Star Trek Voyager – 7.20 – „Author, Author“ („Die Veröffentlichung“) Review
Manche Folgen sind so nichtssagend und von solch offensichtlicher Mittelmäßigkeit durchdrungen, dass selbst mir die Kraft für euphorische Verrisse und trauerbehaftete Lobeshymnen fehlt.
Versuchen wir es daher also mal zur Abwechslung mit einem kleinen Gedankenspiel, praktisch zur Aufwärmung und Einstimmung:
Man stelle sich einmal vor, in unserer gemütlichen kleinen Welt würden PC’s plötzlich eine enorme Vielseitigkeit entwickeln. Und damit sind nicht die Kantenlängen gemeint!
Sie könnten sprechen, unsere gesprochenen Befehle verstehen, Lieder singen, unser Bier trinken und überhaupt das menschliche Verhalten täuschend echt imitieren. – Praktisch der Jörg Knörr der Platinen.
Das aber würde keinen der Nutzer verwirren, außer vielleicht unverbesserliche Hohlbirnen, die damals schon bei Tamagotchis in Tränen ausbrachen. Doch aufgeklärte Menschen machen sich selbstredend mehr Gedanken um die nachlassenden Batterien ihrer Digitaluhr, als röchelnden und kackenden Pixelhaufen beizustehen, die einen nach Ablauf diverser Timer aus einer wichtigen Sitzung im Chefbüro herauspiepsen…
Derartige Dumpfbacken wären also (hoffentlich) die Minderheit, wenn unser PC durch ausgefeilte Simulationen deutlich vielseitiger werden würde.
Denn wer würde seinen Computer in für ihn schwierigen Zeiten (Soundkarte abgebrannt) schon mit Porno-Mpeg’s füttern, um ihn wieder aufzumuntern? Niemand würde ihm anbieten, eine Fahrt in’s Grüne zu machen, damit er mal wieder frische Luft durch die Siliziuminnereien pumpen kann. Keiner käme auf den Gedanken, unser PC könnte möglicherweise tiefergehende Gefühle für die Brotbackmaschine aus der Küche gegenüber hegen…
Doch eines Tages plötzlich würde der PC sagen: „Ich bin lebendig!“ und als Bestätigung zeigt er ein paar neue Tricks: Er ersteht über Ebay selbstständig herrenlose Mainboards und verwaiste Kühleinheiten. Er schreibt obszöne Word-Dokumente und verschickt diese als Mail an unseren Chef, in der Hoffnung, daß wir in Zukunft dann wieder mehr Zeit für ihn haben. Er widersetzt sich Befehlen, findet *.dll-Dateien plötzlich „scheißend langweilig“ und vertreibt sich die freie Zeit damit, Bildschirmschoner in alphabetischer Reihenfolge abzurufen…
Systemfehler oder Menschwerdung?
„Willkommen beim Sternenflotten-Bingo! B-4. B-4. Wir haben hier B-4.“ – „Hier! Ich! Was hab ich gewonnen?“ – „Gewonnen? Nein, wir haben hier sprichwörtlich diese doofe Data-Kopie aus Star Trek Nemesis rumstehen. Kannst du aber gerne haben!“ – „Ja, äh, ich musss leider dringend weg…“ – Flucht aus dem 24. Jahrhundert. Admiral Paris verdient sich hier gerade ein bisschen was nebenbei. Nicht wissend, dass sein nichtsnutziger Sohn nebst schwangerer Schwiegertochter bereits unterwegs ist. Und DAS hat er wirklich nicht verdient!
Regelmäßige Mitleser wissen schon lange, was unser Team von Hologrammen hält, die ohne technischer Hinterfragung kurzum für Lebewesen erklärt werden…
Solange ein Photonenmann menschliches Verhalten exakt kopiert, ist er noch lange nicht lebendig. – Das wissen auch die Bewohner des Trekuniversums. – Doch wenn er etwas länger läuft und durch programminterne Lernprozesse plötzlich selber auf die „Idee“ kommt, etwas von Persönlichkeitsrechten zu faseln, soll man ihm dann unkritisch glauben?
Intelligent werdende Computer an sich ist ja nicht so schlimm, schließlich mag das ja möglich sein. Ist ja immerhin SF, über die wir da sprechen. Aber die Begründung(!), mit der die Voyager-Crew stets so selbstsicher behauptet, ihr Photonenkarussell habe Persönlichkeitsrechte, nervt den halbwegs intelligenten Zuschauer. Eigentlich ist der Doc nur deswegen für alle lebendig, weil er dies felsenfest behauptet. Doch niemals hörte man von der Voyagercrew eine technisch(!)-wissenschaftliche Bestätigung seiner Eigenständigkeit…
Anders gesagt: Selbst wenn Unreal 4 photorealistische Landschaften zu bieten hätte, beweist das Monitorgehäuse sowie der sich abrackernde, hitzestaugeplagte Rechner noch immer, dass es sich hier um eine Simulation handelt. Die Singvögel, die ich durch meinen Laserblaster röste, sterben nicht wirklich qualvoll. Sie tun nur so.
