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„You Are Wanted“ – Kritik zur ersten Folge

„You Are Wanted“ – Kritik zur ersten Folge

Amazon hat viel Geld (also für’s Marketing jetzt) springen lassen, um diese Serie groß zu machen. Immerhin geht es um die erste deutsche Produktion für eine Streaming-Plattform. Niemand geringerer als Matthias Schweighöfer (Til Schweiger hatte Grippe) durfte ran und diese sechsteilige Thrillerreihe zu drehen, die ab heute für Prime-Kunden verfügbar ist. Klapo schaute daher mal in Episode Eins rein und staunte nicht schlecht, wie fein man hierfür normales deutsches Serienfernsehen beobachtet hat!

Story: Irgendwelche Hacker machen Hackerzeug, damit in Berlin der Strom ausgeht. Und wem das noch nicht spannend genug ist, dem sei gesagt, dass dies dem Helden in die Schuhe geschoben werden soll, dessen Leben langsam in Digitalattacken entgleitet.

Besprechung:

Leider dauert es nicht lange, bis sich mühsam in die Ecke geprügelte Vorurteile bezüglich deutscher Serien wieder regen. Eine verdammte Minute, um genau zu sein.

Die Hauptfigur wird mit einem Produkt Placement von Red Bull eingeführt („Oh,ein ganzer Kasten Brause! Danke!“) und seine Kollegin spricht so vernuschelt („Ichfüllnurdiebeständeauff“), dass es einem jene Fußnägel aufrollt, die nach den letzten deutschen Filmen noch übrig sind. Für die rasche Charakterisierung muss auch wieder ein schmachtender Papi-Blick auf das Bild des daheim wartenden Sohnes herhalten, nebst der komischen „Info“, dass der Held halt englischsprachige Yuppies im Hochhaus betreut. Kein Wunder, dass er so reich ist! – Aber immerhin wird uns der eigenschaftslose Besserverdiener-Darsteller gleich sympathischer gemacht, indem man einen anderen Geschäftsmann wild über einen Stromausfall nörgeln lässt. Tja, sooo geht es für die faulen Serienmacher natürlich auch!

„Oooh, so eine Überraschung! Da haben sich die Leute von der Produktplazierung aber was schön Unauffälliges einfallen lassen!“ – „Ja, Boss. Und weil es Ihr Geburtstag ist, haben wir draußen noch drei Säcke mit M&Ms hingestellt. Essen Sie die schnell, wegen der Fluchtwege!“ – Brausepause: Ob so eine Szene gleich zu Beginn gut ist, sei dahingestellt. Genauso dahingestellt wie DIESER niegelnagelneue Geschirrspüler der Marke Obvious!

Weiter geht es auf einer eher trostlosen Geburtstagsparty, auf der ein Haufen Schauspieler rumsitzen, die (teilweise) mit schiefer Betonung Nichtschauspieler zu spielen versuchen. Tja, bis hierhin sitzen alle Klischees bombenfest und könnten auch vom besten Computerspezialisten nicht weggehackt werden. Unnötig zu erwähnen, dass danach zu süßlicher Musik gebumst und sich trotzdem noch lieb um den alptraumgeplagten(?) Sohn gekümmert wird.

Nichts scheint überraschend oder neu – oder wenigstens optisch wegweisend. Wo man sich in „Black Mirror“ um die möglichen Auswirkungen zukünftiger Kommunikationstechnologin kümmert, darf man sich hier von 15 Jahre alten „Typ wird plötzlich überwacht“-Entwicklungen verzaubern lassen. Sogar 55 Jahre alten, wenn man sich den Samsung-Fernseher als eine verwanzte Deckenlampe in James Bonds Hotelzimmer vorstellt.

Überhaupt wirkt alles eher krampfig, manchmal sogar krampfig geklaut: Der gehackte Laptop blafft einem gleich ein „Möchtest du ein Spiel spielen?“ entgegen (während der Chef schon mal vorsorglich „WAS MACHEN SIE DA?!“ von vorne bellt), wonach dann auch gleich vermeintliche Fremdgeh-Beweise bei der Ehefrau eintrudeln (Gähn). Fehlte nur noch die plötzliche Angst um den Sohn, so dass Schweighöfer auf dem Spielplatz die schwingenden Schaukeln anstarren könnte. – Oh, ich vergaß; das sehen wir ja ebenfalls.

