„Super 8“ – Auch im Review super?
Invasionsfilme sind seit einiger Zeit wieder in Mode, nachdem Orks, böse Zauberer und Vampire nicht das nötige Fachwissen mitbrachten, um einen handelsüblichen Antischwerkraftgenerator zu bedienen. Kein Wunder also, dass Produzent Steven Spielberg und Regisseur J.J. Abrams erneut auszogen, um der Welt zu beweisen, dass sie es noch können. Ähm, also sich ausziehen quasi… Nebenbei ist dieser Film entstanden, der das neu erfindet, was wir alle vermisst haben: Filme, wo geredet werden tut zwischen Bumm!
Regie: J.J. Abrams
Jahr: 2011
Budget: 50 Mio $
Besprechung:
Immerhin: Die ruhige, ca. 30 Jahre in der Vergangenheit spielende Geschichte ist ein Tribut an die 80er Jahre, als man dem Zuschauer NICHT alle 45 Sekunden einen kontextfreien Spezialeffekt in die Hirnhirse ballerte und die Charaktervorstellung noch NICHT während der Fluchtsequenz in der 3. Filmminute rausgedrückt wurde (*Hechel* „Ich bin Smartin und liebe Filme, japs! UND JETZT RENN!“). Dies ist ein Film, in dem man dem Zuschauer noch zutraut, auf kleine Details in den Bildern und auf den Gesichtern zu achten. Hier gibt es KEINEN storyerklärenden Sidekick, der minutenlang auf einen einblubbert, damit auch lobotomierte „LOL“-Autoren das Offensichtliche checken: „Ich weeeiß, seitdem deine Mutter tot ist, bist du eher traurig, aber schau mal: Dieses Filmemachen lenkt dich doch auch ab!“ – „Ach sooo! Danke, Doktor Freud!“
Wohl dem, der in den letzten 10 Jahren seine Aufmerksamkeitsspanne nicht für Experimente an die Stoppuhrindustrie abgegeben hat! Und da nehme ich mich selbst durchaus nicht aus, frage ich mich doch heute auch schon, wieso es keinen Lense-Flare-Effect gibt, wenn bei „Star Trek 8“ hinter Picard die Tür aufgeht.
Aber natürlich hat auch „Super 8“ Effektmomente, auch wenn diese nach 20 Minuten erst „spät“ losgehen. Der Güterzugcrash, bei dem (gefühlte) 80 Waggons über 3 (gefühlte) Quadratkilometer verteilt werden, ist kinoprollmäßig (s)packend inszeniert und stellt die berechtigte(?) Frage, warum bei „E.T.“ damals nicht wenigstens eine klitzekleines Stadtviertel explodiert ist. Doch trotz dieses großangelegten Seh- und Hörtests sind einem in diesen Momenten die Charaktere nicht völlig egal, was eine Selbstverständlichkeit sein sollte, heutzutage jedoch wie die Neuentdeckung der Griechischen Tragödie anmutet.
„Okay, zeigt in der nächsten Szene ein bisschen mehr Feingefühl, Leute! Die Freiheit der Textimprovisation endet definitiv bei Sätzen wie ‚Sie sind das schönste Kommissarenkostüm, das je von einem 14-Jährigen getragen wurde!‘, klaro?“ – Fresse, ich brauche die Klappe: Diese Kinder haben viel Spaß beim Drehen. Dies überträgt sich bei „Super 8“ direkt auf den Zuschauer, der sich bis zum Ende wünscht, die spannende Zombiegeschichte endlich aufgelöst zu sehen…
Die Stimmung ist anfangs mysteriös, wenn sie es sein soll, leicht gruselig, wenn das so gewollt ist und wenn die Romantik ihr zartes Fliederband um unsere Zynikerhoden spannt, fühlt es sich nicht nur wie eine dramaturgisch-urologische Untersuchung an… Bitte zukünftig MEHR davon, damit ich solcherlei Pille-Palligkeiten nicht extra langatmig herausstellen muss, okay? So was macht einem das ganze Nitpicking kaputt (kann man z.B. nach einem Tempo 120-Frontalaufprall mit einem Zug noch Landkarten aus dem Handschuhfach holen? Airbags aus Stahl?) und verpasst einer gehobenen Simpelstory eine Lobhudelei, bei der meine vergangenen Verrisse fast ein „Unfair“-Schild hochhalten dürfen…
Lustigerweise nimmt die Guck-Lust in dem Moment ab, in dem irgendein ungezeigtes Monster mit seinem Arsch(?) die Tankstelle zerbröselt. Sofort erinnert man sich an die anderen Abrams-“Meisterwerke“ wie „Ungezeigtes Monster“ in Großstadt („Cloverfield“) und „Ungezeigtes von A bis Z auf einer Insel“ („Lost“). Und da wir alle wissen, dass Abrams noch nie einen Film mit überraschender Auflösung gedreht hat (bis auf den für „Amerikas lustigste Heimvideos“, wo dem Opa das Gebiss rausfiel), vermutete man auch hier „Style over Substance“. Siehe auch „Mission Impossible 3“, Siehe auch „Alias“. Siehe auch… bloß nichts anderes von Mister Die-erste-halbe-Stunde-war-ganz-gut.
