Star Trek Voyager – 7.16 – „Die Arbeiterschaft I“ („Workforce I“) Review
„Arbeiterschaft“ – Auf Anhieb klingt dieses Wort wie die inoffizielle Fernsehverfilmung von „Das Kapital“. Der linksgerichtete Offenbarungseid der Voyager-Politik dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Auch, wenn man letztendlich eher an „Erkan & Stefan im Weltraum“ denken muss…
Wieder einmal bedienen sich die Autoren in dieser Folge eines altbekannten Mechanismus: „Nichts ist unmöglich – Voyager“. Ähnlich wie in der schwachsinnigen Doppelfolge „Killing Game“ versucht man auch hier, die Crew in eine an den Haaren herbeigezogenen Kulisse zu stecken, um eine langweilige Story wenigstens mit einem deppensicheren Verfremdungs-Element aufzupeppen. – Als ich sah, in welchen Funktionen die Crew hier herumstolzierte, warf ich mich instinktsicher unter den Wohnzimmertisch. Zu Recht: Nur knapp verfehlte mich der Holzhammer, holte dann aber mit Tuvoks penetranter Lache erneut aus und traf voll auf meine biologische Lebenserhaltung. Ist das subtil? Ist das erwachsen? Nein, das ist Kinderka… ffee!
Und Seven wird natürlich die „Effizienz-Überwacherin“, was auch sonst? Wieder mal Einfälle aus der Bastelstube für halbseitig Kreativitätsgelähmte. Einfach vorhandene Charaktermerkmale verstärken oder komplett umstülpen, schon haben wir wieder staunende Kinderaugen, die sich am heimischen Fernseher groß auf dem blankgeputzten Bildschirm wiederspiegeln. Tiefe und Anspruch werden bei Voyager regelmäßig zusammen mit einigen Warpwürstchen im Lokus heruntergespült.
In der Sparte „das interessiert mich ja dann mal überhaupt nicht“ konnte mich dann auch Tom&B’ellana’s erneutes Kennenlernen völlig begeistern! Selten so gelangweilt!
„Komische Videofilter? Übertriebener Weichzeichner? Verdammt, dabei HASSE ich doch Rückblenden!“ – Nostallergie. Tuvok wurde während der Arbeit von einem außerirdischen Rentner gebissen. Seitdem lebt er vorwiegend in der Vergangenheit, nervt die Crew mit alten Geschichten aus dem Romulanerkrieg und behauptet felsenfest, dass die Holodeck-Programme von früher einfach viel besser waren.
Noch schlimmer war der graumelierte Schauspieler, der sich an Janeway zu schaffen machte. Schon in den ersten Sekunden wusste ich, dass dies der Fick-Prinz für Cathy werden wird. Mit einem freundlichen Lächeln und charmanten Onkel-Augen sieht er genau so aus, wie alternde Frauen sich einen richtig alten Mann gerne vorstellen. Das klischeehafte „Essen-gehen“ und die extrem zurückhaltend angedeutete Liebesbeziehung, bestehend aus Einwickeln in eingefeuchteten Mummeldecken und öder 08/15-Gesprächssülze auf dem F(l)adenbrot der Handlung, war kaum noch zu unterbieten. – Liebe aus der Plastiktüte: Schütteln, fein auf dem Nährboden der Fernsehunterhaltung ausstreuen und gegen Ende der Doppelfolge verbrennen, platttrampeln und die Reste per Eilpost nach Mesopotamien verschicken. Daher auch vollkommen ohne Belang und Interesse.
Und kann sich irgendeiner vorstellen, dass Chakotay oder Janeway den Part zugesprochen bekommen würden, den jammernden Magenkranken zu spielen? Haha, wieder einmal ein typischer Kim-Dialog: „Böörks… Ich hätte den Dreck wohl doch nicht essen sollen (Blubber)!“ – Hahaha! Grandios! Fun-tastisch! Deutlicher kann man dem Zuschauer nicht verklickern, dass man nicht die Spur einer Ahnung hat, wofür genau die Kim-Figur eigentlich taugt. W(Schl)itz komm raus, du bist umzingelt! Wäre der Schauspieler in deutschen „Komödien“ zu sehen, er würde wohl regelmäßig kopfüber in Sangriaeimern strampeln und in „Erkan & Stefan“ derjenige sein, der Ende 20 noch in seine ehemalige Französisch-Lehrerin verliebt ist.
