„South Park“ – Ein beschissenes Serienreview
South Park. Eine Serie, die hier viel zu kurz kam, obwohl die Weitsichtigkeit und Gleichnisqualität der Episoden teilweise mit den besten Science-Fiction-Serien (und der Bibel) mithalten kann. Inzwischen in der 16. Staffel angekommen, möchte ich mich heute einmal tief vor der Serie verbeugen, ein militärisches „FICKEN!“ als Ehrensalut ausrufen und mich danach auf die Suche nach der sagenumwobenen Klitoris machen. (Eingangsbild: Randy Marsh mit geschwollenem Hoden)
Inzwischen sind die Abenteuer von Stan, Kenny, dem dicken Cartman und Kyle längst im Langlebigkeits-Kult angekommen, aus dem man die Simpsons gelegentlich mal herauswerfen möchte.
Doch alles fing einst so schaml… harmlos an:
In der anarchischen Anfangszeit der Serie wurde der Inhalt noch häufig mit Pipi-Kacka-Witzen garniert, was nur so lange lustig erschien, bis die Abgasuntersuchung der letzten Analsonde durch den TÜV war. Es ist zwar witzig, wenn das schmierige Weihnachtsfest durch „Hanky, den Weihnachtskot“ konterkariert wird, Jesus persönlich durch South Park latscht oder Kenny in der jeder Folge einen brutalen Tod stirbt, aber auf der Satireskala würde ich das eher auf dem Level „Ficken-Schriftzug auf Hauswand sprayen“ unterbringen. Oder mit den Zuckungen eines ADHS-Kindes, das man nur deshalb mit seinem eigenen Kot auf der Tischplatte zeichnen lässt, damit es sich wenigstens IRGENDWIE künstlerisch betätigt.
Daher hatte ich auch fast 10 Jahre die Entwicklung der Serie ignoriert und unter dem Buchdeckel der eigenen Weisheit zermatscht. Ich hatte eben auch langfristig solch debile Geschichten wie die vom „Hühnerficker“ erwartet, die humortechnisch so zeitlos sind (negativ gemeint) wie die Klowitze, die schon im Alten Rom aufgepinselt wurden.
Doch die Storys wurden mit jedem Jahr reichhaltiger und bei aller Derbheit immer tiiiefer (Bitte Analwitz an dieser Stelle selber denken)! Oberflächlich betrachtet handelt es sich bei South Park natürlich auch weiterhin um eine unmoralische Serie um versaute Kids und gestörte Eltern in einer Gesellschaft, auf die gleich alle 3 vorhergehende Adjektive zutreffen. – Doch wenn man einmal den Reflex „Blowjob = Brechreiz“ unterdrückt hat (als intellektueller Zuschauer jetzt, nicht als halsempfindlicher Blowjob’er), dann entsteht eine wunderbar bizarre Welt, in der die Ärsche mittels Furzgeräuschen bunte Knospen der Gesellschaftskritik treiben.
„Junge, pack den Hammer weg. Wir müssen schließlich erst mal unseren Antichristen gebären, bevor er von uns genagelt werden kann.“ – Der (Holz-)Schrein trügt: In dieser Weihnachtsepisode entpuppen sich die niedlichen Tierchen als satanische Bestien. Ich würde ja gerne sagen, dass mich das völlig überrascht hätte, aber nach den Erlebnissen mit meiner Exfreundin scheint das eher ein wiederkehrendes Motiv zu sein…
Wenn in einer Episode der Missbrauch in der katholischen Kirche gezeigt wird, ist es urkomisch und bitterböse, wenn der einzige Priester in der Runde aufsteht und sagt, dass er darauf ganz und gar nicht steht, die anderen aber überhaupt nicht verstehen, worauf er eigentlich hinaus will. Oder wenn Scientology mehrmals veräppelt wird, indem mal gerade deren albernes Alien-Geheimwissen an dem Zeichentrick-Pranger landet. Oder wenn jüngst die Teleshoppingkanäle, dubiosen Goldhändler und Billigschmuckfabrikanten ihr Fett abbekamen, getreu dem Motto: „Immerhin (K)Inderarbeit“. Oder wenn Alkoholiker, die Schwulen oder sonstige Bewegungen ihr Fett abbekommen, ohne, dass die Gruppen an sich als verachtenswert dargestellt werden, sondern nur der Umgang mit ihnen.