Totaler Driss war dann auch schon das unbemerkte Einsammeln von Automotoren, Kabeln und Generatoren seitens des phantasiefreien Kleptomanie-Phantoms. Kann mir keiner erzählen, dass nicht irgendein leichtschlafiger Opi den metallischen Ruck auf der anderen Straßenseite gehört haben soll. Zumal das Monster in den präsentierten Szenen gerne mal einen halben Schrottplatz über die Tannen pfeffert, wenn es nach etwas Brauchbarem kramt. Das erinnert mich verdächtig an Roland Emmerichs „Godzilla“, wo sich das Viech ja auch recht brauchbar in Telefonhäuschen und Abwasserrinnen verstecken konnte…
„Hallo? Feuerwehr-Notruf?! Bitte kommen sie schnell, es brennt überall!“ – „Okay, können sie das konkretisieren?“ – „Klar: Die Sonnenallee können sie auslassen, die ist inzwischen schon wieder ausgegangen…“ – Weinender Brandschutzbeauftragter gesichtet: Das Militär zerlegt unabsichtlich(!) die Stadt. Man hätte vielleicht doch auf diesen „heißen“ DeLorean-Reifeneffekt aus „Zurück in die Zukunft“ verzichten sollen?!
Überhaupt wirkt der Film mit fortschreitender Laufzeit zunehmend wie etwas, das man schon mal irgendwo (im Klischeemuseum?) gesehen hat: An 32 Monsterfilme, an 17 „Kleinstadt steht Kopf“-Schinken und 78 „Militär sind die Bösen“-Streifen. Gewürzt mit Kindern, denn Kinder sind unsere Zukunft bei den Filmideen von Gestern. Da relativiert sich dann auch das 80er-Jahre-Lob zu Beginn, denn vor 30 Jahren hat man vermutlich etwas weniger versucht, die Kopie einer 50er-Jahre-Thematik abzuliefern.
Es ist schon bezeichnend, wenn man sich nach der Hälfte wünscht, dies wäre gar kein Monstergedöns, sondern ein sozialarbeiterischer Film über einige Jungs, die das Filmemachen, die Liebe und den fremden Hosenschlitz entdecken. Und dabei auch, dass Freundschaften in die Brüche gehen können, wenn der beste Freund bei dem eigenen Schwarm 2 Stunden das Make-Up nachzieht. – Werde ich alt, wenn ich gar keine ablenkenden Spezialeffekte und Paniksequenzen mehr sehen möchte, weil mir die Charaktere anfangs so gut gefielen? Oder sind Spielberg & Abrams bereits senil, weil sie permanent den Zeiten nachjagen, in denen sie diese Filme noch RICHTIG gemacht hätten?
Der weitere Verlauf ist der Übliche: Von A nach B, Gefangennahme bei C, Rückkehr in die Stadt, um D zu checken, Action bei E, F und G. Erklärende Videos anschauen, flüchten, rumfahren und Versteck des Monsters finden, während die bösen Soldaten ihren Schöpfer treffen. Dazwischen Gespräche untereinander, um zu verdeutlichen, dass man eigentlich nicht zum Zielort möchte, aber entweder keine andere Wahl hat, gerade sowieso im Gefangenentransporter sitzt oder irgendein abwesendes Storyvehikel noch eingesammelt werden muss. Das ermüdet auch den letzten Koffeeinabhängigen und zerfasert die Geschichte in Fahrgemeinschaften, furztrockene Erklärsequenzen und Stimmungsaufbau, der so gründlich ist, dass einen die Stimmung schon wieder genervt entlässt, weil sie endlich Feierabend machen will. – Ich behaupte sogar, dass in den 80ern eine derartige Story weitaus straffer erzählt worden wäre und man locker 20 Minuten in den Giftschrank gesperrt hätte.
„Haha, und wieder einen Schulbus umgeworfen! Diesem Alien zeigen wir, wer hier der Herr im Graus ist!“ – „Genau! Das ist dafür, dass es nachts unsere Peircings geklaut hat! MIT Ohr und Augenbrauen!“ – Süßigkeiten oder Strei… Eingeweide: Diese Jungs zeigen dem Vehikel, dass „Erdling“ immer noch von Erde kommt. Trotzdem kam dieser Gag aber nicht gut an. Und die Reisenden innen drin schon mal gar nicht.