„Mache dir keine Sorgen, mein Kind. Niemand wird den Papa hacken, Dummerchen. Und jetzt träum wieder was von Monstern und bösen Aliens, ja?“ – Kuss gegen Verdruss: Mit einem „Amazon Slime“-Zusatzabo können sie diese Szene jetzt auch mit grünem Glibber überziehen! Es soll nämlich eine Porzellanengel-Omi in Sachsen-Anhalt geben, der das hier noch nicht schleimig genug war.

„You are Wanted“ ist sozusagen die „Lite“-Variante vom brandneuen Red Bull-Thriller: Ohne Geschmack, ohne Zucker, ohne Koffein. Es ist quasi „Homeland“ ohne interessante Behörden, wie „Breaking Bad“ ohne „Bad“, wie eine „Tatort“-Folge ohne zügigen Mord und alleinerziehende Kommissare. Keine Rentner-Vermutung zur Funktionsweise moderner Gesellschaften bleibt hier unbestätigt: So sind Hacker behämmerte Shooter-Fans, die in schummrigen Licht rumhocken und das selbe Vertrauen wie AfD-Plakate beim „Karnival der Kulturen“ verbreiten.

Noch schlimmer ist jedoch, dass die Dialoge ausnehmend scheiße sind: Die Ehefrau fragt den Paketboten, was das in dessen Hand ist (überraschende Antwort: „Ein Paket.“) und der völlige irre Psychopathen-Polizist antwortet auf Schweighöfers Hilfegesuch mit Sätzen wie „Ich will in ihren Kopf!“ und „Träumen sie nachts?“. Sätze, bei denen das Grundvertrauen in den Deutschen TV-Staat – gefolgt von Schweighöfers Mundwinkeln – erst mal den Bach runter geht.

Ein Maler schwadroniert außerdem sinnfrei darüber, ob der brennende Mann, der aus dem Fenster sprang, im Fall wohl schon am Feuer verreckt ist. Ach ja, und die Polizisten mit dem Durchsuchungsbefehl benehmen sich wie Gangster – die Polizistin raucht pseudocool am Fenster und dreht sich nicht mal um, wenn der Hausherr mit dem Baseballschläger um die Ecke rauscht.

Nicht zu vergessen die generelle Logik der Hacker-Geschichte: Wir reden von einer Gruppe, die Stromausfälle in Berlin verursacht, aber als die Hauptfigur sagt, dass sie gehackt wurde und das Bekennerschreiben nur deswegen von seiner IP kam, mag man ihm nicht glauben?! Ist das der neue Signature-Move von Profi-Hackern? Leicht nachverfolgbare Mails vom eigenen Gerät verschicken? Okay, es gab noch andere gefakte Beweise, aber spätestens hier war klar, dass die Polizei nicht einen Finger bzw. Photoshop-Experten krumm machen würde, um tiefer einzutauchen.

„Ich arbeite seit 30 Jahren bei der Polizei. Ich kann nur helfen, wenn sie alle meine Fragen sehr exakt und ehrlich beantworten.“ – „Okay! Klar!“ – „Gut, dann sagen sie mir, ob sie sich gerne Frauenklamotten anziehen. Alternativ könnten sie mir auch den Finger in den Popo stecken. Ich habe da durchaus multiple Ermittlungsansätze.“ – Dank Hannibal Lecters kleinem Bruder wird die ganze Hackergeschichte schon bald (Achtung) gegessen sein, wetten?

Und vergessen wir nicht den oscarreifen Dialog vom Kid, das plötzlich in Schweigis Auto hockt:

Kid: „Fahr los, und ich erklär’s dir.“
Schweigi: (fährt) „Wie bist du hier reingekommen?“ (Düstere Musik)
Kid: „War offen. – Okay, reicht.“
Schweigi: (hält an) „Bist du Dalton?“
Kid: „Ich hab dich vorhin unten gehört. Ich will dir helfen. Gib mir mal die Nummer.“

Dabei ist es noch nicht mal der Dialog selbst, der mich so sehr stört, sondern die patentierte „German Vortragsweise“. Unheimlich soll das wohl sein, was aber nicht durch (gewollt) ungewöhnliches oder widersprüchliches Verhalten ausgelöst wird, sondern durch betonungsfreie Sätze und starrem Blick. Ja, ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass quasi ALLES besser gewesen wäre als dieses abgeschmackte Klischee-Gespacke. Zum Beispiel eine rote Clownsnase, eine Tüte Milch in der Hand oder ein Stück Kuchen, um die Wartezeit auf dem Rücksitz zu überbrücken.

