„The Walking Dead“ – „Tod-ales“ Review der ersten Staffel
Eine sechsteilige Serie(nstaffel) über Zombies, die auf einer Comicserie basiert, welche wiederum auf uralten Zombiefilmen basiert, welche…? – Hier verlässt mich mein Allgemeinwissen. Aber interessant ist das Experiment des Kabelsenders AMC durchaus. Erfolgreich darf man den Verwestenfuhrpark ebenfalls bereits bezeichnen. Doch ist die miefige Serie gut genug, um das Herz der frühlingsfrisch duftenden Zukunftia-Redaktion zu erobern? Sparkiller und ich setzten uns mit einer Tüte abgehackter Zehnägel vor den Fernseher, um diese Frage zu klären…
Inhalt: Ein Polizist erwacht nach einer Schießerei in einem Krankenhaus und muss erkennen, dass Zombies die Welt übernommen haben (geht als „Koma-Kunstgriff“ garantiert in die Geschichte der Unsubtilität ein). Er sucht seine Familie, findet Untote und eine Gruppe, der er sich anschließt, um zu überleben. Doch auch außerhalb der Städte ist man nicht lange sicher…
Wertung:
Was mir besonders gut ge- und zerfiel: Die Serie macht nicht k(r)ampfhaft auf lichtabstinent. Statt alle paar Minuten die Sonne mit dem Snipergewehr auszuknippsen, in der Hoffnung, die Spannung würde mit der eintretenden Dunkelheit auch im Hippocampus des Zuschauers eintreten, gibt es meist NORMALE Beleuchtung. Und ich fand’s tatsächlich viel gruseliger, einen halben Zombie durch den illuminierten Stadtpark robben zu sehen, statt das Gruselmonster vor einer Antiphotonentapete zu filmen. Auch die übertriebenen Wackelkameraschübe überließ man den befreundeten Zombies von SGU.
„The Walking Dead“ wirkt auf diese Weise selten gekünstelt und somit kunstvoller. Sieht man davon ab, dass Tote eher selten anhaltende Spaziergänge zu unternehmen pflegen (FDP-Mitglieder sind die Ausnahme von der Regel), kann man sich wunderbar mit dem Grusel-Gewusel infizier… äh… identifizieren. Auch die Maske trägt viel dazu bei: Statt ein paar Statisten Dreck und rote Farbe aufs Kinn zu reiben, gibt es Prothesen, Maskeneffekte und Plastikgedöns, bis der Grabstein darüber schon ganz schief steht. Bei manchen Gerippen fragte ich mich sogar tatsächlich, ob man WIRKLICH ein paar verweste Schauspieler engagiert hat. Bei dem Actor-Überschuss in Hollywood würde es mich nicht mal wundern.
„Ist das der Spinner, der letzten Winter vor Eurem Haus ausgerutscht und dann einfach sitzen geblieben ist? Ich geh mal hin und frage, ob er was braucht…“ – Stell Dir vor, es ist Tod und keiner geht hin: Es deutet vieles darauf hin, dass das „Postmortale Aktivitätssyndrom“ von einer Art Virus hervorgerufen wird. Wer dazu näheres wissen möchte, der kaufe sich bitte JETZT alle Spiele der „Resident Evil“-Reihe.
Die Effekte sind genau so eklig, wie sein sein müssen, nicht mehr und nicht weniger. Gedärm wird hier aufgewickelt wie Spaghetti auf die Gabel, zerplatzte Köppe erhöhen die Rutschgefahr (Räumpflicht bis 20 Uhr, liebe Hausbesitzer!) und viele Gliedmaßen haben ihre restliche Organfamilie bereits weit hinter sich gelassen. Dennoch: Obwohl diese Dinge sekundenlang gezeigt werden, wird es nie zu viel. Wobei das natürlich Ansichtssache ist und die Zartbesaiteten schon den Pilotfilm nicht ohne Chipsstücke in der Luftröhre überstehen werden. Gore-Freunde werden sich aber wohl eher hinter dem Regal mit der Blutwurst zurückziehen: Wäre „Walking Dead“ ein Porno und die Blutszenen wären der Sex, dann würde jeder Erotikfreund nach zwei Minuten Spulen unbefriedigt die Gleitcreme an die Wand werfen.
