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„American Gods“ – Kritik zur ersten Staffel

„American Gods“ – Kritik zur ersten Staffel

Diese Serie ist eine Unverschämtheit! Denn sie hat dasselbe Problem wie meine Freundin, wenn das Licht angeht: Sie sieht einfach viel zu gut aus! Wie sollen sich da alle anderen fühlen?! Und fragt irgendjemand, wie sich ein Trekkie vorkommt, wenn der früh ausgeschiedene „Discovery“-Showrunner (Bryan Fuller) jetzt woanders visuelle Geschichte schreibt? Aber gut… Heute beleuchten wir mit der Kraft unseres Glaubens eine Serie, die auf „Amazon Prime“ massiv beworben wird und neben Schweighöfers „You Are Wanted“ eine gute Figur macht – sogar aus 200 Meter Entfernung und mit einem Busch davor.
 

Inhalt: Ein Mann kommt aus dem Knast und erfährt, dass seine Ehefrau bei einem Autounfall ums Leben kam. Zum Glück spricht ihn im Flugzeug aber ein merkwürdiger Fremder an, der die Trauerzeit mit überirdischem Gedöns abkürzen will.
 
Oder halt so erklärt:


 
„American Gods“ ist technisch und inszenatorisch überragend: Kein Schnitt wirkt mies oder auch nur durchschnittlich, keine Einstellung ist offensichtlich „serienmäßig“. Oh ja, hier werden einem Lichtspielereien, Zeitlupeneffekte, kranke Kamerazooms und beängstigend scharfe Gesichter (in auch auf Bombastfernsehern rauschfreien 1080p) um die schlackernden Nerdohren geprügelt, bis die Vulkanier-Deko abfällt. Okay, natürlich gibt es hier keine großartigen SF-Aufbauten oder Fantasy-Burgen, aber wie die herumirrenden Götter und ihr Umfeld inszeniert sind, das sucht schon Keinesgleichen. Allein der dröhnige Vorspann sagt einem schon schnell, wo es langgeht: Neonfarben mit ein bisschen klassischer Symbolik. Passt wie die Faust auf Wotans verbleibendes Auge…
 

„Hereinspaziert und Schutzbrille gegriffen! Denn mein Rabenverleih Schwarzfein GmbH verschafft auch Ihnen eine MYSTERIÖSE Aura!“ – „Äh, was ist denn der weiße Fleck auf deiner Schulter, Opa?“ – „Das? Na, Myst eben.“ – Sisyphos‘ Schwager: Wer eine Vorahnung auf die Unendlichkeit bekommen möchte, sollte unbedingt mal so lange warten, bis die Serie richtig ins Rollen kommt.

 
Der eigentliche Reiz ist aber, herauszufinden, wer eigentlich welche Gottheit ist. Der Große mit dem Münzfetisch? Der Typ, der immer nur „Mister Wednesday“ genannt wird? – Okay, auf den Hintergrund von diesen beiden kommt man noch am schnellsten, bei anderen Nebenfiguren ist hingegen wildes Raten oder nervenschonendes Nichtwissen angesagt – denn im Zweifel hat man von manchen osteuropäischen Trittbrettgöttern und ägyptischen Allmachtspraktikanten noch nie was gehört. Wer es GENAU wissen möchte, muss oft das Internet oder gleich die Buchreihe von Neil Gaiman bemühen. Einerseits ein sehr erwachsenes „Not in your face“-Konzept, andererseits bremst das die Zeitlupen-Dramaturgie (oft wörtlich zu nehmen) noch mal zusätzlich aus.
 
Leider hat die Handlung einige Schwächen, jedenfalls für Ungeduldige. Sogar mal großzügig abgesehen von den zwei(!) kompletten Rückblick- und Erklärfolgen kriecht die „Story“ nur im Schneckentempo voran. Der Hauptdarsteller, der aus irgendwelchen Gründen nie die richtigen Fragen stellt (z.B.: „Sind sie ein Gott, Chef? Warum geschehen ständig übernatürliche Dinge?“) ist zeitweise eher eine leere Hülle, die von allerlei Ereignissen umwölkt wird. Quasi ein ehemaliger Knasti als Kristallisationspunkt. Selbst als er gehängt wird, einen Schneesturm im Sommer verursacht und zum morgigen Frühstück mit einem Hammer(!) erschlagen werden soll, bleibt Mister Schrankwand immer noch so cool wie selbige. Ein kleiner Nervenzusammenbruch oder wildes Geblätter in der Bibel hätten da mal ganz gut getan…
 