Bezeichnend auch die Stelle, in der Chakotay lapidar anmerkt: „Klären sie das unter sich!“ und der unterforderte Serien-Hanswurst mit dem Doktor aneinandergerät. Im Klartext: Chakotay ist es völlig egal, wer das Schiff führt und wenn Neelix nicht noch einen afghanischen Wurzelpudding in der Pfanne gehabt hätte, er wäre wohl ebenfalls auf der Stelle mit dieser Aufgabe betraut worden.
Apropos Neelix:
Hat man schon einmal jemals eine Dialogzeile von ihm gehört, die nichts mit Essen zu tun hat? – egal, wie schlimm die Situation auch steht, die Running-Gag-begeisterten Autoren schaffen es selbst im allerschrecklichsten photonischen Glühwurmsturm noch, Neelix für den Schutz der kulinarische Integrität abzustellen.
Captain: „Triebwerke einholen! Komische Strahlen straußförmig aneinderbinden!“
(Eine Kaffekanne taucht zwischen Chakotay und Janeway auf) „Käffchen? Milch? Zucker? Mönchestanische Gebetsnelken dazu?“
Nun gut: Immerhin spielt er in dieser Story eine völlig uninteressante Nebenrolle…
„Wow! Diese Folge ist bereits von 2001 und hat trotzdem so tolle Panorama-Effekte! Wie werden da erst die Sci-Fi-Serien von 2010 aussehen?!“ – „Kann ich Dir gerne anhand von Stargate Universe zeigen!“ *licht ausknipps* – Antike Serien wie diese verliessen sich noch auf simple Augenwischerei mittels… äh… aufwändiger Wandgemälde. Wie schön, dass es heutzutage mittlerweile „um die Charaktere geht“ und man zudem die Glühbirne ENTfunden hat!
Übrigens: Irre ich mich, oder ist es völliger Schwachsinn, aus der Voyager, die besonders schief im Nebel herumbaumelt, mehrere Dutzend Planetensysteme zu scannen und auf der Trefferliste nach bolerianischen oder menschlichen Lebenszeichen zu suchen? Über Lichtjahre?? Ich stelle mir gerade vor, wie ich unablässig eine Daniel-typische Signatur ins All hinausstrahle, bestehend aus Mundgeruch, Schweißsocken und Nivea-Aftershave. Diese Monstrositäten-Technik ist nicht mehr nur hochgradig krank, sondern liegt bereits im Sterben!
Und warum bitte schießt der Doktor durch das recht große, angreifende Schiff wie ein heißes Messer durch talaxianische Bartbutter? Ja klar, das ist die typische und überraschende Voy-Taktik, mit denen seit 7 Staffeln alle fiesen Gegner abwechselnd verblüfft, verwirrt und letztendlich gesprengt werden. Inkompetenz hat einen Namen: Raumschiffkommandeure von technisch unterlegenen Alien-Kähnen. Sie lernen es einfach nicht: Klodeckel und Traktorstrahlschutz regelmäßig `runterklappen, wenn gemordet und geplündert werden soll, Herrgott noch mal! Und immer wieder lasst ihr euch durch einen einzigen Schuß den Antrieb oder die Waffensysteme in Schmelzkäse verwandeln, statt das Spielchen einfach mal zu beginnen… – Wenn Phaserschüsse weh tun würden, würdet ihr den ganzen Tag schreien!
„Öh. Erwähnte ich eigentlich, dass bereits ein Stück von diesem außerirdischen Cremekuchen tierisch auf die Hüften geht?“ – „Was für ein Kuchen? Laufstegmodels auf dieser Welt müssen so aussehen, weswegen ich mir auch regelmässig die Finger von anderen Leuten in den Hals stecke. Die schmecken übrigens gar nicht übel!“ – Bauchfrei. Die Darstellerin von B’Elanna will es ihren Star Trek-Kollegen nachmachen. Sogar die Perücke ist aus dem selben Geschäft wie die vom Shatner!
