liebe? Und was können wir tun, wenn sie für immer verschwindet? – Tja, wer könnte diese Fragen besser kennen als Freunde des Star-Trek-Franchises ab den 2000er-Jahren?

Bereits 1972 hat sich Verfilmung des bekannten Romans bereits mit dem Thema „Abschiednehmen“ und „Wie, du bist immer noch nicht hinüber?“ beschäftigt. Und ja, das ist wieder einer dieser Filme, bei denen ich die Warnung „Achtung, KUNST!“ mittels Pferdeblut auf ein Schild schreiben muss. Denn dieses russische Werk von Regie-Legende Tarkowskij ist so sperrig, dass es knarzt.

https://www.youtube.com/watch?v=QR0buWkOuO8

Von wegen, so-lala-ris: Wenn man den Film zu einem heute üblichen Trailer umschneidet, wirkt das Ergebnis anziehender als ein Klasse-B-Wasserplanet.

Wobei die Sperrigkeit eventuell auch daran liegt, dass man (beim Kauf der DVD) nur eine recht unansehnliche Bildqualität im zusätzlich geschrumpften(!) Bildformat bekommt. Wer sich bei langen Dialogszenen also schnell langweilt, kann sich also noch nicht mal die Gänge der Bodenstation auf Solaris in annehmbarer Auflösung ansehen. Und das, obwohl die durchaus hübsch sind. So eine Art Stilmischung aus TOS und an der Wand (k)lebender Serverfarm.

Auch wirkt gerade der Anfang wie ein Fremdkörper im Film. Die Erklärung, dass auf der Bodenstation auf dem Planeten Solaris etwas Seltsames abgeht, würde man heute wohl kürzer abhalten. Zumal man das ganze 45 Minuten später viel eindrücklicher von den Kollegen vor Ort geschildert bekommt („Wah, aaarr… Alles ganz normal hier, echt jetzt!“ *Tür zudrück, stundenlang im Zimmer einschließ*). Erlebnisse vor Ort sind eben naturgemäß lebhafter als die fragenden Gesichter von russischen Berufszweiflern im erdgebundenen Besprechungsraum „Stalin II“.

Angeblich hatte das aber seinen Grund: So wollte der anspruchsvolle Anspruchsregisseur laut eigener Aussage die oberflächlichen Zuschauer aus dem Kino treiben. Etwas, was Denis Villeneuve heute ebenfalls wieder praktiziert…

Wie wir es von Regie-Meister Tarkowskji gewohnt sind, erzählt der Film von warmen Sehnsüchten im kalten Kontext einer menschgeschaffenen Realität innerhalb eines postmodernen Paradises. Und klar: Ein bisschen Knattern und Knutschen darf natürlich auch nicht fehlen, harrharr…

Nach dem zähen Einstieg, bei dem wir auch schon mal minutenlang laut kreischende Autos sehen (hier muss mein Deutschlehrer noch mal mit der Interpretationskeule ran), erwartet uns ein Mittelteil, der es wahr- und wahnhaft in sich hat. Denn plötzlich steht die verstorbene Frau des Hauptdarstellers wieder auf der Matte, zusammen mit einem SF-Roman voller Fragen:

– Hat der Planet den Astronauten ein „Geschenk“ gemacht und einfach nur die erklärende Grußkarte vergessen?

– Will der Planet die Leute bestrafen, weil sie zum Besuch kein Bier mitgebracht haben?

– Hat das Ganze überhaupt einen tieferen Sinn, oder spinnt sich der intelligente Ozean nur was – mittels Menschen-Hirnwellen – zusammen?

Doch bei der Frage nach dem „Warum“ darf Deutschland noch lange nicht runterfahren… Moralisch wird hier nämlich der zusätzliche Turbo gezündet:

– Darf man die unheimlichen Gestalten töten, da sie ja eh immer wieder kommen? (Sollte man bei Discovery/Picard übrigens auch mal abklären)

– Haben sie überhaupt Gefühle, oder werden sie nur von fremden/alten Erinnerungen gesteuert? (So wie bei mir persönlich?)

