Grimme-Preis macht Oma heiß: Vom „Altenglühen“ und anderen Filmhighlights
Kollege Sparkiller schrieb mir unlängst etwas über den Grimme-Preis. Eigentlich ist der mir herzlichst egal, aber dann fiel mir ein, dass da mal ein paar Dinge nominiert wurden, die ich ebenfalls doll fand. Mehr so ironische, medienkritische Klamotten, oder Yoko & Klaas, bevor sie scheiße wurden. Vielleicht verwechsele ich das teilweise auch mit dem Online-Grimme, was in der heutigen Zeit aber auch berechtigt wäre: Ist ja eh alles nur noch ein einziger Youtube/Mediatheken-Brei. Wobei der hier kurz vorgestellte Preisträger-Film „Altersglühen“ wohl eher stilsicher mit Kurbel am PC genossen werden sollte…
Statt also über den Sinn der deutschen Fernsehpreise zu sinnieren (Kollege Spark, bitte übernehmen sie das!), würde ich gerne ein Beispiel herausgreifen: Einen wichtigen Preisträger nämlich, den Film „Altenglühen – Speed Dating für Senioren“, der bis gestern noch komplett bei Youtube zu sehen war. WARUM auch immer…
Ich schreibe mal einfach so ungefiltert die Dialoge hin, wie ich sie mir gestern nebenbei notiert habe:
„Sie sind eine angenehme Erscheinung.“
„Jo. Ja. Nuschel…“
„Ich … öh… möchte eigentlich noch viel mehr wissen.“
„Ja. Jöh. Ich bin … ziemlich enttäuscht worden … von meinem Mann.“
„Wir wohn‘ so mit Kurt zusammen in so ner Laube. Datt is … ja… datt is … ja nur so vorübergehend…“
„Ich hab ne Wohnung. Ich hab‘ auch ’n Mann… Der is nich mehr so mobil wie ich…“
„Ich würde es ihm auch … nicht so … unbedingt … auf die Nase binden…“
„Hm… Nich wehtun.“
„Willick och nich.“
„Man könnte och mal so was … “
„Heimlich, dett is schön.“
„Jetzt auch mit Platzdeckchen im Oberstübchen; für den Stammplatz der ollen Kamellen!“ – Kennt ihr das auch, wenn man Filme seitenlang reviewen möchte, von denen man nur einige Minuten gesehen hat? Und das Schlimme an diesem Gefühl ist: Man KÖNNTE es sogar, ohne Rücksicht auf Anfang oder Ende des Streifens…
Gut, der Satzhagel weiter oben ist jetzt fürchterlich aus dem Gebiss… äh… KONTEXT gerissen. Eigentlich waren da natürlich NOCH viel mehr Kunstpausen, Künstlerische Pseudopausen und pausenloses Pausenheucheln drin. Eben alle Arten des fragmentierten Gestammels, um dieser Gerontödie (Komödie + Geronten) zu einer gewissen Glaubwürdigkeit zu verhelfen. Denn entweder wirken deutsche Schauspieler total übertrieben – gerade in Mainstream-Beziehungskomödien ist das Overacting nicht zum (H)aushalten – oder man versucht es jetzt an einem gewissen „No-Scriptet-Feeling“. Daher gab es hier auch kein Drehbuch.
Zitat:
„Auf Improvisation kommt es an, auf Empathie, Spontaneität und Schauspielkunst. Ziel dieser Methode ist größtmögliche Natürlichkeit – mit Dialogen, die kein Drehbuchschreiber so erfinden könnte.“
Oder nicht erfinden … WOLLTE?
Für ein Firmenseminar in „Kommunikations-Gedöns“ wäre so ein Rollenspiel ohne Drehbuch ja durchaus gaaaanz nett. So nach dem Motto: „Nonverbal dem Kollegen die kalte Seite der Serviette zeigen? Bitte nicht beim Arbeitsessen mit dem Großkunden!“, aber gleich einen ganzen Film draus machen, ja, sogar eine SERIE nachschieben? Da schüttelt sich mir erst der Kopf – und dann der ganze Rest!
