„Silent Hill Revelations“ – Schildhildes Review
Schildhilde ist ihres Zeichens ein großes Silent-Hill-Fangirl, was ich spätestens immer dann bemerke, wenn ihr beim Zwiebelschneiden in der Redaktionsküche wieder mal das Hackebeil in der Arbeitsplatte stecken geblieben ist. Als verspätetes Weihnachtsgeschenk veröffentliche ich heute nun endlich ihr Review, das zwar schon vor Wochen eingereicht wurde, jedoch mich erst jetzt zu drängen begann. Und ja: Der Pferdekopf mit dem Pyramidenhut, den ich heute mit „freundlichen Grüßen von Schildhilde“ in meinem Bett fand, der hat SEHR bei meiner Motivation geholfen…
Willkommen zu Hause!
Verweile im „Happy Burger“!
Nimm das Stahlrohr mit, denn wenn der Pyramidenkopf auf ‚Hellraiser‘ trifft, legen wir das Popcorn besser beiseite.
Tu fui ego eris – ich war du, du wirst ich sein –
Ja, diese Worte enthüllten einst Heather Masons Stigma. Das ist nun 9 Jahre her, aber Heather ist zurück.
„Okay, dann wollen wir uns mal ihr Gebiss ansehen. Rechter Zahn in Ordnung… Hm, im Kariesloch des linken steckt eine Babyleiche?“ – In Tuchfühlung mit den Monstern: Die Heldin aus dem Spiel beleuchtete damals die hasserfüllten Abgründe der Seele, in die man heute ebenfalls als Konsument blicken kann, wenn man versucht, den neueren „Silent Hill“- und „Resident Evil“-Games noch einen Gruselfaktor abzuringen.
„Revelations“ ist sehr stark an das Spiel „Silent Hill 3“ angelehnt, welches damals für mich als uninspirierte, aber hochwertige Fortsetzung vom 1999er Ur-“Silent Hill“ galt. Wer jedoch SH3 spielte und danach verständnistechnisch trotzdem noch im Dunst des Unwissens wandelte, sollte alleine deshalb schon die Leinwandadaption sehen. Der Film klärt die Zuschauer nämlich dergestalt auf, dass es auch jeder Plebs versteht. (Anmerkung von Klapo: „Plebs“ bedeutet laut Wikipedia das „gemeine Volk im alten Rom“.) Es darf eben mental niemand zurückbleiben, denn „niemand“ bringt eben kein Geld in die Kinokassen.
Leider tötet das Grundkonzept dadurch jegliche japanoide Grundstimmung (= kranker unerklärbarer Scheiß), die dem Spiel einst anhang. Im Horror wie in der Erotik gilt ja eigentlich: bloß nicht zu viel auf einmal enthüllen! Trotzdem riss schon der Regisseur Christophe Gans in seiner Filmumsetzung von 2006 gleich säckeweise die Klamotten runter. Was trotzdem egal war, denn der Hardcore-Fan freute sich ob der Nacktheit. Und damals die neblige Stadt im Kino zu sehen, war zumindest für mich erfüllend genug. Was für mich Grund genug war, mir auch die Umsetzung von 2012 unbedingt ansehen zu wollen.
SHR dreht sich nun also um den Valtiel-Kult, der in künstlich wirkenden Erzählschwällen erklärt wird. Die Darsteller gefallen mir dabei schon mal richtig gut; die Besetzung ist überaus passend gewählt. Okay, bis auf den ständig betroffen drein blickenden Vincent (Kit Harington), der passt nicht so recht ins Bild.
„Bist du sicher, dass diese Reise ungefährlich ist?“ – „Naaa klar! Die alte Zigeunerin hat mir prophezeit, dass ich einen großen dunklen Fremden begegnen werden, mit kantigem Gesicht. Er arbeitet viel mit Menschen, hat sie gesagt!“ – Man reis(s)t hier sehr gern: Die Hauptdarstellerin sieht der oben gezeigten Render-Rabaukin eindeutig eineiig ähnlich. Unglaublich, was Direct X 11 aus Menschen machen kann!
Stilistisch verschlägt es die Cenobiten (Anmerkung von Klapo: Was für Bieten? Alles Ebay oder was?) nun nach Silent Hill. Wobei wir im Marionetten-Monster entfernt einen Bekannten aus „Alien“ erkennen. Aber auch das ist egal: Monster können wie Nasenknubbel-Aliens in Star Trek eben nur sehr begrenzt recycelt werden.
Die Speerspitze der Handlung ist jedoch das Zusammentreffen zwischen einem guten und einem bösen Mädchen. Heather (Adelaide Clemens) ist immer hübsch anzusehen, auch – und gerade – während der im Film vorkommenden grotesken Karussellfahrt. Grässlich interessanter ist jedoch der Henker im Hintergrund! Ja, liebe Zuleser, ich als Fan möchte nämlich nur eines: den Pyramidenkopf in echt mit blutbefleckter Schürze, muskelbestückten Armen, riesigem Metallschädel und dem Schlachtermesser, das er über den Boden zieht! Herrlich…
„Treten sie doch etwas näher, ich bin gar kein so übler Typ…“ – „Okay, ich komme näh… Aaarg, mein Augapfel wurde auf ihr Gesicht gespießt, sie Unhold!“ – Der ultimative Updategrund für ein jedes Programm mit Gesichtserkennung: Hier sehen wir den Pyramidenkopf, wie er sich… hm… vermutlich eine ägyptische Miniaturgrabkammer von innen ansieht? – Aber dieser Erklärversuch ist auch schon wieder zu typisch deutsch.