Weniger überzeugend sind leider die Soapelemente: Die netten Überlebenden halten meist zusammen, mental ab und zu dadurch stabilisiert, dass man den Unsympathen die Fresse polieren kann, ohne den Zuschauer gegen sich aufzubringen. Das erinnert entfernt an SGU: „Ich hau dir in die Fresse! Im Affekt! 173 Mal!“ – „Lass ihn los, ich kann sein Gesicht schon nicht mehr von einem roten Schlammloch unterscheiden!“ – „Puh. Okay. Geht wieder. Aber eins will ich dir sagen: Get the fuck off! Not with me, Freundchen! I will put your ass into your cock and beat your nose into your balls! (*noch 20x draufdresch*)“
Okaaay, es sind alle ganz angespannt, was man durchaus verstehen kann, wenn die eigene Familie „Grooooah“-rufend den Highway hinuntertorkelt, um überfahrene Igel auszulutschen. Sympathie- und Tiefsinnpreise gewinnt man mit kernigen Klopperkumpeln aber nicht. Wobei das Szenario natürlich auch nicht mehr hergibt, als sich gegenseitig auf den verwesten Sack zu gehen. Ob man sich nun in der Stadt, dem Wald oder der Pampa dazwischen versteckt: Stets geht es um das nächste Wasserloch (versorgungs- und mit-Frauen-schlaf-technisch), darum, endlich mal „calm down“ zu sein, die Füße still zu halten, nicht aufzufallen oder die Gemeinschaft nicht mit doofen Bemerkungen zu gefährden. Also so wie Familienbesuche bei Oma, nur halt mit mehr (äh, oder auch GENAU so vielen) anwesenden Zombies.
„Okay, es ist gefährlich, aber wir haben keine andere Wahl: Wer geht mit mir noch mal in die Stadt, um Grillkohle und diesen leckeren Curryketchup zu besorgen?“ – Lieber Weißbrote als tote Weiße: Am Rastplatz geht es oft gemächlich zu, sonst hieße er ja auch „Raschplatz“, haha. Die Frage, ob man sich die einzelnen Folgen auch ein ZWEITES Mal ansehen würde, kann ich nicht sicher beantworten, aaaaber ich werde auf dem Campingplatz jemanden verprügeln, der es weiß!
Angenehm auch, dass kleine Details und Fehler spürbare Auswirkungen haben, wie es bei modernen Serie a la „Dexter“ oder „Breaking Bad“ üblich ist. Dumm verschaukelt ist nur der Gang der Untoten, der Zuschauer wird es eher selten. Und immer, wenn man das Gefühl hat, sich mit Nebenkriegsschauplätzen aufzuhalten (bei denen der beste Freund auch schon mal Lust hat, einem im Wald zu erschießen), passiert dann doch noch etwas Interessantes. Schön fand ich beispielsweise die Idee, dass (SPOILER!) die brutale Ausländer-Jugendgang nur ein verlassenes Altersheim beschützt hat. Sarrazin, liest Du auch schön mit?!
Wobei die Drama- und Soapelemente wirklich noch etwas mehr Fleisch (sabber) an den Knochen brauchen, wollen sie nicht als SGU für Arm… Mittelständler durchgehen. Natürlich ist das alles nur als Parabel gemeint, als Test der Menschlichkeit der Hauptfiguren, die über furchtbare Dinge entscheiden müssen. – Doch im Moment ist das alles noch Genrestandard, inklusive Rumheulen, wenn jemand von der Gruppe infiziert wurde. Oder jemand unter dem Druck des zusammengebrochenen Rentensystems durchdreht und kleine Skulpturen aus Rindenmulch bastelt. Bitte an dieser Stelle auch das übliche „Begraben-oder-Verbrennen-wer-macht-die-Drecksjobs-wer-hat-Schuld-wer-ist-Anführer“-Gesülze dazudenken. Und 2 bis 4 Gruppenmitglieder, die nur rumstressen und „Gruppendynamische Prozesse“ für eine Reihe von Gerichtsterminen halten.
Etwas enttäuscht war ich auch von der eher klischeehaften letzten (6.) Staffelfolge: Da gab es ein Seuchenzentrum mit einem einzelnen Wissenschaftler, der nichts weiß, nichts erklärt, nicht sympathisch ist und am Ende (SPOILER!) zur TNT-unterstützten Sterbehilfe schreiten möchte. Dafür hat der aber einen recht intelligenten, sprechenden Computer, der die menschliche Sprache versteht. – Was dem Realismus der Serie ein wenig abträglich ist.
„Hey, die haben hier Sandsäcke im Sonderangebot! Na, Liebling, von wegen, `Am Wochenende kann man in der Stadt vor lauter Menschen ja nirgends hintreten!`“ – Sieht aus wie auf dem Schlaff-Feld: Noch liegen sich die Zombies die Bäuche sehnig, doch gleich geht der unziemliche Zauber los. Gut, dass die Überlebenengruppe (mit Betonung auf „Gruppe“) groß genug ist, um den ersten Teil ihrer Bezeichnung teilweise aberkannt zu bekommen…
Fazit: Fast seriös wirkende Horrorserie, bei der nicht mit Aufwand, leeren Straßen (= Aufwand!) und notwendigem Soapgesaller (quasi als Soße zum Strecken) gespart wurde. Das funktioniert recht gut und hat noch viel Potenzial, Punkt! Zum Abschluss daher nur noch ein kleiner Untotenwitz, den ich mir SELBER ausgedacht habe: Was isst ein Zombie an Weihnachten? – Naaa? Nun, einen Todkuchen! Statt Lebkuchen, versteht ihr? Hahahaha, ich beiß mich weg…
Dabei müßten all die Film- und Serienvorgänger rund um die wandelnden Menschenfleisch-Fetischisten doch eigentlich ausreichen, um sich schon früh ein Bild machen zu können. Und bei den „Walking Dead“ haben wir es immerhin mit dem Klassiker-Model zu tun: Geistig eher langsam, stark miefend, optisch etwas abgenutzt und mit einem arg beschränkten Wortschatz ausgestattet. (Ach, DIE gucken bestimmt die ganzen RTL-Soaps!)