– Darf man die Wesen in der Kabine alleine lassen, wenn sie dadurch Höllenqualen erleiden? Und die zerdepperten Einrichtungsgegenstände ebenfalls?

– Wenn sie SELBST sterben wollen, darf man sie wieder zurückholen, nur weil man sie durch seine eigenen Gedanken beeinflussen kann? (Oder muss man sie für den ordnungsgemäßen Freitod erst zum Holland-Planeten bringen?)

– Darf man den Planeten mit harter Strahlung beschießen, wenn auch nur die geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sein Meer selbst ein Lebewesen sein könnte? (Nein, Mister Trump, Sie dürfen darauf nicht vorschnell antworten)

Und das ist nicht mal die Hälfte der Fragen, die man sich stellen könnte. Denn für welche Meinungen und Sichtweisen die anderen beiden Besatzungsmitglieder stehen, wäre schon fast der Stoff für eine Bachlorarbeit.

Das Highlight des Films ist möglicherweise die Darstellung der Natalya Bondarchuk: Die wiedergekehrte Tote ist verwirrt, verletztlich, aufbrausend, stark und am Ende sogar lebensklug. Kein Wunder, dass CBS nur wenige Jahrzehnte später die Erfindung von selbstbewussten Frauen in Serien vorangetrieben hat.

So tun sich Stück für Stück immer weitere Puzzleteile des Moralischen auf. Und das, obwohl sich die dreieinhalb Figuren in den dreieinhalb Kulissen nur teilweise und subtil weiterentwickeln. Im Kopf wirkt der ganze Klumpatsch dann aber trotzdem einigermaßen nach, der actionarmen Low-Ablenkungs-Erzählweise sei Dank.

Und dafür hätte es noch nicht mal das seltsam-überraschende Ende gebraucht, das deutlich von dem Roman-Ende abweicht. – Sagen wir es so: In diese Richtung hätte man sich nicht entwickeln müssen. Zumal mir nicht klar ist, warum dieser letzte „Sehnsuchtsort“ jetzt „besser“ oder „wichtiger“ ist, als der einst verstorbenen Frau durch‘s durchsichtige Kleidchen zu schauen. SPOILER: Das etwas schwächere Thema „Eltern“ hätte man meiner Ansicht nach nicht aufmachen müssen, nachdem die womöglich stärkeren Triebfedern (hihi, er hat „Trieb“ gesagt!) namens „Sexualität und Partnerschaft“ vorher so omnipräsent waren.

Auch hätte es nicht geschadet, wenn man an den zahlreichen Fenstern ab und zu mal den fremdartigen Ozean gesehen hätte. Doch meist bleiben die Bullaugen der Station blendend weiß oder dröge schwarz. Möglicherweise war das gewollt, ABER: Das erklärt noch lange nicht, warum wir den Ozean nicht wenigstens ab und zu hören. Öh, es sei denn, das Nichtgewollt-Sein erstreckt sich auch auf diesen Aspekt.

„Ich weiß nicht, Kris… Bin ich jetzt eine echte Holzpuppe oder ein unechter Junge?“ – „Ich würde ja die anderen Besatzungsmitglieder fragen, aber unser Wissenschaftler ist wohl schon wieder mit seinem Zwerg zugange.“ – Macht kaputt, was euch lebendig macht: Was es mit dem kurz gezeigten Kleinwüchsigen (hier nicht im Bild) auf sich hat, hätte mich ja durchaus interessiert.

Am Ende des Tages bleibt ein faszinierender Film zurück, der es durch seine (gewollten) Schwächen und Langsamkeiten nie zu einem Kultklassiker wie z.B. „2001“ geschafft hat. Liebe und Tod sind für das Mainstream-Publikum nun mal verdaulicher, wenn optisch mehr geboten wird als Theaterlandschaften mit Kunstkenner-Geschmäckle. Andererseits muss man den Mut des Machers loben, uns als Finale teilweise eine philosophische Diskussionsrunde in der Bibliothek zu präsentieren.