„Ich protestiere auf’s Schärfste dagegen, dass Sie mir bis heute keinen unterschriftsreifen Arbeitsvertrag vorgelegt haben!“ – „Aber sie haben doch das Blut dreier Jungfrauen in einem satanistischen Blumenladen vergossen. Was wollen sie denn noch, mein schwarzer Freund?“ – „Hm. Kantinen-Essen aus anderen Tellern als Totenschädeln wäre nett… ?“ – Was man nicht weiß, macht einen … noch lange nicht an Antworten interessiert.

Der Hauptplot ist in Season 1 simpel: Ähnlich wie bei vielen Rollenspielen geht es vor allem darum, erst mal viele Charaktere aufzusuchen, um sich mit ihnen zu verbünden – oder sie mit einem lockeren „Dann halt nich“ wieder zu verlassen. Dass man das ab der Hälfte der Staffel mit ein wenig Zombie-Action pimpen musste, ist mir als Hobby-Dramaturgen (bzw. Hobby-Dramaqueen) durchaus klar. Trotzdem bleibt das unbestimmte Gefühl, dass das eine dieser Serien ist, die man mal gesehen haben muss, die man sich allerdings kein zweites Mal reinzwiebeln wird. Andere Videoportale haben ja auch schöne Töcht… ein Dutzend hochwertige Eigenproduktionen – gefühlt sogar im MONAT.
 
Trotz aller berechtigten Kritik am etwas selbstverliebtem Gebaren der Macher („Macht es noch schöner! Noch epischer! Lasst es wie einen Werbespot für die Produktion von noch MEHR Werbespots aussehen!“) möchte ich aber doch eine Empfehlung aussprechen: Die Story nimmt ganz am Ende noch mal auf eine Art Fahrt auf, die dafür sorgt, dass die zweite Staffel unmöglich wieder im Schlafwagen ausgeliefert werden kann. Nachdem alle Figuren gesetzt und die Motive halbwegs geklärt sind, bin ich tatsächlich gespannt, wie die alten und die neuen(!) Götter aufeinander losgehen. Wird der Gott des WLANs neue Verbindungen knüpfen können? Kann Selfie-Man neue Akzente im Wangenbereich setzen? Hoffentlich werden wir es erfahren!


 

„Ich würde ja gerne Anhalter mitnehmen, aber der Billardtisch im Nebenzimmer wackelt leider.“ – Leichte An-Fart-Probleme: Der „Tech Boy“ ist einer der eher frischeren Gottheiten. Ich hoffe, dass man uns noch erklären wird, wie die Götter selbst einmal entstanden sind. Ist dieser z.B. einfach 1980 vom Band einer Schallplattenfabrik gerollt?

 
Der makabere Humor, der viele Szenen durchzieht, ist manchmal fast zuviel, häufiger aber ein Pluspunkt: Die Tatsache, dass es zig Jesusse gibt (für jede Volksgruppe einen) und Mister Wednesday zu allem einen zynischen Kommenar bereit hält, dürfte für so manchen Serien-Anbeter (ha-ha) durchaus schon reichen. Ob es einem gefällt, dass die Götter manchmal nur rumstehende Laberköppe sind, dann wieder ihre Macht ohne Hemmungen zum Einsatz bringen, muss jeder selbst entscheiden. Aber wer zwei Dutzend Star-Trek-Staffeln durchhält („Wir können Dimensionen verknoten!“ / „Wir können nicht beamen, weil Wind weht!“), wird sich auch dieses Machbarkeits-Schnick-Schnack-Schnuck geben können.

Nicht zu vergessen, dass es in fast jeder Episode eine teils explizite Sexszene gibt. Na, BergH, habe ich dein Interesse?


