„Cypher“ – Review in CD-Qualität!
Willkommen bei der Fortsetzung unserer Reihe „Reviews zu Filmen, die keiner kennt, geschrieben von Autoren, die keiner liest“ – 5 Jahre nach dem Erfolg des bizarren Würfeldramas „Cube“ versuchte sich Vincenzo Natali an der Realisierung einer weiteren Unrealität: „Cypher“ sollte ein High-Tech-Thriller für kleines Geld sein, quasi eine Mischung aus „Matrix“ und „Abschluss des Filmstudiums“. Doch ist es Natali wirklich gelungen, mit kleinem Budget große Konzernkritik – an erfundenen Konzernen – abzuliefern?
Regie: Vincenzo Natali
Jahr: 2002
Budget: ca. 7,5 Mio.
Bewertung:
Der Hauptdarsteller ist (durchaus gewollt!) so langweilig, dass man sich die eigenen Mundwinkel wegradieren möchte, um mimisch adäquat auf ihn reagieren zu können. Die (Aus)-Schnitte sind eher hausbacken, meistens nah dran an Händen, Köppen und Gadgets, damit man nicht sieht, dass die Location aus einem CVJM-Gemeindesaal oder der hiesigen AOK-Geschäftsstelle besteht. Ja, der ganze Film ist günstig produziert, was aber angesichts weniger Effektszenen auch nicht schlimm ist. Trotzdem wünschte sich der Ästheth… Ästät… Asthmatiker in mir aber manchmal, das High-Tech-Labor würde nicht nur aus einer Zimmerecke bestehen, in der ein paar Computerkabel wie Lichtketten an die Wand gepinnt worden sind.
Selbst die Ehefrau, eine perlenkettentragende Optikmutti (ohne Kinder), ist gewollt(!) so grau und leblos, dass man sich in einem besonders gesellschaftkritischen Deutsch-Krimi wähnt. Thema: „Ist es schon neoliberal, wenn sich ein Körperteil von mir schneller als 3 km/h bewegt?“ – Und in der ersten Viertelstunde fragt man sich generell, warum der Grauburgunder Brillenmann (Wappentier: Der Stichling) seine „Industriespionage“ auf öffentlichen Fachkonferenzen durchführen muss. So zeichnet er dort z.B. mit James-Bond-Kugelschreibern „spannende“ Vorträge über Rasierschaumprodukte mit.
Alle Filmdialoge sind kühl und zweckmäßig wie eine Art Lohnsteuerjahresausgleich für Filmsatzbau. Uneitel an der Grenze der Selbstaufgabe des Drehbuchautoren. Teilweise ist der Streifen sogar (gewollt?) klischeehaft, wie z.B. die Szene, in der Graukopfpapagei Lucy Lius Charakter an der Hotelbar anspricht: „Sie wissen wohl immer, was sie sagen sollen?“ – „Ja.“ (Wenigstens ein kleines „Bingo!“ oder „Worauf du einen lassen kannst“ hätte man uns gönnen können!)
Ganz klar: Wüsste man nicht, dass der „Cube“-Macher hier noch ein heißes Grausen im Feuer haben, so hätte ich den Fernseher spätestens hier mit der Abrissbirne abgeschaltet.
„Und denken sie immer daran: Der Minihubschrauber im Hintergrund ist nur CGI! Steigen sie nicht ein, sonst stürzen sie über die Brüstung!“ – „Schreiben sie’s mir auf einen Zettel, damit es mir meine Gehirnwäscherei einbläuen kann!“ – Neues Wissen macht (Gag)aaah: Jetzt, da Morgan Sullivan weiß, dass er nur ein Spielball ist, will er auch mit der Schiedsrichterin schlafen…
Die Handlung nimmt erst dann Fahrt auf, als die geheimnisvolle Asiatin nachdrücklich empfiehlt, den Kugelschreiber beim nächsten Mal abzuschalten, alle 6 Stunden ein paar Pillen zu nehmen und nicht zu vergessen, dass man nur ein sesselpupsender Leisetreter ist. Denn die Marketingkonferenzen sind Gehirnwäscheveranstaltungen. Äh. Also noch MEHR, als das Wort „Marketingkonferenz“ eh schon nahe legt. Und alle Anwesenden sind nur dort, um… Aber das ist jetzt zu SPOILER-lastig. Im Kern ist es aber eine „Kalter Krieg“-Geschichte, nur eben mit Technologiekonzernen statt Wodkafraktion und Hamburgerfressern. Eine Art „Apple-versus-Microsoft“ mit so vielen Wendungen und Manövern, dass man Franz Kafka leise am Microchip kauen hört…
Wirklich realistisch ist die Geschichte in letzter Konsequenz auch nicht. All die Redner, Hotelangestellten, Flugbegleiter, ect., die für ein bisschen gewaschenes Gehirn in Teile des Masterplanes eingeweiht werden mussten, sind ein wenig zu viel der Wissenden. Okay, bei der gefälschten Mondlandung waren es noch mal ein paar Tausend mehr, aber ihr versteht sicher schon, was ich weine…
“Hey, meiner hier ist noch nicht richtig weggetreten!“ – „Dann verpass ihm noch eine Dosis. Irgendwie müssen wir die Leute doch davon überzeugen, dass wir Bänker nicht die bösen sind!“ – Ach, DAS machen die in Wirklichkeit mit mir bei diesen jährlichen „Satire im Wandel der Quartalsergebnisse“-Sitzungen, die alle 38 Tage stattfinden? Ich hatte mich schon gewundert, warum ich so viele Drahtmützen auf meinem Hutständer im Flur liegen habe.