Dabei wird vor allem „Political Correctness“ immer wieder als peinlich entlarvt, was in den besten Geschichten oft darin gipfelt, dass bestimmte Worte („Arsch“) nicht ausgesprochen werden dürfen. Oder aber alle Figuren sich plötzlich für Sexualaufklärung, Anti-Mobbing-Kampagnen, Metrosexuelle und Feminismus interessieren, dabei aber an anderer Stelle einen moralischen Holocaust hinterlassen, ohne es zu merken.
Besonders clever fand ich jedoch die Jubiläumsepisode, in der Mohammed gezeigt werden sollte und dessen „mediale Unzeigbarkeit“ per Maschine auf andere Menschen übertragen werden konnte, die fortan als schwarzer Zensur-Balken herumliefen. Oftmals stellt man sich sogar ernsthaft die Frage, ob diese Serie wirklich aus den prüden USA stammen kann, wenn z.B. der Lehrer Mister Garrison seinen Vater anfleht, ihn endlich zu missbrauchen, weil er sich als Kind immer ungeliebt fühlte. Doch all diese Grenzüberschreitungen – knapp an der Grenze zur offenen Briefbombenanforderung – haben bewirkt, dass die Macher inzwischen JEDES Thema behandeln können und nur in den seltensten Fällen die Grenze der wohlmeinenden Satire verlassen, um auf dem Pfad der Menschenverachtung zu wandeln.
„Cartman, ich will deine Prämisse nicht zerstören, aber ich bezweifele echt, dass es das vorrangige Ziel der alten Piraten war, Juden über die Planke gehen zu lassen!“ – Anker am Vorurteil gesetzt: Nicht nur inhaltlich lässt die Serie die Sau raus, sondern seit einigen Staffeln auch optisch. Mehr Details und 16:9 sorgen seit geraumer Zeit dafür, dass ECHTE Trickfilmer zwischen zwei Lachanfällen wenigstens mal Luft holen können.
Okay, nicht jede Folge bietet gesellschaftlich relevante Unterhaltung auf einem Niveau, das mehr als 5 deutsche Satire- und Kabarettformate ersetzen würde. Manchmal passiert auch einfach grober Unfug, der allerdings sehr nerdkompatibel daherkommt. Ob Cartman sich nun einfrieren lässt und in der Zukunft landet (weil er nicht mehr auf die neue Wii-Konsole warten kann) oder logisch und storyrelevant erklärt wird, warum Kenny nach seinem Tod immer wieder auftaucht: Man merkt, dass hier Popkultur und Poppen-Witze eine dauerhafte Heimat gefunden haben. Die Simpsons wirken gegen die Kugelköppe mit der Zuckelanimation fast schon wie bravste Familienunterhaltung. Und „Family Guy“… Nun ja, diese Serie wird sogar in einem kompletten South Park-Zweiteiler versenkt. Nicht ganz zu Unrecht, ist die Analyse zum FG-Aufbau doch so passend wie eine Bommelmütze auf einer sommerlich erhitzten South Park-Convention.
Unsere wahre Lieblingsserie hat dramaturgisch definitiv ein drittes Ei in der Hose: Manchmal gibt es 2 oder mehr Schauplätze, deren Ereignisse am Ende zu einer Auflösung der Geschichte kulminieren. Oft auf eine unglaublich schräge Art, die innerhalb der vorher aufgestellten Logik aber wunderbar Sinn ergibt. Für eine 20-minütige Zeichentrick-Schweinerei, die mal mit ausgeschnittenen Pappfiguren und Stopp-Motion begann, ein beachtliches Ergebnis, an dem sich sogar „echte“ Serien messen sollten. Nicht wenige (wir möchten hier ja keinen Stargate-Universe-Namen nennen, räusper) halten „Auflösung“ und „Ziel“ weiterhin für eine Zumutung aus der Abschlussprüfung der Hochschule für angehende Drehbuchautoren.
„Ich finde, wir sollte mal aktiv was gegen diese Schwulenklischees tun.“ – „Genau, Purzelchen! Du hälst diese bösen, bösen Klischees fest und ich besorge es den Schweinen von hinten!“ – Wie aus dem Gemächt geschnitten: Mister Garrison und Mister Sklave. Die Darsteller auf dem rechten Bild haben sich natürlich nur verkleidet. Die Handpuppe, die da auf der Faust sitzt, ist nämlich eigentlich Bruce Darnell.
