The Orville – 2.05 – „All the World is Birthday Cake“ – Kritik
Erstkontakte sind immer etwas ganz besonders: Man isst ein paar undefinierbare fremde Nahrungsmittel aus Industrieabfällen und/oder Tentakeln und verspricht dem neuen Volk bis zur nächsten Episode eine innige Zusammenarbeit. Danach geht man feierlich in den Innenhof, tritt versehentlich in ein Kaugummi am Boden und landet deswegen für 10 Jahre im Gulag. – Es sei denn, der Captain findet in alten religiösen Texten des Planeten eine hilfreiche, neue Definition des Wortes „Kaugummi“.
Inhalt: Nach einem gut laufenden Erstkontakt geraten Kelly und Bortus plötzlich in Gefangenschaft, weil sie ihren Geburtstag erwähnen. Und das nur, weil diese Gesellschaft zutiefst abergläubisch ist.
Besprechung:
Ein Volk von Leuten, die nach der Astrologie-Teil im „Brigitte“-Heft leben? Alle (Ver-)Achtung, solche Vollpfosten hat man selbst bei Voyager noch nicht gesehen. Und da hat der Holodoc ja sogar mal das Konzept der Musik für zurückgebliebene Aliens erfunden!
„Liebe neue Freunde! Ich glaube nicht, dass meine Crew kulturell jetzt noch was falsch machen könn…“ – „Er hat das heilige Eiter-Gefäß für einen Trinkkelch gehalten! Steinigt ihn!“ – Diplodocus-Diplomatie: Manchmal erlegst du den Erstkontakt und manchmal erlegt er dich. Dabei hatte Bortus in der Vorhalle sogar schon auf dem Kronleuchter gebrütet!
„Mussten Sie unbedingt erwähnen, dass wir bald Geburtstag haben?“ – „Glück im Unglück, Commander: Die Leute mit NAMENSTAG liegen bereits geköpft vor dieser Baracke.“ – Fremde Völker, keine Sitten: Als diese beiden für eine Karriere voller Abenteuer und dankbaren Völkern unterschrieben haben, hatten sie leider ihre Rechnung ohne den Wirt… äh… weird gemacht.
Ein wenig gestört hat mich am Ende auch, dass die Planetenbewohner nach 5 aufgeregten Minuten („HEY! Leben im Weltraum!!“) schon wieder zur Tagesordnung übergingen und nicht die Bohne nachdenklich oder vernünftig erschienen. Getreu dem Motto: Mir doch egal, dass sich gerade ein ganzes Universum aufgetan hat.
Aber okay, zu viel geistige Flexibilität hätte die Prämisse zerstört. Wobei 1-2 Sätze des hiesigen Herrschers schon gereicht hätten, mich zu befriedigen. So in der Art von: „Was soll ich denn machen? Sie sind alle sooo dumm – und ich bin ihr Chef!“
Dass ich das Auftreten der neuen Sicherheitschefin nicht groß kommentiere, darf übrigens als Lob gewertet werden. Die ist zwar kerniger und frecher als die alte, aber dafür halt auch … kerniger. Passt schon. Beziehungsweise passt BESSER!
Fazit: Dass man am Ende mit einem billigen Trick operierte, statt die Aliens KLÜGER zu machen (Diplomatie? Wissenschaft? Handel?), schmälert etwas den cleveren Grundgedanken dieser Folge.
Und derartig weggegrinst hätte man bei TNG eine solche Täuschung wohl nicht. Ich sehe da Picard eher hinter dem Tisch versinken, weil er für mindestens 7 Tage nicht mit dieser „Schuld“ leben kann.
Trotzdem ist’s aber eine Folge, deren Tempo, Optik, Nicht-Flachwitz und Darstellerauswahl mir sehr gut gemundet hat. Und dann diese kurze Action-Sequenz: genau richtig in Länge und Intensität. – Bitte mehr davon! Und zwar hier rrrrein! (*mit Zeigefinger in Mund zeig*)
So ähnlich hat es sich dieses Mal auf der Orville angehört, als dort ein primitiver „Bin da! Wer noch?“-Ruf aus den Lautsprechern hallte. So stark war das Super-Duper-Feeling, dass man als geschulter Pessimist und Discovery-Gucker natürlich sehr schnell einen negativen Twist erwartete. Nennen wir es den „Zu gut, um wahr zu sein“-Effekt.