Schade nur dass der wirklich kultige Ansatz durch den absolut uninteressanten Hauptdarsteller auf Fanfiction(-dem-sein-Schauspielbruder)-Niveau heruntergekühlt wurde. Und dass ein Flughafen schon mal nur aus einer Stewardess besteht, die eine Kamera zur dermatologischen Gesichtsführung eingeladen hat, das unterstützt die Rumreise-Prämisse am Anfang nicht gerade sehr. Klar, man könnte behaupten, dass dieses Reduzierte künstlerisch GEWOLLT ist, aber damit würde man die tollen Ideen unterschätzen, die Regisseure mit tatsächlich vorhandenen Locations umzusetzen wüssten.
Trotz der Kritikpunkte ist das Filmchen aber ein schön komplexer Agenten-Anheizer mit leichten Asperger-Momenten. In der zweite Hälfte muss man sich beim Erklären der Handlung schon einen Knote in Arme und Finger machen, wenn man den Inhalt mit Gestenunterstützung wiedergeben möchte. Wenn 4 Fraktionen sich gegenseitig das gefakte / einprogrammierte / ausspionierte Leben schwermachen, ist das wenig langweilig, krankt aber immer noch am Schlaffi-Status der Hauptfigur. Diese hätte wenigstens EIN MAL einen kleinen Zusammenbruch haben können, da immerhin ihr ganzes Leben zu einem 007-Brühwürfel zusammenkonzentriert wird.
Aber eigentlich bricht es ja NICHT zusammen, weil er in Wirklichkeit SPOILER ist. Und somit ist die erste SPOILER nur eine SPOILER, um am Ende SPOILERS SPOILER zu retten.
„Willkommen in der Rakete zum Mond. Welcher übrigens nur deshalb die Erde umkreist, damit sie mir heute auf seiner Rückseite die CD übergeben können!“ – „Aber ich habe keine CD!“ – „Natürlich nicht. Auf dem USB-Stick, der heute per Post kam, stand ja auch, dass sie sie vergessen würden.“ – Daten auf Raten: Komplexität ist ja ganz schön, aber nur solange der Drehbuchautor damit nicht seine Komplexe behandelt!
Fazit: Es fehlt zwar derbe das Mitfühlen mit… irgendwem, aber in Zeiten, wo der „Da Vinci Code“ schon zu den komplizierten Filmen zählt, hat dieser unhübsch aussehende Film durchaus eine Daseinsberechtigung. Quasi „Inception“ ohne Träume, dafür aber auch fast ohne Action.
Wobei sich die Intelligenz des Scripts schon wieder dadurch relativiert, dass irgendwelche Firmenangestellte irgendwelche CDs(!) über ganz Amerika spazierenfliegen und vorher extra ein neues Leben(!) dafür erhalten. Man hat das Gefühl, dass es hier stellenweise nur um einen Plotdevice-Tauschring geht. Aber das SOLL sicher nur so sein (Kuuuunst!), genauso wie unsere mittelprächtige Note hierfür… (küüüünstlich!)
(Mit einem mutigeren Regisseur und besseren Darstellern wären locker 5-6 drin gewesen!)
ein mässiges Werk von Vincenzo Natali, wenn man es mit seinen CUBE- filmen vergleicht. dennoch sehenswert
„cube“-filmEN? natali hat doch nur den ersten „cube“ gemacht. und so dolle war der nun auch nicht, aber immerhin recht kurzweilig.
Tach auch !
The Cube ist Kult !
Die Sequels waren in aufsteigender reihenfolge in der Qualy absteigend.
Gruss BergH
P.S.
Bei der Note lohnt es sich wohhl eher nicht Cypher zu schauen, oder ?