Fazit: Ein Geschenk für alle, die ihre geistige Nahrung gerne nicht vorgekaut genießen. Klar mag so manche Substory (Stichwort „Tote Ehefrau“) oder Vor-dem-Vorspann-Teaser ein wenig zu brei(t)geklopft sein, aber der Lohn ist eine der visuell verstörendsten und eigenwilligsten Serien der Neu-Neuzeit (= 2. Quartal 2017). Wer auf Turbo-Entwicklungen à la „Doctor Who“ keinen Bock mehr hat, sollte mal mit etwas Weihrauch reinschnuppern…

Inhalt und Storyentwicklung:

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
ALLES IN ALLEM

Atmosphäre, Sound und Bilderflut:

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
ALLES IN ALLEM

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Artikel

von Klapowski am 26.06.17 in Serienkritik

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Kommentare (9)

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  1. G.G.Hoffmann sagt:

    Leider habe ich dieses Review nicht verstanden. Was ist jetzt – ohne daß ich auf Wikipedia nachschlagen muß – der Inhalt und Gag der Serie? Columbo mit Krähen auf den Schultern? Und warum „American Gods“? Gibt es Götter nur streng limitiert auf dem Territorium der USA? Und falls ja: woran liegt das? Am Steuersystem? Am Wahlsystem? Am Schulsystem? Könnte man das ganze auch als „Unstrut-Hainich-Gods“ für Nordthüringen adaptieren ohne daß die Plausibilität leidet? Ist das Fantasy? SciFi? Mystery? Krimi?

    Hier wäre bei aller Begeisterung etwas mehr Information wünschenswert!

    • Klapowski sagt:

      Ich finde, ich habe die Handlung sehr gut auf den Punkt gebracht: Columbo spricht einen Schwarzen Ex-Knacki im Flugzeug an. Danach reisen beide herum und reden mit wirrköpfigen Göttern, die entweder im Hochhaus oder einer Reihenhaus-Villa leben. Zwischendurch geschehen ein paar schräge „Wunder“, die ich nicht alle spoilern will, und am Ende freut(?) man sich auf Staffel 2.

      „Gibt es Götter nur streng limitiert auf dem Territorium der USA?“

      Auch das wird in der Serie mehr oder weniger mit einem „Ist halt so“ beantwortet.

      Anscheinend können die Götter durch Erzählungen z.B. von Irland nach Amerika „mitgenommen“ werden. Es wird auch angedeutet, dass erst der GLAUBE an die Götter da war, bevor diese überhaupt entstanden sind. Aber da diese Feinheiten schon fast der ganze Inhalt der ersten Staffel waren, wollte ich es hier nicht überdeutlich erwähnen. Nach diesem Aufdröseln nur für DICH wird Oma Platuschke garantiert nicht mehr einschalten. „Toll“ gemacht, Hoffmann!

      „Ist das Fantasy? SciFi? Mystery? Krimi?“

      Eher Fantasy mit ein bisschen (schwarzhumoriger) Mystery, aber ich hab auch keine Ahnung, worauf es mittelfristig hinausläuft, da es wirklich oft nur verstörendes Rückblenden und Andeutungen hagelt. Ich nehme an, durch ein klareres Auftreten aller Figuren („Ich bin der-und-der und möchte das-und-das.“) wäre es zu profan geworden – und die erste Staffel nur ein Drittel so lang.

      Antworten
    • G.G.Hoffmann sagt:

      Ich wollte nur wissen, ob ich das noch irgendwo zwischen „Pastewka“, „House of Cards“, „Game of Thrones“ und „Star Trek Discovery“ unterbringen muß. Ganz zu schweigen, von den Blurays von „Die Tudors“, „Die Sopranos“ und „Rom“, die seit Jahren in meinem Regal verstauben und darauf warten, von mir noch geschaut zu werden (und sämtliche 70er-Jahre-Columbos natürlich auch).

      Klingt für mich rein thematisch jetzt nicht nach einem Must-Have. Götter entstehen, in dem Amerikaner an sie glauben? Klingt zwar nach der Voraussetzung für die Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife in den USA, aber für alle anderen Menschen dieses Planeten doch leicht schräg.

      Sobald bei uns auch der 37-Stunden-Tag und die 3-Tage-Arbeitswoche eingeführt wird, schaue ich mir das aber gerne an. Felix Westfalia!

      Antworten
    • Andreas Feser sagt:

      Hallo G.G.Hoffmann,

      dies ist eine der wenigen Serien, die man – wortwörtlich – nicht in Worte fassen kann, sondern erfahren muss.

      Wenn nun jemand beschreibt: Es geht um Götter, die man wie in einem Adventurespiel besucht, dann wird das „American Gods“ gerecht, aber nur wenn man es gesehen hat.

      Und ja, man könnte ins Detail gehen, aber das würde den Spaß des Entdeckens nehmen.