Aber zuerst lief alles sehr schnuckelig ab. Präsident Schläfenknubbel wird ohne Zwischenfall die Hand geschüttelt und das Publikum in „Nicht New York“ klatschte eher unbeeindruckt über die Neuankömmlinge im Takt. Übrigens, wer bezeichnet eigentlich seinen eigenen Planeten als Regor 2? Ich als Bewohner von Sol 3 kann über solch doofe Namen natürlich nur lachen. Ha. Ha.
Wobei der Erden-Look, ähnlich wie bei der Social Media Parodie damals, schon etwas arg bocklos wirkte. Da geht doch auch mit wenig Geld etwas mehr in Sachen Alien-Kultur. Wenigstens hat man sich die Mühe gemacht, die Logos von den Bildschirmen zu knibbeln.
Zu gut um wahr zu sein wahr… äh… war es dann übrigens auch. Sternzeichen geben auf Rektal 2 den Takt an. Irgendwie doof. Aber auch irgendwie sehr TOS’ig, erinnerte das Unverständnis der fanatischen Astrologen doch an das von „Bele jagt Lokai“. Denn schon damals habe ich mich darüber sehr amüsiert, wie ernst diese minderwertigen Links-Weißen genommen wurden. Die gehören doch alle ins Straflager, aber Hallo!
Und vielleicht fiel es ja nur MIR als Ultra-Profi-Reviewer auf, aber… kann es seeeeein, dass man mit der Gefängnistracht inklusive Astro-Stern auf irgendein ECHTES Ereignis in unserer Geschichte hindeuten wollte? Bei soviel subtiler Subtilität hätte wohl selbst Miss Marple nix davon mitgekriegt.
Fazit: Die erste Hälfte wusste mir dank der gekonnt genutzten 90er-Star-Trek-Schablone sehr zu gefallen. Doch als die große Enthüllung klar war, zog sich eben dieses Thema und das Geschehen im Konz… im Astrologielager doch etwas sehr hin. Wobei es genaaau diese Story beim Trek wohl nicht gegeben hätte, Beam-Mangel bei Orville sei Dank. Persönlich hätte ich mir für den Schluss noch einen kleinen Arschtritt für die Aberglauben-Zivilisation gewünscht, aber mit etwas Glück kommt das vielleicht noch?
*salz über die schulter werf*
Wertung: 6 von 10 Punkten
Positiv erwähnt werden sollte auch noch der Dialog auf dem Bankett über das Wirtschaftssystem der Erde (der Union?).
Wir wissen jetzt endgültig, dass es den Kapitalismus in der Orville Zukunft nicht mehr gibt.
Die Folge zeigt wunderbar, wie einfach es ist den Charakter einer neuen Figur mit nur einigen wenigen Szenen zu zeichnen – die neue Sicherheitschefin bekommt sofort Kontur.
Völlig unbegreiflich, wieso das den Discovery Leuten nicht gelingt.
Und dieser Kapitalismus ist gar nicht so weit entfernt von der astrologischen Einteilung der Regorianer. Bei uns entscheidet das Vermögen der Eltern doch sehr massiv den Werdegang des Kindes, ein Kind armer Eltern in Bangladesh wird anders aufwachsen als der Sohn eines Milliadärs in der westlichen Welt.
Der Verzicht auf Geld wäre uns so unvorstellbar wie der Verzicht auf die Ordnung der Astrologie für die Regorianer.
Die Regorianer gehen aber so sehr in ihrer Überzeugung auf, dass sie auf eine Veränderung eines Sternbildes auch sofort reagieren. Das macht sie sehr intelligent, weil sie zumindest im Rahmen ihrer Regeln nicht bigott reagieren, sondern hier zu Änderungen fähig sind.