Komisch: Die durchschnittliche Kritikerwertung liegt bei 7,6 von 10 Punkten, wobei es Lob wie „mitfühlendster Mainstream-Film des Jahres“ und „Hommage an 70er/80er Jahre“ hagelte. Aber HIER liegt die Nase im Pfeffer, hier schlägt das Fass dem Spinnenalien ins Gesicht: Wenn man es schafft, NICHT wie „Star Trek 11“ oder „Transformers“ zu sein und die Figuren nicht über selbstironische Flachwitze zu definieren, hat man trotzdem noch lange keinen modernen Klassiker geschaffen. Allein die Hauptfigur (ein Junge, wenn ich mich nicht irre) besticht durch eher fehlenden Kultfaktor und hat neben Legenden der Leidenschaft wie Marty McFly, Elliott und Luke Skywalker so wenig verloren wie RTL2 bei der Verleihung eines Dokumentarfilm-Oskars.
In dem Bestreben, die Charaktere nicht zu sehr (positiv) zu überzeichnen, verpasst man ab und an sogar die Wohlfühltemperatur und präsentiert eigentlich warme Momente eher frostig und distanziert. Fühlte mich manchmal eher an „American Beauty“ erinnert als an ein leichtfüßiges Retrovergnügen. Auch die Musik nimmt sich sehr zurück und hält sich mit eingängigem Kultgedudel gar nicht erst auf. Ja, „Super 8“ versucht die Ästhetik älterer Kinderbespaßung à la Spielberg aufzugreifen, schafft es aber nicht, unsterbliche Momente zu präsentieren. Dem Fingerbegrabbeln und den fliegenden Fahrrädern aus „E.T.“ steht hier maximal ein flachgelegter Zug gegenüber, den ich erinnerungstechnisch in ein paar Jahren auch in einem anderen modernen Film verorten könnte.
Das Ende ist ebenfalls eher ein „Downer“: Kiddie Kid watschelt auf das bösen Alien zu, das zwar gerne Menschen frisst (Okay, vielleicht hat es einen Nährstoffmangel?), sich von dem geseierten „Du kannst leben!“-Sprüchlein des Halbwüchsigen aber irgendwie zum vorzeitigen Abflug überreden lässt („Okay, das mit dem L… Leben wusste ich ja vorher nicht, Kleiner!“). Und schooon blickt alle Welt glanzäugig und gerührt zum hochjagenden Raumschiff hoch, ohne zu wissen, ob dieses gleich einen tödlichen Todesstrahl oder 1000 rote Rosen ausspucken wird. Da hätte ich mir in der letzten Einstellung eine überraschend explodierende Kleinstadt gewünscht, um dieses geballte Schlussvakuum in etwas mit Nachdruck und Druckwelle zu verwandeln.
„Bitte beehren sie die Erde bald wieder, trotz-aller-Hässlichkeit-doch-nicht-so-fieses-Alien! Und wenn sie mal wieder was zum Naschen suchen: Im nahen Osten gibt es viele Leute, die sich hervorragend zu Ketchup und Oregano machen!“ – Bitte weiterglotzen, hier gibt es was zu sehen: Warum hier alle so fröhlich sind, ist mir ein Rätsel, das sich wohl nur mit dem inhaltlichen Austausch der ersten 100 Filmminuten lösen lässt.
Und so reiht sich dieser Film bei anderen Abrams-Werken ein, die für ihren Look gelobt werden („Cloverfield“), einem Jahre später aber wegen ihrer nichtssagenden Visionsfreiheit durch sämtliche möglichen Stimmungen rieseln, in denen man genau DIESEN Film noch mal würde sehen wollen.
Fazit: Leicht krampfiger „Früher war alles kultiger“-Streifen, der glaubt, die geheimnisvolle Formel des ewigwährenden Kinoblockbusters wiederentdeckt zu haben. Nüchtern betrachtet gibt es am Ende aber nur ein riesiges Spinnenalien (wie einfallsreich!), entführte Prinzessinnen (Super Mario?!) und böse Militärs, die bei 10 von 7 Entscheidungen garantiert die 13 unmoralischsten fällen. Der Look und die Stimmung sind hier anfänglich so gut, dass einem das Wasser an den Augen runterläuft, weil gegen Ende nicht mehr das allerklitzekleinste Abweichen von Schema F zu sehen ist.
Man KANN ihn sich anschauen, sollte vorher aber schon an einer Entschuldigung arbeiten… Der eigenen Freizeit gegenüber.
Gut, beim Design des Aliens war offenbar der Rechner abgestürzt, so daß die Dateiordner mit den verschiedenen Körperteilen einfach per Zufallsprinzip zusammengeschüttelt wurden. Aber den CGI-Knilch sieht man eh nur selten und dann auch meist nicht deutlich. Trotzdem scheint es aktuell irgendwie ein Trend unter allen Renderkünstlern zu sein, daß man beim Anschauen von deren Werken den Kopf erst um 180 Grad drehen muß, um irgendwas erkennen zu können?