Die Grundidee schwangt ungefähr zur Hälfte über dem Abgrund der Unglaubwürdigkeit. Eiskalte Kapitalisten, die vor einem Berg nicht näher zu definierender Arbeit stehen (wir wissen eigentlich nur, dass es sich um blaue Borg-Blitze-mach-Dinger-in-Konsolen und obskuren Kraftwerke dreht), verbiegen problemlos die grauen Zellen von Menschen, Vulkaniern und Borg in die gewünschte Richtung. Etwas holprig wirkt da nur das überschnelle Verlassen des Schiffes aufgrund akutem Strahlenbesch(l)uss und einem ekligen Pockenpickel an Janeways Backe. Wie bereits zerstörte DNA-Stränge durch nachträgliche Impfungen wieder gesellschaftstauglich zurechtgespritzt werden, war sowieso schon immer eine geheimnisumwitterte Prozedur in Star Trek. Ich persönlich würde die Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchungen an Cathys Stelle in der nächsten Zeit ja nicht allzu oft schlüren lassen…
Alles etwas doof und unspektakulär.
Pluspunkte waren diesmal die etwas schöneren Kulissen und 2 -3 Doktorszenen.
An dieser Stelle darf Brannon Braga noch einmal zitiert werden: „Die Probleme der Vergangenheit waren normalerweise mangel hafte Charakter-Dynamik, wertlose Geschichten, käsige Ausserirdische (…)Als Autor kann ich nur sagen, ich hätte wohl keine weitere Zeile für ‚Voyager‘ mehr schreiben können.“
Das kann man wohl beruhigt auf die gesamte Autoren-Crew ausdehnen!
Note: 4+
Mit „Die Arbeiterschaft, Teil 1“ lag der Redaktion eine echte Perle der siebten Staffel zur Bewertung vor, die mit Fug und Recht zu einer der besten Episoden der gesamten Serie gezählt werden darf.
Schon die Eröffnungsszene hat mich in ihren Bann geschlagen. Die aufwendige Computeranimation einer Stadt, liebevoll bis ins letzte Detail gerendert, mit vielen beweglichen Objekten angereichert, an deren CGI-technischer Spitze eine Art Alien-ICE stand, der sanft über eine Brücke gleitete. Wunderschön anzusehen.
– Schnitt –
Erstmals in sieben Jahren kommt mir das Wort „sexy“ in den Sinn, als ich Captain Janeway erblicke. Mit blauem Body und wilder Schüttelmähne durch das Bild schreitend, wirkt sie ungefähr um Faktor 3,7 weiblicher und jünger als mit Muttifrisur im Sternenflotten-Standardstrampler. Warum nicht öfters so? Ein wenig mehr Sex und Coolness, ein bißchen weniger Mütterlichkeit hätten der Serie zu einem kultigeren Captain und besseren Quoten verholfen. Das habe ich schon über „Ripley“-Janeway in „Makrokosmos“ (3.Staffel) gesagt. Warum besann man sich so selten darauf, daß Janeway unter Rollenkragenpulli und Dorffriseur-Haarschnitt noch eine Frau war? Statt dessen wurde das Auge allfreitäglich von einer wandelnden Menstruationsbeschwerde beleidigt.
Sexy-Janeway betritt einen computeranimierten Fahrstuhl – klasse Effekt! – der sie mit rasender Geschwindigkeit abwärts trägt.
Wow! Diese Kulissen sind neu! Diese Kulissen sind aufwendig! Und diese Kulissen sehen nicht aus, als seien sie wie üblich im Paramount Heizungskeller gedreht.
Offenbar wurde hier deutlich mehr Aufwand betrieben, als bei den sonst so drögen Alien-Standard-Städten, die selbst von den hartnäckigsten Hornhautverkrümmungen noch locker als schlechte „Paint 6.0“-Plagiate entlarvt werden.