Fazit: Klassiker zu reviewen, das ist immer ein Tanz auf dem Banausen-Vulkan: Erwähnt man zu inbrünstig die vielen Gedanken, die hinter diesem Werk stecken, wird man rasch von der Marvel-Mafia in die CGI-Klapse gesteckt. Und unglaubwürdig wäre es auch… Erwähnt man hingegen die Langsamkeit und allzu gestreckte Momente, wirkt‘s unfair, einen so alten Film nach heutigen Maßstäben zu beurteilen.

Sagen wir es so: Für Fans der bedeutungsschwangeren SF ein absolutes Muss. Hier sehen wir TOS in Reinkultur. Zumindest ICH hatte wenig Probleme, mir Kirk, Pille und Spock in ein er etwas „leichteren“ Fassung dieser Story vorzustellen.

Doch wer damit heute nichts mehr anfangen kann, wird auch von diesem Film nicht bekehrt werden…

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
ALLES IN ALLEM

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von Klapowski am 12.06.20 in Filmkritik

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Kommentare (11)

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  1. Nestroy sagt:

    Ob wir euch wiederhaben wollen? Ich sag einmal so, sloan hält immer noch dein Hinflugticket zum Mond bereit.

    Oh toll, Klassiker-Reviews! Wann ist die 2005er-Version von Oliver Twist an der Reihe (Oliver Twist ist immerhin so einer)?

  2. Halbnerd sagt:

    Stanislaw Lem war mit beiden Verfilmungen von „Solaris“ sehr unzufrieden. Ich persönlich mag den russischen Film gerade wegen seiner Andersartigkeit. Es ist sicherlich nicht das, was man sich heute im Kino herbeisehnt, aber keinesfalls schlecht. Im Gegensatz zu „2001“ hatte ich auch nicht das Gefühl, hier durch ein LSD-Ende verschaukelt zu werden.

  3. bergh sagt:

    tach auch !

    Ich fand schon das Buch schwierig und den Film irgendwie unschaubar.
    Das liegt aber imho an der Entstehungszeit.
    Silent Riunning ist eine Juwel der AF,
    nur schaue ich den heute in 2 facher Geschwindigkeit. Bei Solaris ist es wohl ähnlich.
    Damals hat man laaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaannnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnngggggggggggggggggsam erzählt.
    Das muss nicht unbeding schlecht sein.(Man sehe sich der mit dem Wolf tanzt an, da wird minutenlang nur Landschaft gezeigt, aber da ist es schön und unterhaltsam.)

    Ich will Euch zurück !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
    Gruß BergH

    • hoppelhase sagt:

      Das Buch fands du schwierig?
      Ok, das Thema ist ja eigentlich „nur“ das Menschsein im Kosmos.
      Lebst du dein Leben auch in 2facher Geschwindiǵkeit?
      Damals hat man nicht langsam erzählt, die Fähigkeit der Zuschauer zur Aufnahme ist dermaßen verkürzt, das mit einer Kameraeinstellung, die nach 3 Sekunden nicht wechselt, es zu allgemeinem Unwohlsein kommt.
      Man kann sein Essen in einer Minute runterschlingen oder es geniessen. Da hat jeder alle Freiheiten.

      Antworten
    • Ben3000 sagt:

      Ich fand das Buch auch schwierig. Nicht von der Thematik her, jedoch von der Sprache und dem Lesefluss.

      Lem präsentiert hier so viele neuartige Konzepte und versucht diese auch zu beschreiben (Ich habe bis heute keine Vostellung von den Mimoiden und Wellenstrukturen!), verliert sich dabei aber etwas.