Warum im Kopp von denen plötzlich Zapfenstreich war, erfahren wir am Anfang leider nicht. Unser Held macht einfach einen auf „28 Days later“ und wacht unwissend im Krankenhaus auf. Bekanntes Stilmittel, aber trotzdem nicht verkehrt. Irgendeiner MUSS schließlich die ganzen doofen Fragen für uns stellen. („Warum haben Sie so einen seelenlosen Gesichtsausdruck? Was soll das Geknurre? Nein, ich möchte NICHT mit Ihnen über Gott sprechen!“)
Und dabei sind diese sabbernden Schabracken eigentlich nur unschmuckes Beiwerk für die vielen Konflikte, welche wohl auch später noch auf uns zukommen werden. Hier geht es nämlich vor allem um den Zusammenhalt von Familien. Und das Erschaffen von NEUEN, wenn Mitglieder der Sippe bereits angeknabbert wurden.
Zu den Charakteren kann ich noch nicht viel sagen. Polizist Rick guckt meistens etwas verkrampft durch die Gegend. Wohl zu Recht, muss man aber zu seiner Verteidigung sagen. Humor macht sich eher in wenigen trockenen Sprüchen bemerkbar, aber stellt wohl auch das ernste Thema ein Hindernis dar. „Schön unschön“ geworden sind dafür die Masken der wankenden Toten, wo auch schonmal ein paar Körperteile lustlos im Wind wanken.
Fazit: Wer eine gesunde Endzeitstimmung sowie die dazugehörigen Untoten und Depri-Lebendigen mag, der kann ruhig einmal reinschauen. Noch nicht ganz überzeugt war ich vom „Sympathie-Faktor“ und Schauspiel der Hauptfiguren, aber DAS kann sich ja wirklich noch ändern. Daher von mir einmal ein eindeutiges „Hmmm… najaaaaa… mal sehen?“ und die dazu passende 3 pluuuuuussss… grööörrrgggll…
Hat zwar nix mit dem Artikel zu tun, aber ich sag es jetzt trotzdem damit es jeder mitkriegt. 8 Monate des Wartens sind endlich vorbei. Mr. Plinkett hat seine Review zu Episode 3 gepostet.
Check it out:
http://www.redlettermedia.com
Artikel Relevanz hin oder her, danke für die gute Nachricht.
Verdammt, was soll denn dieser Lärm da draussen??? Ist heute irgendwas los? Gott, ich will hier in Ruhe meine Web Videos sehen, blödes Hippie Pack…
>Verdammt, was soll denn dieser Lärm da draussen??? Ist heute irgendwas los? Gott, ich will hier in Ruhe meine Web Videos sehen, blödes Hippie Pack…
Waren wahrscheinlich nur wieder irgendwelche Terroristen. Hört man ja ständig davon. Heute scheint aber alles wieder unter Kontrolle zu sein. Könnte mich dann irgendwann vielleicht sogar mal wieder vor die Tür wagen.
Aber cooles E3-Review!
eine meiner lieblingsserien des in wenigen stunden verblichenen jahres 2010. klar, es gibt an einigen stellen ein bisschen nachbesserungsbedarf, aber dafür haben die „walking dead“-macher jetzt auch noch fast ein ganzes jahr zeit. neue episoden soll’s nämlich wahrscheinlich erst im herbst 2011 geben – falls wir bis dahin nicht von der zombiekalypse überschlurft wurden. ;-)
Ich gebe der Serie eine 4+.
Sie fing eigentlich gut an, bis gleich am Ende die unmögliche Massenzombiejagd auf den „Helden“ losging. Natürlich überlebt er das durch gefühlte 20 Megazufälle (einschl. unteres Loch im Panzer nebenan).
Danach entwickelte sie sich gut und es gab überraschende Einfälle (Jugendliche – Krankenhaus).
Die letzte Folge wie von Klappo beschrieben leider etwas schwach. Kein Fisch und keine Fleisch.
Unbedingt zu erwähnen – dümmste Szene: Frau hält einem erwachenden Zombie ihr Ohr 1 cm über den röchelnden Rachen um zu schauen ob da nun was passiert oder nicht. WTF!!!!! Soviel Dummheit hätte mit einem Tyson-Biss unbedingt bestraft gehört.