Ein weiteres Novum bei Voyager: bis zur 12. Minute hatte ich keine Ahnung, worum es in der Story eigentlich ging. Es hatte nahezu TNG-Qualität, die Spannung solange aufrecht zu erhalten. O.K. – wir wollen nicht blasphemisch werden: TNG vermag die Spannung die ganze Folge lang zu halten – und auch in der 8. Wiederholung kann eine TNG-Folge noch spannend sein.
Doch im Vergleich mit durchschnittlichen Voyager-Episoden, die ihren pickelgesichtigen Fans zumeist schon in den ersten Sekunden die Pointe verraten, war es geradezu grandios, den Zuschauer fast eine viertel Stunde lang im Unklaren über den Hintergrund der Story zu lassen.
Großartig dieses mal sogar die Besetzung: während TNG fast in jeder Folge von Gaststars aus Hollywood belästigt wurde, mußte Voyager bisher notgedrungen stets auf arbeitslose Laienschauspieler zurückgreifen, weil sich kein renomierter Darsteller seine Referenzen durch einen Auftritt im Deltaquadranten versauen wollte.
Doch endlich ein bekanntes Gesicht! In der Rolle des Janeway-Stechers erkannten die Älteren unter uns Zuschauern sogleich James „George Hazard“ Read, der 1985 in der legendären TV-Saga „Fackeln im Sturm“ den Bruder von Stanley Hazard alias Jonathan Frakes alias William T. Riker, spielte – übrigens verheiratet mit der bezaubernden Wendy Kilbourne, die seinerzeit George Hazard’s Ehefrau verkörperte und die er bei den Dreharbeiten kennen und lieben lernte. James Read – nicht Jonathan Frakes. Jener verliebte sich bei eben jenen Dreharbeiten in Genie Francis, die in „Fackeln im Sturm“ übrigens Stanley’s Stiefschwester Brett spielte. Jener James Read durfte also nicht nur dereinst den Bruder von Commander Riker mimen und Wendy Kilbourne poppen, sondern Jahre später gleiches mit Janeway tun. Lucky Boy!
Absatz 12 war scheiße. Ich hab‘ ihn gelöscht. Statt dessen merken wir uns: frisches Mett möglichst noch am selben Tag verzehren oder scharf anbraten.
Die B-Handlung war gleichfalls schlüssig konzipiert. Der Doktor in roter Kommando-Uniform, sich verzweifelt an der Notreparatur der Voyager versuchend, war eine überraschende Abwechslung – gleiches gilt für seine arroganten Persönlichkeitssubroutinen, die durch die neue Uniform noch um einige Gigabyte angewachsen zu sein scheinen. Warum ist in sieben Jahren noch niemand auf die Idee gekommen, dem Mann eine charmante Persönlichkeit zu programmieren? Weil dann die beschissenen Voyager-Quoten noch weiter in den Keller gesunken wären? Wir wollen uns ja nicht beklagen. Nörgel-Doc war eine der wenigen Freuden, die wir an Voyager hatten.
Ohne auf Action zu verzichten, wirkte diese Episode weit weniger sinnlos gewalttätig, als die durchschnittlichen Voyager-Schlachtfeste. Ausnahmsweise stimmte die Mischung aus Verletzbarkeit und angemessener Gegenwehr, die wir bei Voyager so häufig vermißten. Zeichnete sich die Serie doch stets dadurch aus, daß sich die Crew zunächst wie Gymnasiasten von jedem Deppen überrumpeln ließen, um anschließend eine technisch hochüberlegende Alienflotte mit zwei Schüssen in die ewigen Warpgründe zu ballern.
Durchaus spannend, da in ebenfalls aufwendiger Kulisse ansprechend inszeniert – die abschließende Verfolgungsjagd, die Chakotay für den Cliffhanger in eine Sackgasse führte. Sollte es VOY ausnahmsweise gelingen, Spannung und Schlüssigkeit in die Fortsetzung zu tragen, wäre der Serie nach langer Zeit wieder ein Kabinettstückchen gelungen.
Note: 1
(Total lustige Bild-Untertitel vom Sparkiller.)
Und das Review zum 2. Teil folgt dann wohl in einem Jahr?