Da hilft es auch nicht, sich vom Text auf daserste.de weiter „spoilen“ zu lassen:
„Die Ex-Verlegerin Martha Schneider sehnt sich nach Berührung, Christa Nausch nach einem Mann, der in jeder Hinsicht vitaler ist als ihr Gatte. Und während Leni Faupel Selbstgedichtetes vorträgt, geht Ex-Karrierefrau Maria Koppel lieber auf Distanz“
Und ICH habe schon befürchtet, es könnte NICHT um GGG, um Gesundheit, Geld oder Geknatter gehen („in jeder Hinsicht vitaler“… Hihi, diese perversen, subversiven ARD-Texter!). Mir zumindest reichen die wenigen Minuten des Sehens aus, um zu konstatieren: Ein Film OHNE Drehbuch, in dem die Darsteller wohl einfach „machen“ durften, ist höchstens witzig, wenn er den Grimmepreis für „Buch/Regie“ bekommt – und man mal kurz drüber nachdenkt.
„So, Mützenopa, was sind denn deine Abgründe, deine seelischen Tiefen?“ – „Öh… Ich habe gestern wieder heimlich mit Sprengstoff geangelt, wurde aber erwischt, weil nur ICH das Hörgerät ausgestellt habe, nicht aber der Oberförster?“ – Klar, es muss nicht immer mega-deep sein, aber so ein bisschen erziehen kann man sich seine Zuschauer ja auch mal. – Wann wird noch mal „Breaking Bad“ mit Mario Adorf neu verfilmt?!
Gab es da wirklich nix anderes, was preiswürdig gewesen wäre?! Gut, die anderen Sachen habe ich erst recht nicht (komplett) gesehen, aber irgendwie fehlt es da auf dem ersten Blick/Klick sowieso an Dingen VON Privatsendern, von Dingen OHNE Schwermut oder Krimi-Charakter ganz zu schweigen. Komplettismus ist was anderes.
„Das Zeugenhaus“ zum Beispiel: Eine schwermütige Nazi-Schmonzette in Standbildern. Ist das WIRKLICH so bedrückend gewesen damals? Tod und Verderben gut und schön(?), aber die wenigstes von uns „fühlen“ wohl beim Zeitlupen-Teekochen, ob der „Mann doch noch in Ungarn am Leben ist“.
Es fehlt hier einfach an Kreativität, um Grausames auf neue Art erfahrbar zu machen. O-Ton: „Er ist einer dieser Sadisten, ein Lagerkommandant!“ – Da bleiben wirklich keine Fragen offen, keine subtilen Hintertürchen für die Phantasie. Vielleicht einfach mal die Teeküche eines LAGERS(!) zeigen? – Statt am allgegenwärtigen Türrahmen solche Dialoge von sich zu geben, wie: „Mein Baldur ist im Gefängnis. Grausame Menschen wie sie haben mein Leben zerstört. Schämen sie sich!“
Sie sehen hier: Zwei Menschen, die sich in einem Heimkino einen echten Dokumentarfilm über das KZ Buchenwald ansehen. Damit auch der Zuschauer nicht vergisst, was er schon 20x in der Schule gesehen hat. Aber hier gibt es wenigstens noch berührende Dialoge dazu: „Meine Frau und meine Kinder starben in Buchenwald.“ – „Ja, ich habe mir so was gedacht.“
Zurück zum „Altersglühen“: Da ist da diese peinliche „Wir gehen auf die Rentner ein“-Attitüde, die mich nervt: Lauben. Urlaub. Auto. Hüfte. – Überraschungsarm bis zum Geht-nicht-mehr … -zum-Arzt. Eine Handlung, zusammengestöpselt aus der „Apotheken Umschau“, falsch verstandener Anbiederung an die Normalität und einem guten Schuss schierer Langeweile. Da gefällt mir Ulrich Seidls Film „Im Keller“ schon fast besser, obwohl man dort fünf Minuten dabei zusieht, wie eine Frau ihren Ehesklaven am Hoden an der Kellerdecke aufhängt. Etwas, was beim „Schabrackenglühen“ nur als Subtext mitschwingt, wenn Mützenjonny und Adorf-Ronny wieder (über)betont charmant schauspielern…
Im Prinzip ist es mir ja relativ egal, ob es solche Filme gibt – oder nicht. So ein Rentner ist ja schon froh, wenn er zur besten Sendezeit attestiert bekommt, mit 70 noch Gefühle für Einsamkeit, Zärtlichkeit oder den Füllstand der Urineinlage verspüren zu dürfen. ABER wenn DAS preiswürdig ist, zeigt es ja, dass es nix besseres gab…? Oder man es zumindest nicht erkannte. Man muss sich das mal auf der Zunge zersägen lassen: Ein Stammel-Porno mit gealterten Alt-Altstars am Restaurant-Tisch. In Amerika würde sogar Tom Hanks lieber wieder seine Katzenmütze aus „Wetten Dass…?!“ aufsetzen, als sich das anderthalb Stunden anzusehen.