Wie auch immer, den Mittelteil dieser geilen Szene will ich niemanden vorenthalten:

„Wir sind Hacktivists, verstehste? – Hacktivists! (Schweighöfer schüttelt den Kopf) Government Crasher also. (= Könnte aber auch ein anderes Wort sein, klang für mich eher nach „Kowhoban Crasher“) Nich so’ne Kinderscheiße, sondern richtig FETT! Öl. Pharma. Ganze Systeme! Alter, Gaze und ich! Alles, was ich bin, das weiß ich von ihm! Er hat mich gezeugt, Mann!“

„Das ist doch keine Kinderscheiße, was ich hier in der Buchse habe! Das ist ein brauner USB-Stick! Da gebe ich dir meine mit übelriechenden Substanzen benetzte Hand drauf, Alter!“ – Troll dich: Als der Held hörte, dass sein Gegenpart von einem 103-jährigen Drehbuchautoren geschrieben wurde, machte er sich zur nächsten Spur auf. Schließlich gab es noch 302 Kindergärten und 293 weitere Nervenheilanstalten auf seiner Liste!

Spätestens hier hatte ich dann auch keine Lust mehr, die zweite Folge nachzuschieben. – Die Darsteller chargieren dafür zu unterirdisch, und die Regie popelt mit dem Mittelfinger in endlosen Schnitt- und Thriller-Klischees herum, während der Held wie eine in den Bildschirm gehaltene Kiwi charakterisiert wird. Er ist halt einfach DA. Muss reichen, die Zuschauer kennen das Gesicht schließlich.

Vielleicht hätte ich mit zwei Flaschen Erdbeerwein noch etwas durchgehalten, aber als ich auf Spiegel Online las, dass die ganze Welt(!) dieses Deutsche Bonbon auf Amazon wird entdecken dürfen, da war die Stange vom Schäm-Limbo schon zu niedrig gesetzt. – Schweighöfer geht in allen Produktionsbereichen so sehr auf Nummer sicher, dass nichts Bemerkenswertes übrig bleibt. Keine Vision, kein Mut, nicht mal eine dicke Ehegattin oder ein hässliches Kind gibt es hier abzugreifen. Walter White musste sich wenigstens noch um seinen humpelnden Sohn kümmern…

„Es ist doch so, mein Gutester: Diese Serie basiert darauf, dass wir Sie verdächtigen! Egal, welche Unschuldsbeweise Sie der Polizei also vorlegen, wir werden mindestens so lange mit den Ermittlungen warten, bis die Hacker neue Anklagepunkte gegen Sie produziert haben.“ – „Aber, aber… Morgen kann es für Ihre Recherchen schon zu spät sein!“ – „Neee. Eher in drei Tagen. Heute ist nämlich Freitag und wir haben jetzt Feierabend!“ (*Stechkarte hochhalt*)


Fazit: Rausgeschmissenes Geld von Amazon, das mit Schweighöfer den richtigen Mann zu kennen glaubte, um eine deutschsprachige Erfolgsserie aus dem Zylinder zu ziehen. Aber immerhin taugt das Ding einiges, wenn man sich einen Spaß draus macht und sich vor dem Kaputtlachen eine Pampers überstreift. Gerade in größeren Guck-Gruppen sind diese Dialoge durchaus mal einen Kack wert!

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Artikel

von Klapowski am 17.03.17 in Serienkritik

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Kommentare (2)

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  1. Re-Saulus sagt:

    Und da hamwas wieder.
    Eine neue Serie im Netz, und keiner kriegts mit.
    Und dann auch noch deutsch.

    Schlimmer geht immer, sagte meine Oma damals.
    Und die hieß nicht Platuschke, sondern Kowalski.

    Holla, alter Schwede!
    Schon allein der Trailer macht Lust auf
    #hier irgendwas einsetzen was sich auf
    Kotz, brech oder würg reimt.

    Drama Baby, ja Drama könn‘ wa.
    Aber Serien?
    Finger von!

    • Onkel Hotte sagt:

      Deutschland kann halt nur Krankenhaus. Die neue Serie im ZDF ? Handelt natürlich von einem Krankenhaus.
      Gibts schon einen Termin für eine Neuauflage der Schwarzwaldklinik ?

      Antworten

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