So ganz nebenbei fragt die Episode erneut die Frage: Ist es gerechtfertigt, für seine eigenen Überzeugung ein Kind leiden zu lassen, indem man es zu einem Leben als Außenseiter verdammt? Genau das wäre dem Kind von Bortus einst passiert, wäre es ein Mädchen geblieben. Und genau das nimmt hier die Mutter eines Babys in Kauf, das sie (aus mehr als verständlichen Gründen) nicht hergeben will.
„Völlig unbegreiflich, wieso das den Discovery Leuten nicht gelingt.“
Weil sich dort die geballte Inkompetenz trifft? :D
Was ich übrigens EXTREM stark fande: Natürlch soll das Lager an die KZs der Nazis erinnern. Inklusive Demütigung seitens der Wärter und so weiter. Was übrigens auch ein ziemlich starker Kommentar zur Rassismus der heutigen Zeit ist. Hier nochmal gesteigert: Im falschen Sternzeichen geboren? Sorry, bist ein Untermensch. So ist das ja auch, wenn man Eigenschaften wie kriminell, etc. an der Herkunft eines Menschen festmachen will. Gut, zurück zu dem was ich so stark fande: Als Kelly die Gefangenen fragte, ob sie nie mal daran gedacht hätten auszubrechen, wurde dies von den Inhaftierten verneint. Nicht aus angst, sondern weil sie ja selbst diesen Glauben auch haben. Es gibt also kein Ungerichtigkeitsempfinden unter den Inhaftierten. Das fande wirklich ich bedrückend und logisch zugleich, als ich darüber nachdachte. Denn wenn man da seit Jahrhunderten nach diesen Astrologiegesetzen lebt, dann müssen das ja irgendwie auch die Gefangenen so sehen, sie kennen es ja nicht anders. Dieses Detail fande ich, wie gesagt, bedrückend und logisch. Auch weil es mit den Erwartungshaltungen von uns Zuschauern spielt. Wetten, in jeder anderen Serie hätten es Kelly und Bortus mit Leichtigkeit geschafft die Gefangenen zum Ausbruch zu überreden?
Allein dieses logische Detail zeigt, was für ein starker Drehbuchschreiber in Seth McFarlane schlummert. Sowas durchdachtes wird man bei der komischen super erfolgreichen Konkurrenzserie wohl wirklich nie zu sehen bekommen!
Hätte mir jemand vor 10 Jahren gesagt dass da eine neue Star Trek-Serie rauskommt und gleichzeitig eine SF-Serie von dem Family Guy Typ, und ich würde eine echt super finden und die andere richtig kacke, hätte ich gewusst was auf mich zukommt.
Tja, und hier sind wir…
Star Trek wird von Äffchen geschrieben, Orville von einem talentierten Star Trek Fan. Er weiß dass auch mal ein Peniswitz reindarf, solange der Schwerpunkt auf Drama und Abenteuer liegt. Kurtzman und co., selbst wenn sie wirklich Interesse an der Star Trek-IP hätten, fehlt dieses Fingerspitzengefühl komplett, siehe Anrotzfahrstuhlwitz.
Habe auch gehofft, daß sie die Typen mit ihrer eigenen Logik schlagen, eben daß sie ein paar Lichtjahre weiter unter einem ganz anderen Sternzeichen geboren sind!
Das wurde ja bei Babylon 5 schonmal so gemacht.
Aber an der Folge sieht man auch wieder, daß Orville eben sehr oberflächlich und weniger deep ist als – das alte – Star Trek.
Da rufen ein paar Typen „kommt mal vorbei“ ins All, und schon landet man pompös auf dem Rathausplatz! Realistisch würde man die Leute erstmal Jahre studieren (um eben genau das was in der Ep passiert ist zu vermeiden!), und dann erstmal eine Kontaktaufnahme im geheimen mit den Anführern!
Es geht nicht darum, den Gegner „zu schlagen“. Das wäre eine grauenhaft oberflächliche Folge gewesen. Die „Babylon 5“-Auflösung ist geradezu grauenhaft witzlos. Hier geht es um das Erschaffen einer neuen, gerne auch gefälschten Mythologie, um den Regorianern im Rahmen ihrer Überzeugung einen Weg zu ermöglichen, einen neuen Weg einzuschlagen, ohne zunächst ihre Kultur komplett aufgeben zu müssen.