Ähnlich ging es mir auch bei seinem Raumschiff am Schluß, welches aussah wie eine Mischung aus Enterhaken und die Beleuchtung eines Striptease-Clubs. Nette Idee aber, daß dafür die UFO-Rohstoffe von verschiedenen Besitztümern der Stadtbewohner genutzt wurden. Freue mich daher bereits auf den zweiten Teil, wo die Aliens das Teil wieder auseinandernehmen und dabei auf abgenudelte Porno-Filme auf Betamax stoßen. Das gibt dem alten Spruch „Wir kommen in Frieden!“ ja gleich eine ganz neue Bedeutung!
Sehr gelungen war aber der allgemeine Retro-Look. So gab es, bis auf das oben genannte, eigentlich keinen Hinweis, daß „Super 8“ NICHT im Jahre 1979 gedreht wurde. Von den Kulissen bis zu den Frisuren passt alles so gut zusammen, daß man fast die Stop-Taste drücken will, weil man offenbar die falsche Blu-ray gekauft hat. Ganz oben auf der Liste steht dabei das Casting der teenigen Darsteller. Von den Sommersprossen bis zur Zahnspange sahen diese nicht nur einfach retro aus, sie konnten es sogar talentmäßig wunderbar rüberbringen. Trotzdem mal wieder traurig, daß selbst die Blagen der Amis bereits ein besseres Schauspiel rüberbringen als der hiesige Großteil an altgedienten Talentverweigerern.
Fazit: Eine gelungene Liebeserklärung an die Kinokunst der späten 70er-Jahre, als in den Lichtspielhäusern bekanntlich noch alles besser war. Der Alien-Aspekt ist aber eigentlich nur ein bisschen Beiwerk für anfänglichen Grusel und einen späteren Schnulz-Effekt á la E.T., während das Hauptaugenmerk für mich tatsächlich auf die Darstellung der Epoche und das Zusammenspiel der Charaktere lag. Doch bevor ich mich noch mehr wie ein Kunstfilmkritiker anhöre („Die emotionale Hintergrundgeschichte des Helden steht stellvertretend für die verzweifelte Lage des vermeintlichen Antagonisten!“) beende ich diesen Kasten lieber. Das hier tut schließlich kein weichgespülter Klapowski-Text sein!
Note: 7 von 10 Punkten
Sparki ist aber sehr generös! ich glaube langsam wirklich das dieses Jahr die Welt untergeht, das ist ja mal ein deutliches Zeichen!
Ich fand es interessant, dass dieser Film offenbar gar keine Zielgruppe hat.
Er ist zu brutal für einen Kinderfilm und doch zu kindisch für einen Erwachsenenfilm. Es handelt sich hier um ein ganz und gar sonderbares Nischenprodukt.
Dass dies hier dennoch Abrams mit Abstand bester Film ist, lässt allerdings tief blicken.
Ich würd dem Film irgendwas zwischen Klapowskis 4 und Sparkillers 7 geben. Ist der eigentlich hierzulande auch so übermäßig gehypt worden wie den Staaten? Ich glaub dass dem Film am meisten geschadet hat, dass sie unbedingt den Sommer-Blockbuster daraus machen wollten, denn die Kindergeschichte war im Kern schon irgendwie charmant. Hat sonst noch jemand die Szene in der Viecher-Höhle arg an das Ende von Stephen Kings „Es“ erinnert? (Kids die in einer Höhle ein Spinnen-Vieh jagen, eingesponnene Menschen)
Der Zugscrash war zwar spannend aber leider sowas von übertrieben. Machte den Eindruck, dass der Zug mit 300 über eine Sprungschanze geflogen ist. Und das dümmste, dass der Kerl auf den Gleisen das überlebt hat.
tach auch !
Ich zweifle langsam an meinem Geschmack. Dieser Film hatte alles was die Goonies auch hatten.
Suspense , nette Kinder, super FX und sogar eine Art Handlung.
Der zweite Teil des Films fällt aber wirklich ab. Im Grunde fühlte ich mich doch unterhalten und fand die damals 12 jährige(?) Miss Fanning II unglaublich gut für ihr Alter, genauso wie ihre Schwester, nur weniger süß.
Also eigentlich hatte der Film alles was man für einen Klassiker braucht,
wo haben sie es im Detail versemmelt?
Irgendwie hat Klapo auch keine Antwort, oder habe ich oben etwas überlesen?
Mit Sparkies Wertung kann ich mich aber auchnicht anfreunden.
Irgendwo so bei 5-6 läge meine Wertung,
wenn ich eine abgeben würde.
Gruss BergH
@Speedomon
Alles zum Zugünglück unterschreibe ich.