      Das Konzept des Buches war großartig. Auch wenn sich mir das Ganze erst rückblickend gänzlich erschlossen hat…

      Antworten
  4. JP1957 sagt:

    Den Film fand ich im Vergleich zum Buch von Lem enttäuschend.
    Was waren das für SF Großereignisse in den 70ern – die Entdeckung von Lem, Strugatzki, le Guin (!), Bradbury, Dick, Aldiss.

    Warum verfilmt eigentlich niemand die SF-Romane von Ursula le Guin?

    • Pezi sagt:

      Es gibt eine Animee-Verfilmung vom großartigen Studio Ghibli: Die Chroniken von Erdsee. Die Verfilmung ist leider nicht gelungen,
      kann sich für Fans aber lohnen…

      Antworten
    • JP1957 sagt:

      Die Erdsee Chroniken sind Fantasy … und auch lesenswert.

      Ich dachte eher an ihre SF Romane. Vor allem „Winter“ (The left hand of darkness) oder „Das Wort für Welt ist Wald“ oder „The Disposessed“.

      Antworten
  5. G.G.Hoffmann sagt:

    Ich finde Review und Film deshalb doof, weil diese Seite nicht mehr unter stus.de erreichbar ist…

  6. hoppelhase sagt:

    Ja, für ADHS TV Seher mag dieser Film eine Zumutung sein. Und Einstellungen, die über Minuten nicht geändert werden, damit man den Schauspielern beim Ausüben ihres Berufes zusehen kann… braucht keiner.
    Alleine wenn Kelvin völlig daneben im Fieberwahn knapp am Zuschauer vorbei in die Kamera schaut sollten sich alle heutigen „Schauspieler“ wegen Unfähigkeit erhängen.
    Was Lem zu dem Film gesagt hat, da gibt es unterschiedliche Quellen, vergleicht man den Film mit dem Müll, den die Amis mit George C. draus gemacht haben … egal.
    Gerade die Beschränkung auf die Schauspieler und deren Misere auf der Station ist sehr nahe am Roman und Tarkowski wäre kein guter Regisseur, wenn er den Film nicht ein wenig angepasst hätte. ( Viele Seiten aus dem Film[etwa die Beschreibung der Mimoide etc. auf der SOlaris hätten alleine Stunden gedauert] konnten eben nicht 1:1 umgesetzt werden.)
    Gut, über den Schluß kann man unterschiedlicher Meinung sein, aber verglichen mit dem üblichen Müll, der heute gedreht wird, handelt der Film vom Menschsein und nicht von bösen WasauchImmer, welche die Welt vernichten wollen und der Superheld haut drauf.

    Und jetzt dürft ihr noch Stalker reviewen.

    PS. Wer es noch nicht bemerkt hat, ich finde den Film in all seinen Facetten sehenswert.

  7. Mikrobi sagt:

    Auf die Rezension hin blieb mir natürlich nichts anderes übrig, als mir Tarkowskis Werke als DVD-Kollektion zu bestellen … ja, willkommen im Jahr 2020.

    So, zu Solaris: Ich war beim Gucken des Films wirklich hin- und hergerissen zwischen klassischem Meisterwerk – und altem russischen Schinken. So empfand ich ihn Audiovisuell schon anstrengend; kaum zu vergleichen mit der Brillanz von 2001. Und urplötzlich waren da Szenen in Schwarzweiß, wo ich mir gedacht hab: „Oh, denen ist wohl der Farbfilm ausgegangen“, dabei ist es ein Stilmittel von Tarkowskis gewesen, das er bewusst in seinen Filmen eingesetzt hat, wie ich später herausfand.

    Aber auch der Science-Fiktion-Anteil geriet hier beinahe in den Hintergrund: Der verbirgt sich nämlich hinter den Bullaugen der Orbital-Station, durch die es nur grell scheint, irgendwo da draußen auf dieser Ozeanwelt – oder überall dort. Ein Ozean, der voller Gedanken sein soll. Und die Menschen? Sie scheinen nur ein paar Trophen zu sein, die sich dorthin verirrt haben. Verständlich, dass sich da so verloren haben. Ja, philosophisch brilliert Solaris.

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