Hier schenkt man den Regorianern einen Stern. Damit wird ein fateles Sternbild zu einem positiven Sternbild. Ein neues, positives Omen. Es erlaubt den Regorianern, die Giliac wieder in ihre Gesellschaft aufzunehmen. Es wird ein neues, positiver Mythos erschaffen.
Ich hoffe, das ist dir hier nicht zu „deep“, aber als Mercer mit Kelly zu dem regorianischen Oberhaupt geht, überlegt er kurz, ob er denen nicht einfach einen falschen Namen sagt. Er entscheidet sich gegen diese Lüge. Später erschafft er einen falschen Stern. Doch dieser falsche Stern führt zu einer größeren Wahrheit. Die Regorianer können zunächst die Giliac wieder integrieren. Damit geben sie den Giliac auch die Chance, zu zeigen, dass sie nicht boshaft oder gefährlich sind. Wenn der falsche Stern auffliegt, müssen die Regorianer erkennen, dass die astrologischen Regeln nicht gelten.
tach auch !
Mit einem Satz:
Das war eine geile Folge, die mit eine Leichtigkeit das alte Star Trek Feeling wiedererweckte,
die Ihresgleichen sucht. (Die lIechtigkeitz jetzt)
Ansonsten war mir das schon ganz schön deep.
Und die lustigen Momente waren nicht albern. ALs Bortus den Stänkerer niederstarrte war das ein
Highlight an unetrkühltem Humor.
Ich fand es Klasse.
Gruß BergH
– Handelt die Mutter liebevoll oder selbstsüchtig, wenn sie ihr Kind im Gefängnis behalten möchte, obwohl es eine große Zukunft hätte?
– Ist der künstliche Stern ein „Geschenk“ an die Regorianer, das ihnen hilft, im Rahmen ihrer Überzeugungen die Giliac wieder in die Gemeinschaft aufzunehmen, oder ist es eine Lüge?
– Ist eine Gesellschaft, die im astrologischen Denken so verhaftet ist, so weit von unserer Gesellschaft entfernt? Denn wir können uns eine Welt ohne Kapitalismus nicht vorstellen. (Beim Dinner wird ja über Kapitalismus gesprochen und inwieweit er das Schicksal einzelner Menschen ungerecht vorherbestimmt).
– Erfüllen Kelly und Bortus das Schicksal ihres Sternbildes, als sie einen brutalen Ausbruchsversuch machen? Wird man zu dem, was eine Gesellschaft in einem sieht?
– Sind die Regorianer nicht sogar bewunderswert in ihrer Überzeugung? Immerhin ändern sie sofort ihr Verhalten gegenüber den Giliac, nachdem sich das Sternbild veränderte. Sie möchten also nicht grundlos Personen unterdrücken, und sie ergreifen sofort die Chance, damit aufzuhören.
Das sind die Gedanken, die mir bei dieser Folge durch den Kopf gingen. Das reicht durchaus für „Orville-Durchschnitt“.
@Serienfan: Danke für diese gedanklichen Anstöße. Die zahlreichen kritischen Einwände ließen mich zunächst doch an meinem anfangs guten Eindruck zweifeln. Deine vielen Spiegelstriche zeigen, dass einiges an Gedankenarbeit in der Folge steckte.
Zweifle nie an Dir selbst, sondern stets an der Menschheit! :-))))
„If there’s nothing wrong with me, maybe there’s something wrong with the universe!“ – Beverly Crusher
DAS ist „deep“! :-)
Wann haben Kelly und Bortus Geburtstag?
offentsichtlich im Zeichen des Giliac
Ich fand die Sonnensegel-Lösung auch ziemlich suboptimal. Vor allem haben die ja davor darüber gesprochen, dass die Astrologie-Fritzen durchaus Satelliten etc haben. Und dann fällt der „Sternenkommission“ nicht auf, dass es kein Stern ist sondern ein Sonnensegel? Sehr wage und komisch.
Was passiert mit den Leuten, die aufgrund ihres Geburtsrechts ein „besseres“ Leben haben? Werden die jetzt automatisch runtergestuft?