Star Trek Voyager – 7.23 – „Eine Heimstätte“ („Homestead“) Review
Nach dem einer der beliebtesten Charaktere staffelweise am schmierigen Herd gestanden hat, putzt er nun endlich die Platte… Kaum eine ST-Figur mußte sich bislang mit derartig tiefsitzenden Problemen herumschlagen wie Neelix in den letzten 7 Staffeln von Voyager. Und das nicht nur, weil sein Stuhl zu niedrig war!
Nein, die Zerrissenheit der Figur nahm mit der Zeit in einem Orkan der Dramatik unbarmherzig zu! Weder auf herzschwache noch minderjährige Zuschauer wurde seitens der Autoren Rücksicht genommen!
War Neelix als Chefkoch noch damit beschäftigt, in der Kantine Quantensalat und Fußmassagen zu verteilen, sah die Sache im Diplomatenstatus schon ganz anders aus: Plötzlich war ER es, der von pappgesichtigen Oetkeranern bewirtet wurde. – Mit diesen grundlegenden Gegensätzen schafften es die Autoren, einen zerrissenen und desillusionierten Charakter zu schaffen, der meinesgleichen suchte. Hin- und hergerissen zwischen Gastronomie und Gastritis wäre die Figur mehrere Male fast (z)erbrochen…
Unvergessen auch sein 3. Job, der Neelix letztendlich alles abverlangte: Ob die Crew nun über Frisurprobleme oder Minderwertigkeitskomplexe klagte: Der Moraloffizier legte stets seine fleckige Hand auf den Verzagenden und machte so ohne Worte deutlich: „Sieh her! Es hätte dich auch schlimmer treffen können! Du könntest so sein wie ich! – Noch kryyptschnapfle Natxkrapfen mit Soße?“
Spock, Data, Seven-of-Nine, Holodoc… Neelix. – Die Liste der beliebten Identitätswracks findet mit dem sympathischen Soßenbinder erst heute ihren Krönenden Abschluss.
Nun ist er also fort… In einer selten dramatischen Folge wurde er aus unserem Herzen gerissen und wir verzweifelt zurückgelassen. Andächtig schnitzen wir nun Backenbärte in Brühwürfel und lassen die Abschiedsfolge noch einmal Revue passieren:
Das stakkatohafte Bombardement an Überraschungen fand seine Krönung bereits zu Beginn: Verletzt liegt Neelix in einem Bett, gerade erwachte er schweißgebadet aus einem grausamen Alptraum: Seine kochende Suppe war versalzen gewesen und hatte ihn zu Tode bespritzt! Doch da taucht die Krankenschwester am Bettrand auf. – Diese Stelle führt den Zuschauer bereits lehrbuchmäßig in die Irre! Denn sofort glauben wir zu wissen: „Im Laufe der Folge wird sich eine erbitterte Feindschaft zwischen den beiden erspinnen und in einen gigantischen Zweikampf-Showdown münden!“
Umso überraschter sind wir, als sich beide Figuren plötzlich küssen! Wer hätte damit gerechnet? Wie machen die das immer nur? „Sixth Sense“, „Fight Club“, „Voyager: Eine Heimstätte“. – Der Reigen der grandiosen cineastischen Auflösungen wurde endlich komplettiert…
Dicht dahinter auf der Skala der mitreißenden Szenen folgte eine Sequenz, für die „Braveheart“ liebevoll Pate gestanden hat. Um das Original zu übertreffen, feilte man lange Zeit an dem Neelix-Monolog, der die Zuhörer zum Widerstand mobilisieren sollte:
Statisten (stehen schlabberbeinig und blödglotzig in der Kulisse herum): *Schweig*
Neelix: „Das hier ist eure Dings… Na, die Bums! – Heimat mein‘ ich!“
Statisten (wenden sich wie auf Kommando zueinander und diskutieren brummelnd): *Brummelbrummel, diskutier, scharf nachdenk*
Neelix: „Wir sollten uns irgendwie verteidigen! Oder so ähnlich!“
Schnitt! Die zornigen Statisten schleppen Atomraketen und Bottiche mit heißem Teer durch die rauchigen Gänge…
Aber auch die Bergbaualiens bestechen durch die ST-typische Tiefgründigkeit und der vielseitigen Charakterzeichnung: Bereits deren Stirn weist darauf hin, daß wir es hier mit gnadenlosen Tic-Tac-Toe-Spielern zu tun haben, die keine Skrupel kennen, ihr strategisches Wissen auch anzuwenden!
Jedem von euch, dessen Haus schon einmal zugunsten eines Fusionskraftwerks plattgemacht werden mußte, wird die verzweifelte Lage der Talaxianer nachvollziehen können!
Auch die Rettung des geschundenen Volkes läßt wieder mal keine Wünsche offen: Wie wir alle wissen, sind Schutzschilde für die Ewigkeit gebaut und nicht etwa durch ausdauernden Beschuss zu knacken. – Die Sprengmeister werden daher demnächst achselzuckend aufgeben und höchstes noch als Zeitschriftenverkäufer an die Schutzbarriere klopfen…
Grandios auch wieder die beliebten Kinder-Sequenzen: Klein-Talaxianer (nennen wir ihn der Einfachheit halber „Neelix‘ Sohn“) ist so ein tapferer Junge, daß es einem beim Zuschauen förmlich die Fußnägel auszieht! Und clever ist er auch noch!
„Wer bist duuu-huuu?“
„Was ist daaa-haaas?“
„Darf ich das mal seee-heeen?“
„Ich hab dich ganz, ganz, GANZ, gaaanz, ga-hanz, g-a-n-z, gaaaaanz doll lieb!“
In Momenten wie diesen möchte man wie der Beilagentext der Ü-Eier klingen:
„Warpkern nicht für Kinder unter 3 Jahren geeignet, da Kleinteile verschluckt werden können!“
Natürlich ist es extrem gewieft, Neelix stets zum Freund aller Kinder zu machen. Nichts läßt einem mehr als netten, väterlichen Kerl dastehen, als die Tatsache, einem nervtötenden Serienbalg nicht die Fresse poliert zu haben…
Sehr an’s Herz ging auch die Naomi-Sequenz gegen Ende, die Neelix mit einem Schlag verdeutlichte, daß er plötzlich wieder die einzige debile Persönlichkeit an Bord der Voyager ist…
„Magst du eine Geschichte hören?“
„Du erzählst mir doch schon seit Jahren keine Geschichten mehr!“
Man sah direkt, wie sich Neelix vor die Stirn schlagen wollte. Aaach jaaa! Stimmt! Hatte er ja gar nicht bemerkt! War das schon so lange her? – Mensch, Kinder werden ja so schnell erwachsen. Warum war ihm das damals nur nicht passiert?
Niedlich auch: Tuvok und Janeway überhäufen Neelix mit Lob und Anerkennung. Botschafter, Freiheitskämpfer, oberster Kantinenpächter von Starfleet, Führer, Sexobjekt, Vaterfigur und Profinervbolzen…
Schon gut, wir haben es verstanden: Neelix war geil, Neelix hatte in der Serie seine Berichtigung, ohne Neelix lief nichts, Neelix hat das Kind immer geschaukelt… Und manchmal, ja manchmal… – sogar umgekehrt.
Note: 4-
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