Star Trek Voyager – 6.17 – „Das Geistervolk“ („Spirit Folk“) Hoffmann-Review
Heute haben wir das zweifelhafte Vergnügen, die schlechteste ST-Episode aller Zeiten zu begutachten.
Eigentlich wollte ich zu dieser Folge überhaupt nichts mehr sagen.
Zu offensichtlich klatschte der Schwachsinn von Innen an meine Mattscheibe wie geistlose Motten gegen das Windschutzglas eines Autos. Nichts weiter als einen gelben Brei hinterlassend, den man mit der Scheibenwaschanlage schnell und schonend ins Reich des barmherzigen Vergessens verbannt.
Doch die Episode ließ mir keine Ruhe. Nacht für Nacht wachte ich schreiend auf und fühlte in mir das brennende Verlangen, mein Notebook durch die Wohnung zu führen und ihm das Gefühl zu geben, daß ich es ernst nehme und als Persönlichkeit akzeptiere.
Ja, liebe Voyager-Freunde! Und damit eröffne ich den kritischen Teil des Abends!
Ich heiße Euch erneut willkommen in der wunderbaren Welt des holografischen Wahnsinns. Heute senden wir bereits die 100. Folge aus der Reihe: „Hilfe, meine Festplatte ist in der Midlife-Crisis!“
Weil „Fair Haven“ so eine großartige Geschichte, weit abseits des kreativen Overkills war, lud man uns nur sechs Folgen später erneut auf eine prickelnde Reise in die spannende Welt des 19.Jahrhunderts in Irland ein. Denn wer könnte sich einen packenderen Ort vorstellen, an dem man lieber seine Zeit verbringen würde? Nun, vermutlich jeder, dem auf der Brücke nicht zu oft der Deckenpfeiler auf die Rübe gedonnert ist.
Doch da unsere Spießgesellen von der Voyager von interessanten Ideen weitgehend unbehelligt bleiben, vergnügen sie sich in solchen Lasterhöhlen wie französischen Billardstuben oder irischen Dorfschänken, um dort ihre perversesten Phantasien auszuleben:
Beispielsweise platonische Gespräche mit Biedermeier-Trullas. Oder noch verwegener: Armdrücken mit Quartalssäufern.
Was sich in diesem Sündenpfuhl abseits der Kamera-Perspektive abspielt, wagt man sich kaum auszumalen. Exreme-Händchenhalting? Outdoor-Apfelsaft-Drinking? Ach Du liebes Stirnküsschen! Ein Fall für die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft.
Kein Wunder, daß sich die Figuren selbständig machen und sich spannendere Beschäftigungen suchen. Zum Beispiel „Schizophrene Festplatte“ spielen. Verschiedene Dateien erwachen plötzlich zu paranoidem Bewußtsein und lassen es mächtig im Hologitter krachen.
„Hey“, meint da plötzlich die Datei dumpfbacke_0004.dll: „Ich glaube es gibt ein Leben außerhalb von Laufwerk C: !“
Und duke_n_0815.sys vermutet gar in bytischer Freude: „Ich wette, wir können dem Trottel vor dem Monitor mächtigen Schaden zufügen.“
Das ist dann meistens der Moment, wo der durchschnittliche Windows-Nutzer die aufmüpfige Datei mit dem Papierkorb bekannt macht oder sich einen Anti-Selbstbewußtsein-Patch herunterlädt.
Nicht so jedoch die Voyager-Crew. Weil man nichts besseres zu tun hat und ohnehin nicht mehr alle Körner in der Hirse zu haben scheint, deklariert man das Recht von Unterprogrammen auf Selbstbestimmung. So weit, so krank.
Wer eine Ansammlung von Daten als gleichwertiges Gegenüber behandelt, hat ein schweres persönliches Problem und gehört in die nächste Sternenklappse.
Und als ob wir durch die billigen Kirchen-Kulissen nicht schon genug gequält worden wären – seit TOS haben Pappaufsteller nicht mehr so pappaufstellerisch gewirkt – mußten wir auch noch den finalen Akt der geistigen Selbstaufgabe ertragen: Janeway führt ein Java-Script über die Brücke und erklärt ihm den Unterschied zwischen dem Leben inner- und außerhalb einer CD-ROM.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte Tuvok Janeway wegen Unzurechnungsfähigkeit des Kommandos entheben müssen. Und als sensibler Zuschauer ist mir nicht entgangen, daß auch Robert Beltran in dieser Szene im Hintergrund einige Bröckchen des Mittagessens nicht bei sich behalten konnte.
Und an dieser Stelle muß auch einmal Raum für ein unverblümtes Wort sein:
Die Art und Weise wie bei Voyager immer wieder Holocharaktere gleich menschlichen Wesen behandelt werden, wie man sich von ihnen verarschen und auf der Nase herumtanzen läßt, mit welcher idiotischen Pseudoethik man sich mit der ressourcenverschwendenen Reparatur durchgeknallter Pixelhelden aufhält, ist schlichtweg zum Kotzen unerträglich und gehört zu den absoluten geistigen Tiefpunkten von Star Trek.
Die absolute Oberflächlichkeit der Story, die totale Fokussierung auf ein unglaubwürdiges Szenario bar jeder Logik, ist eine Beleidigung eines jeden halbwegs intelligenten Zuschauers.
Einmal mehr zeigte sich, daß bei in den letzten Jahren mit wachsender Begeisterung und schwindender Intelligenz Autoren am Werk sind, die weder von Star Trek, noch von Computern den Hauch einer Ahnung haben.
Überflüssig zu erläutern, was von Holofiguren zu halten ist, die trotz – oder gerade wegen (!) Programmfehlern – plötzlich über eigenes Bewußtsein verfügen und mit einem „Schuß“ aus einer holografischen (!) Waffe die echte Kontrollkonsole des Holodecks außer Gefecht setzen…
Völlig unerklärlich ist in diesem Zusammenhang auch, warum die Holocharaktere zerstört werden, wenn man den Holoprojektoren den Saft abdreht. Wie auch beim Holodoc werden hier stets Projektion und Programm, Hard- und Software, Daten und Ausgabemedium verwechselt. Vermutlich gehören die Autoren zu jenen bedauernswerten Menschen, die ernsthaft glauben, ihr Word-Dokument werde gelöscht, wenn sie den Monitor ausschalten…
Wie fragwürdig darüber hinaus die Moral eines Captains ist, der ernsthaft das Leben von Menschen gegen die Unversehrtheit eines Holoprogramms („Die Leute in Fair Haven mögen nicht echt sein, aber unsere Gefühle sind es.“) abwägt, steht außerhalb jeder Diskussion.
Diese Episode gehört ohne Übertreibung zu den intellektuellen Tiefpunkten der letzten 35 Jahre und belegt erneut, daß sich VOY mit fortschreitender Laufzeit immer mehr zu gequirlter Kinderkacke auf Einzeller-Niveau entwickelt hat. Niemand wird dieses Schiffchen ernsthaft vermissen.
Friede seiner Masche.
Note: 6
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