Gibt es da noch mehr zu sagen?
Vielleicht nur, dass der Altenglühen-Film wegen der Vielfältigkeit seiner Aussagen noch mal zu einer 6-teiligen Serie(!) umgestrickt wurde…
„ein großartiges und umstürzendes Experiment“ (SZ)
„Warum nur wagen die Programmmacher nicht öfter solche Experimente?“ (Deutschlandfunk)
„Sie alle machen das umwerfend gut. Was für ein Spaß. „Altersglühen“. Auf gar keinen Fall verpassen!“ (welt.de)
„hat etwas Neues gewagt und einen Episodenfilm gedreht, der sich zu einem künstlerischen Kaleidoskop zusammenfügt“ (Abendzeitung München)
Da möchte ich die Höööörren Redakteure jedenfalls mal gerne persönlich treffen (bzw. besser nicht), scheint in der TV-Medienbranche doch anscheinend ein gewisser Geronten-Fetisch recht verbreitet zu sein, wenn wirklich ALLE von denen so entzückt von der Vorstellung sind, sich gefühlte hundert Stunden in der Gesellschaft nicht nur der eigenen Großeltern zu befinden. Womit könnte man diese Leute denn sonst noch entzücken? Ein deutsches „Doctor… Whoooo?!“, wo die Companions alle unter Schwerhörigkeit leiden? „Game of Thrones“, wo alle „Throne“ Dank Blasenschwäche die Hauptrolle spielen?
Aber nicht falsch verstehen, gegen Fernsehen mit und über alte Ommis und Oppis HAB ich ja gar nix, arbeite ich schließlich auch mehr oder weniger gerne mit dem Kollegen Klap zusammen. Aber bei dieser überhypten Plattform für Blasentee-Werbung nach den Standard-Reality-Soap-Regeln handelt es sich ja fast schon um Rentploitation!
tach auch !
ich fand jetzt Alpenglühen nicht sooooo schlecht. Man wurde prächtig unterhalten, weil gute Schauspieler mal Impro-Theater machten. Das Thema war allerdings etwas gähn. Zum Teil kann Ich die Kritik von Euch jungen Hüpfern ja verstehen, allerdings wird sie dem Thea und der Zielgruppe nicht ganz gerecht.
Es kann ja nicht immer nur Filme wie „Wolke 7“ geben,
in dem Geronten-Knattern thematisiert wird.
Na ja und der beteiligte Sender hat nun mal ein Publikum jenseits der 60.
Gruß BergH
Das Problem ist, daß von unseren 8 Milliarden, die als GEZ bei denen landen gefühlt 7 Milliarden nur für diese Zielgruppe „80+ und senil“ produziert wird, und das mit immer den gleichen Darstellern. Immer ist ein Arzt dabei, eine Berglandschaft und dazwischen viele viele Nazis.
tach auch !
@Onkel Hotte
Das ist wohl wahr GEZ scheint überflüssig. TV Gebühren auch.
Allerdings gucke Ich immer mehr Arte, Ein_festival , Eins Plus ZDF Neo usw.
Die werbeverseuchten Privaten tue Ich mir nur noch aufgenommen mit der Schere bearbeitet an.
Insofern finde Ich TV Gebühren O.K.
Über die Höhe und die Art der Verwendung (2000 Redakteure (nach Proporz besetzt) beim ZDF im Headquarter und 16 lokale ARD Sender) können wir diskutieren.
Aber dafür bekomme Ich TEILWEISE auch Qualitäts-TV, den es so anderswo nicht gibt.
Gruß BergH