Klar: Manchmal ist schon das Grundthema so verfehlt, dass man sich quält und schüttelt wie Antisemit Cartman vor der zionistischen Weltherrschaft. So geschehen jüngst bei der Episode, in der die Jungs auf große Zip-Lining-Tour durch den Wald gehen, was sich so in die Länge zog, dass man sich fragt, ob die Macher hier lediglich ein traumatisches Erlebnis mit Schulwanderungen verarbeiten mussten. Und dass der Schluss der Folge auf einem Boot und mit echten Menschen verfilmt wurde, war womöglich irgendeinem Fertigstellungsengpass im Zeichenstudio zu verdanken.
Aber okay: Selbst die langweiligeren Episoden überraschen nach jedem Akt – von denen es natürlich derer 3 gibt – mit interessanten Wendungen. Die wenigsten Folgen können vorab völlig durchschaut werden und weigern sich trotz gelegentlicher Relevanz-Muss/Ist-Differenz, uns völlig ohne kleine Schmankerl in den postsatirischen Abend zu schicken.
Fazit: Und so hoffen wir, dass die Serie noch lange existieren darf, hätten wir doch sonst nie erfahren, wie die Firma BP ein Loch zu einer Höllendimension bohrte oder Cartman den guten Osama bin Laden im Look einer alten Tom&Jerry-Episode jagte. Wären nicht die alten, schlechteren Episoden und gelegentliche Nieten bei der wöchentlichen Themenlotterie, so könnte man der Serie auch eine weitaus höhere Punktzahl geben. – Das Schönste wurde aber noch gar nicht erwähnt: Alle Episoden sind hier legal und kostenlos abrufbar!
Was denkst du über den Kinofilm? Der kam ja glaub ich gleich nach der ersten oder zweiten Staffel, also noch in der Anfangsphase der SErie.
Der Kinofilm? Ist nicht besprechenswerter als zwei wahllos herausgegriffene Einzelfolgen. Immerhin: Das „Uncle Fucker“-Lied habe ich mir damals oft als stimmungsvolle Begleitmusik zu meinen ersten Artikeln für diese Webseite angehört.
Ich hätte bei der Besprechung der Simpsons vermutlich ebenfalls nicht den Film erwähnt. Gerade bei langlebigen Zeichentrickserien (wo es auch nicht soooo auf ein Megabudget ankommt) ist ein zusätzliches Movie eher zu vernachlässigen. Auch wenn der Bankberater der Produzenten das wohl anders sehen wird.
puuh, der Film sollte wohl mal ein Musical werden. Schneidet man den Singsang raus bleiben storytechnisch 20 Minuten übrig. ALso für mich war der Film leider nix.
Widersprechen muss ich allerdings, daß die alten Folgen schlechter seien. Ich fnde, South Park hatte zwischen Season 3 und 9 die besten Folgen, danach wurds streckenweise lahm. Die neueste Season lässt aber auf bessere Zeiten hoffen
Kann man wirklich alle Episoden aufrufen? Meines Wissens gab es da doch den Ärger wegen der Jubiläumsfolge.
Sonst muss ich sagen, dass vieles bei Southpark mir etwas zu extrem rüberkommt. Ich verfolge die Serie inzwischen auch nicht mehr. Aber es gab eine Reihe von Folgen, die waren wirklich gute Satire.
Stimmt, die Episoden 200 + 201 (die auch nur genau so heißen) sind immer noch gesperrt. Egal, muss man halt auf FILESHARING ausweichen.
(…)
Und nein, bei einer Serie, die ihren Content im Internet verschenkt, hält sich da meine professionelle Ablehnung von Datenklau erstmals in Grenzen.
tach auch !
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Das “Uncle Fucker”-Lied habe ich mir damals oft als stimmungsvolle Begleitmusik zu meinen ersten Artikeln für diese Webseite angehört.
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Das erklärt natürlich Einiges.
Southpark kenne ich nicht ,
muß man sich das ansehen?
Gruss BergH
Tja, gute Frage. Ach würde doch nur jemand ein Review zu der Serie schreiben und, vielleicht sogar in Form einer Punktevergabe, sie bewerten.