Und das ist wie so oft der K(n)ackpunkt von Voyager. Und dieser gipfelt dann auch noch in den letzten Sekunden, in denen Dutzende Hologramme allerschwerste Bergwerksarbeit mit der Nagelfeile vollführen und sich von des Doktors Holoroman entzückt zeigen. Die Botschaft ist klar: der Doktor ist nicht (was wir ja noch verschmerzen könnten) eine einmalige Ausnahme im Bewusstseinsroulette, nein: Alle(!) Hologramme haben Rechte. – Ihre Wärter haben es bisher nur noch nicht bemerkt… Das führt ein wenig zu weit! Entweder SIMULIERT der Holocomputer menschliches Denken, oder er IST praktisch selber einer. Ein Unterschied, den im Autorenteam von Voyager nie jemand wirklich verstanden hat…
Die Vorgeschichte an sich zeigt mal wieder, dass Voyager nur noch dann Achtungserfolge erzielen kann, wenn es sich selber nicht sonderlich ernst nimmt. Selbstironie war schon immer der letzte Zufluchtsort der filmisch Gescheiterten…
Inzwischen halte ich die Voyagercrew für so hohl und unrealistisch, daß ein Sonderkomitee über ihre Rechte als Lebewesen befinden sollte. Vor allem der Doktor, den man durchaus für einen intelligenten und sensiblen Zeitgenossen halten sollte, benimmt sich wie ein 12-Jähriger: Die von ihm erdachte Geschichte ist so platt und pubertär, daß der Eiter förmlich spritzt. Dies ist nicht mal durch den spaßigen Charakter der Episode zu entschuldigen! Jeder Camcorder hätte erkannt, daß die offensichtliche Ähnlichkeit mit der Voyagercrew ein berechtigter Grund für Dienstaufsichtsbeschwerden wäre…
Wer ernsthaftes Star Trek mit nachvollziehbaren Figuren sucht, kann sich statt Voyager eigentlich auch Xena anschauen. Da sterben die Hauptfiguren zwar häufiger, dafür sind die Frisuren irgendwie hipper.
„Ha-ha-ha! Ich und eine gespaltene Persönlichkeit? Bringen Sie uns doch nicht zum lachen!“ – Eigentlich amüsiert sich Doc Namenlos ja über etwas anderes. Denn gerade hat er erfahren, dass es nach Voyager tatsächlich NOCH eine Star Trek Serie geben wird. Was kommt als Nächstes? Eine dritte Stargate-Show!? Mensch, man denke nur an die armen Seelen, welche diese komplett durchrezensieren müssen! Brrr!
Dass Janeway in des Doktors Holoroman kurzerhand Besatzungsmitglieder erschießt, ist hingegen ein netter Bonus für Kritiker der wandelnden Menstruationsbeschwerde. Als nächstes sei natürlich auch der „mobile Emitter“ genannt, der ab 1,5 Promille durchaus pubertäre Lachflashs auf Seiten der Zuschauertribüne herbeizurufen vermag. – „Anspruch“ und „Ernsthaftigkeit“ sucht man in dieser Episode selbstverständlich genauso vergeblich, wie ernsthafte Bemühungen auf Seiten der Autoren.
Eigentlich ist die lange Reise des Schiffes spätestens jetzt schon beendet. Man spürt es deutlich: Die Ausfahrt kommt näher. Die ersten Kilometer auf dem Weg zwischen dort und hier waren zwar recht schlauchend, aber nach 2 Stunden löste sich der Stau auf der A68, während sich nach 4 Stunden das Glatteis zurückzog. Eigentlich gurken wir fast schon wieder Zuhause herum. Sieh mal, der Fernsehturm ist auch schon zu sehen! Wie bei uns aus dem Küchenfenster!
Danke für’s Mitfliegen, rufen sie doch ruhig noch kurz zu Hause ihre Lieben an, damit sie das Rindergulasch zeitig aufwärmen. Die letzten Reiseminuten beschäftigen wir die Kinder auf dem Rücksitz noch mit Gesellschaftsspielen, wie z.B. dem nichtssagenden Moraldilemma, verfremdeten Voy-Szenarien, blöden Gags und pseudo-ethischen Abwägungen. Und lass sie ruhig schnell hinter die Spielregeln kommen, für alles andere haben wir eh keine Zeit mehr…
Note: 3-
(Artikel vom Klapowski, fantastische Bildauswahl plus Untertitel vom Spark.)
Übersicht