      Deine Frage war aus dem Jahr anno 2017, vielleicht konntest du inzwischen ein Auge darauf werden, wenn ja, wäre ich hochinteressiert auf deinen Eindruck, weil wenn ja, wüsstest du nun genau, was ich damit meinte ;)

      Grüße

      Spinoza70

      Antworten
  2. Cronos sagt:

    Ich weiß nicht. Alte Götter? Neue Götter? Columbo und Shaft in einem Team? Wollen die sich an dem ganzen CSI-Quatsch rächen?

  3. Onkel Hotte sagt:

    Das ist jetzt schon der zweite Artikel, der die Serie lobt, da muss also was dran sein.
    Wenn ich „Attacke auf Titanium“ durchhabe werde ich da mal ein Auge risikieren…..

  4. Labriel Gorca sagt:

    Beim Schauen dieser Serie glaubt man sich häufig in einem überlangen Werbespot zu befinden, wenn sich die Macher künstlerisch ausleben. Schöne Bilder werden definitiv geliefert. Leider lenken sie aber auch gerne mal von der Handlung ab.

    SPOILER-Warnung (nicht weiterlsen!!)

    Die Story selbst überschreitet teilweise auch die Grenzen der zumutbaren Logiklöcher, auch wenn Götter natürlich irgendwie alles können und dürfen und dann natürlich wieder doch nicht. Wie genau jetzt aber die Regeln sind, z.B. mit den lebenden Toten, ist mir zwei Folgen vor dem Ende noch nicht ganz klar. Tote Ehefrau läuft da beispielsweise als liebenswerter Zombie durch die Welt, fault aber eigentlich doch vor sich hin. Aber eigentlich stinkt sie nur für die Begleiter auf ihrem Roadtrip, der Rest der Welt scheint sich daran nicht zu stören. So richtig gefährlich wirds auch nur im Hochsommer, geheizte Räume dagegen sind weniger problematisch.
    Das Review verspricht ja, dass die wichtigsten Fragen zum Schluss geklärt werden. Ich bin gespannt. Bei einer so unkonservativen Serie gebührt mein Respekt aber auch dem Reviewer, der hier so treffend das Gesehene in Worte fasste.

    Schaut sich alles ganz nett an, aber ist auch keine Überserie. Die Bezieheungen der verschiedenen Götter kommen mir auch etwas kurz. Ich habe durchaus Schwierigkeiten der Handlung in der „Metaebene“ zu folgen.
    Defintiv muss man diese Serie „aktiv“ schauen. Nebenbei Kopf abschalten oder gar noch etwas anderes erledigen ist nicht drin.

    Was mich noch stört, und nicht nur bei dieser Serie, wenn sich die Macher in „pornösen“ Szenen zu sehr ausleben und wertvolle Sendezeit verschwenden, statt sie für die Fortführung Handlung zu nutzen. Wenn ich mich dabei erwische, dass ich mehrere Minuten Pr0n-„Action“ überspringen muss, weil einfach nichts passiert und die Darsteller auch nicht mein „Geschmack“ sind, dann war das wohl des „Guten zu viel“.

    Die Serie hat Potential. Wie nah sie an der Buchvorlage ist, weiß ich nicht, und kann daher auch nicht einschätzen, wieviel Optimierung zu erwarten sein könnte. Mein Gefühl bleibt aber, das weniger manchmal auch hier mehr wäre. Andererseits geht das sicher in diesem speziellen Fall gar nicht, denn dann wäre der Charakter der Serie dahin.

  5. Bergh60 sagt:

    tach auch !

    [quote]
    Nicht zu vergessen, dass es in fast jeder Episode eine teils explizite Sexszene gibt. Na, BergH, habe ich dein Interesse?[/quote]

    Nö , nicht wirklich, Ich habe nach der ersten Folge nicht weitergesehen.
    Ich fand In aller Freundschaft, die jungen Ärzte spannender und weniger brutal.

    Gruß BergH

  6. Kai Hawaii sagt:

    Erst war ich schier überwältigt von Machart und Vorgabe („Die Götter müssen verrückt sein – aber langsam geht ihnen die Puste aus“), aber nach der ersten Staffel hatte ich die Faxen dicke: unendliche Blutströme, pseudotiefsinniges Geschwurbel, da ist ja das Geraune der Matrix-Trilogie furzetrocken. Und wieder ab auf eBay, halt eher was für Leute, die gern auch mal einen Drachen labern hören, bevor er wieder Flammen speit.

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