Ihr habt es vermutlich erraten: Meine Erwartungen wurden erfüllt. Viel schöner kann „nach Hause kommen“ nicht sein. Der Ascheregen in 3D fühlt sich zudem besser an als die ruckelnden Schneeflocken auf der PSOne anno 1999. Und auch die Farbe blätterte nie realistischer von den Wänden, während die Skalpelle der Bubble Head Nurses tiefer scheniden, als sie es vorher je konnten. Der ‚graphische‘ Höhepunkt war für mich die Enthüllung der Cenobiten-Braut und Pyramidheads Schnetzelorgie mit ihr!
Gequälte Gesichter unter Gitterrosten sahen nie gräulicher aus, was ein wenig an die Hellraiser-Reihe erinnert, die vor ihrem Glanzverlust ähnliche Momente besaß.
Ich wurde in letzter Zeit kaum besser im Kino unterhalten! Aber das sagen Fans ja immer. Und nichts anderes ist SH: ein Film für die Anhänger. Die pausbäckige Heather und ihr Ziehvater Harry Mason (Sean Bean) harmonieren sogar so gut, dass es mich hier sogar mehr berührte als im Videospiel.
„Hey, Schwestern! Ich habe eine Idee, wie wir unser Problem lösen können: HÖRbücher!“ – „Okay… Findet irgendeine von euch Augenlosen einen Laden, wo man diese kaufen könnte?“ – „Verdammt… Ein neuer Haken.“ – Grusel für Gänsehaute-Couture: Diese Krankenschwestern sind äußerst beängstigend in Szene gesetzt. Aber wenigstens traut man sich dann vor einem Praxisbesuch nicht mehr, den Impfpass zu vergessen.
Der Film ist jedoch nicht 1:1 vom Spiel umgesetzt worden. Während die irre Claudia (Carrie-Anne Moss) ihre Rolle erfüllt, haben z.B. Harry und Vincent andere Wendungen abbekommen. Im Gegensatz zu SH 2006 gibt es hier auch weniger brutale Stellen, was meiner Ansicht nach aber atmosphärischer ist. Es gibt keine Enthäutungen, keine Brutzel-Szenen und selbst die Prügel-Attacken sind in „Cloud Atlas“ blutiger als hier.
Recht so. Hauptsache, der Pyramidenkopf schwingt sein Messer und ein paar Finger fliegen durch die Gegend, während die süße Heather zusammengekauert hinter einem Gitter zittert!
„Wie? Der Typ im Hintergrund, der einem größeren Typen vor dem Bauch hängt? Lenken sie nicht ab! Haben sie ihre GEZ-Gebühr bereits bei unserer Institution bezahlt ooooder nicht?!“ – Grau(en) in Grau(en): Die Bildsprache und die Grundaussagen war bei Silent Hill stets wichtiger als die Story. Und NEIN, Uwe Boll: Das ist keine Gratis-Entschuldigung, die ich heute für Dich erfunden habe!
Im ganzen Film wurden zudem Insider-Stücke für Gamer verstreut: die weiße Weste von Heather, ein originalgetreues Stahlrohr, die Übersichtskarte in der Irrenanstalt sah aus wie die Karte im Spiel, das musikalische Thema des Pyramidenkopfes, Zimmer 106 und das Heather am Schluss in den Truck von Travis O’Grady (SH Origins) steigt, der nach eigener Aussage „lange genug da war“.
SH Revelations ist ästhetisch ein Genuss für den Fan der ursprünglichen SH-Reihe.
Nicht-Eingeweihte sollten jedoch besser was anderes sehen. Seit SH 2006 auf die Leinwand kam, hatte ich eigentlich nichts großartiges mehr erwartet; die Videospielreihe selber ist nämlich längst im Mainstream angekommen. Einzig die brillante Musik von Akira Yamaoka hat mich über die Jahre an alte Zeiten erinnert. Und dann also SHR, auch noch in 3D? Was sollte in Revelations eigentlich enthüllt werden?
Klar, es geht immer noch um die Sekten-Story, dargeboten einem breiten Publikum. Und dieses ist überwiegend jung und hat womöglich andere Erwartungen an diesen Film, was ich geraunten Sätzen im Kinosaal wie „Wären wir doch besser in den Hobbit gegangen“ entnehmen konnte.
„Wir sind hier in großer Gefahr!“ – „Wie? Mit dem Bier geht alles klar? Du hälst mir die Ohren zu, Dussel!“ – Hektik-Henry: Bei Silent Hill wabert das Grauen stets so allgegenwärtig und greifbar durch die Luft wie Methan nach Kollege Sparkillers Genuss einer Bohnensuppe. Man muss diesen Stil schon von Grund auf mögen. Und wenn ich „von Grund auf“ sage, dann meine ich das unterste Kellergeschoss der (japanischen) Hölle.
Fazit:
Der Film ist als Reminiszenz sehr gut gelungen, da die Handlung nicht in angereihten Effekten überladen wurde, wie es Christophe Gans 2006 zu verantworten hatte. SHR gelingt vieles besser, die Musik ist auch hier noch mit Originaltracks von Yamaokas-Ambientsounds unterlegt und Regisseur Michael J. Bassett überfrachtet die Silent-Hill-Kult-Geschichte auch nicht mehr als nötig. Sollte ich je durch rostige, leerstehende Fabrikhallen kriechen, werde ich mich dabei wohlig an SHR erinnert fühlen!
Absolut unangefochten auf der SH-Liste steht für mich allerdings immer noch James Sunderlands Reise (SH2). Ich hoffe jedoch, dass dieser Teil nie filmisch umgesetzt wird, damit ich ihn in würdiger Erinnerung behalten kann. – Als Meisterwerk der Videospielgeschichte. /
Tach auch !
sehr interessantes review, macht Lust sich den Film anzuschauen.
Konnte ich ein Bild von der Axt in der Redaktionskueche haben ?
Gruss BergH