Halt, moooooment …
Die ersten Folgen sind tatsächlich teilweise recht fäkalisch und albern, und ich denke auch die Serie hat ihre beste Zeit hinter sich, aber in den vielen Jahren dazwischen gab es wirklich unzählige tolle Folgen mit schönen Geschichten aber auch allerlei ulkigen Einfällen. Wie z.B. die Halloween-Episode in Staffel 2, in der ein Cartman-Doppelgänger (natürlich mit Bart) aus einem Paralleluniversum kommt und bei den Szenen, in denen beide Cartmans nebeneinander zu sehen sind, dann wie in den alten Filmen, wenn dort Doppelgänger auftauchten, dann in der Mitte ein Trennstrich zu sehen ist, als hätte man die Szene zweimal gedreht und die Bilder zusammengesetzt – was bei einem Trickfilm aber natürlich gar nicht nötig ist *hihihi*
Und genial natürlich auch die Folgen, in denen die Macher die Mechanismen einfallsloser Hollywood-Drehbücher aufs Korn nehmen. Da muss Stan in „Asspen“ plötzlich gegen einen schnöseligen Halbstarken ein Skirennen fahren, um einen Jugendclub zu retten, und in „Lice Capades“ wird der Exodus eines Kopflaus-Volkes im Blockbuster-Stil nachgespielt.
Die große Stärke der Southpark-Macher ist auf jeden Fall, dass sie am Puls der Zeit Leben und so zeitnah nicht nur mit aktuellen insiderigen, popkulturellen Anspielungen aufwarten können, sondern auch aktuelle Themen aufgreifen und geschickt verarbeiten können. Man denke nur an die legendäre „Make Love not Warcraft“-Folge, die teilweise sogar die WoW-Engine verwendete. Diese Folge zeigte im übrigen auch, wie sehr Southpark doch die Simpsons abgelöst ab, was das Aufgreifen und Kommentieren aktueller Themen angeht. So gab es bei der gelben Familie erst ein halbes Jahr später eine Warcraft-Episode, bei der man auf Grund der naiven Darstellung der Spielwelt das Gefühl hatte, das der Autor wahrscheinlich nie selbst Warcraft gespielt hat. Und noch schlimmer: Das Ende dieser Episode verriet, wie sehr sich die Simpsonsmacher ärgern, von Southpark überholt wurden zu sein. Wurden doch am Ende in der virtuellen Welt Bart Simpson die Gedärme herausgerissen, mit denen dann die anderen herumtanzten – ein klarer Versuch, dem gelegentlichen SP-Splatterhumor nachzueifern.
Wer Southpark nicht kennt oder meint, es nicht zu mögen, dem kann ich neben der Warcraftepisode vor allem den Dreiteiler S11E10-12 „Imaginationland“ (Fantasieland) ans Herz legen. Es gibt zwar ein paar Anspielungen auf ältere Folgen, aber ansonsten sollte die Geschichte auch für Nicht-Insider funktionieren. Ich meine – schon allein die Szene, in der Schlümpfe, Glücksbärchies und allerlei andere Fantasiewesen in die Luft gesprengt werden, das muss man einfach mal gesehen haben. Also ab auf southpark.de !
Ach ja, die Simpsons *seufz* ;(
Wie sehr hab ich die 2. bis 7. Staffel geliebt. Oder war es bis zur 8? Keine Ahnung, irgendwann um den Dreh ging es steil bergab.
Ab und zu schalt ich dann mal in die neuen Staffeln rein, in der Hoffnung, irgendwas, und wenn es nur ein Funke ist, dieses alten Charmes wiederzufinden.
Aber nix da, das ist einfach nur noch grauenhaft, was da abgeht bei den gelben Männchen.
Inzwischen mag ich sogar Family Guy mehr. Obwohl, wird das eigentlich noch produziert?
Na egal, jedenfalls weiß MacFarlane wenigstens, wie man hirnlose Albernheiten ohne Substanz und Relevanz kreativ und witzig gestaltet, ohne dabei wie ein dummer Klassenkasper zu wirken, im krassen Gegensatz zu denen, die die letzten 16 oder so Staffeln Simpsons verbrochen haben. :(
„South Park“ spingt immer zwischen unterstem Fäkalhumor und genialer Satire hin und her. Gerade das macht den besonderen Charme der Serie aus – neben dem bewusst billigen Look. Wer die vielen hintergründigen Anspielungen versteht und sich an derber Sprache nicht stört, der muss „South Park“ einfach mögen.