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„Alice im Wunderland“ – Das wundersamste Review des Landes

„Alice im Wunderland“ – Das wundersamste Review des Landes

Auf Platz 1 in den Kinocharts ist noch immer „Alice im Wunderland“. Ein 250-Mio.-Dollar-Film über ein 19-Jähriges Mädchen, welches lustige Tiere sieht und am Ende von einem übergroßen Frauenkopf zusammengestaucht wird. Also eine ganz normale LSD-Disco-Nacht mit anschließender „Begrüßung“ daheim. Somit trifft des neue Werk von Onkel Burton einen Nerv der Zeit und lässt sich daher auch nicht nehmen, mit der Zeit zu nerven. Wir installierten daher die kleinen Dampfhämmerchen in der Registrierkasse und rechneten ab:

INFORMATIONEN:

Regie: Tim Burton
Jahr: 2010
Budget: $250 Mio.

Poster
Who The Fuck Is Alice?

Das Problem mit Wonderbra-Alice war bislang ja folgendes:

Die Geschichte ist schlicht und einfach totale Säuglings-Gülle. Für ein Kinderbuch ist die Idee, ein Mädchen in ein Traumland zu versetzen, in dem es außer der monatlichen Regel der Königin keine anderen (logischen) gibt, vielleicht noch „Drei Plus“. Halt reine Mädchenbespaßung in einer Parallelwelt, in der gerade keine Pferdebücher existieren und als solche durchaus mit der Daseinsberechtigung auf der Stufe eines Parkplatzpollers.

Doch für einen abendfüllenden Kinoblockbuster erwartet man doch etwas mehr als „Ein Kessel Buntes“ vom vorletzten Jahrhundertwechsel. Das Problem war für mich stets: Wie soll man den Zuschauer noch überraschen, wenn Alice alle 5 Minuten ein seltsames Wesen mit der Aufmerksamkeitsspanne einer dementen Waldameise trifft? Ob es sich dabei nun um eine fliegende Katze, ein weißes Kaninchen mit Uhr oder einen herumlaufenden Döner Pita mit Krampfadern handelt, ist für den Kaka-Overkill im Hirn ja auch eher zweitrangig.

Auch Tim Burton hatte dieses Problem in Interviews benannt und versprochen, dass Alice in seiner Verfilmung nicht wieder nur zur herumwandernden Begründerin des Nordic Walking herhalten soll. Auch das passive Gestaune und Mund-Aufgereiße („Uiii! Ein großer, überaus seltsam geformter… Uiiii!“) sollte ein Ende haben, denn schließlich kann man heutzutage erwarten, dass ein Kind mit Halluzinationen sich mindestens in einem flott geschnittenen Werbetrailer zum „Herrn der Ringe“ wähnt. – Tja. So ganz hat das dann aber doch nicht geklappt. Auch diese Absonderlichkeiten-Ansammlung wirkt so beliebig wie das Gemälde eines zeitgenössischen Künstlers mit Schüttellähmung.

„Das drohende Zuspätkommen im Film symbolisiert auf herausragende Weise den Zeitdruck, der in unserer Leistungsgesellschaft das Leben jedes einzelnen Individuums dominiert.“ – Okay, wir haben es versucht: Aber mir ist wirklich nichts anderes an erzwungener Tiefgründigkeit eingefallen, wenn man die Floskel „Lebe Deine Träume“ hier mal vermeiden will. Wobei…?! – Her mit den nackten Weibern und dem Brunnen, aus dem Marzipanmelasse sprudelt!

Zwar bemühte sich Buntstift-Burton, dem Wunderland einen eigenen, etwas modrigen Anstrich zu geben, aber letztendlich lief es dann auch nur wieder auf farbenfrohe Riesenpilze und eine saftige Flora aus dem Katalog für Kunstblumen hinaus. Motto: „The Best of 3D-Modelle aus den letzten 15 Jahren CGI-Unterhaltung“. Dabei wirken die Herren Diddeldei und Diddeldum sogar nicht mal sehr realistisch. Diese glattgezogenen, aufgeklebten und detailarmen Eierköppe mit der Gesichtsanimation aus einer Schlaganfallssimulation erinnerten mich teilweise sehr an die Blecheimer aus „I, Robot“. Da darf man seit „Avatar“ wenigstens ein paar „High-Depth-Multi-Texture“-Poren erwarten, statt einem Plastiklook, den man nicht mal so nennen möchte, da ich echtem Plastik dann doch etwas mehr Realitätssinn zutraue.

Wobei man nicht allen Figuren Unrecht tun sollte: Die haarigen Tiere wirken sehr hübsch flauschig und haarig und sind schon recht liebevoll gemacht. Doch bei Interaktionen zwischen richtigen Menschen und den polygonalen Eierschaukeln wirkt stets irgendetwas nicht ganz richtig. Unser Altredakteur und CGI-Hasser G.G.Hoffmann würde an dieser Stelle wohl jetzt das Bild einer echten und einer Computer-Rose einstellen, mit dem nicht zu widerlegenden Hinweis, dass Blumen in der Natur gar keine sprechenden Gesichter zu tragen pflegen und die Smileys, die er selbst mittels Edding auf seine Osterglocken gepinselt hat, viel realistischer aussehen. – Kein Widerspruch von meiner Seite dazu…

So lässt einen die belanglose Umwandlung des Rohstoffes „Burton-Kult“ zu einem weiteren „Ach-wie-schräg“-Movie dann auch ziemlich kalt. Irgendwo zwischen bunt und düster spult der Film längst bekannte Buchszenen erneut herunter. So muss man schon zu Beginn der Reise aufpassen, dass sich das eigene Gaumenzäpfchen beim Gähnen nicht zwischen den Schneidezähnen verheddert: „Nun trink schon den blöden Kleinmach-Trank, bevor Du den Großmach-Trank und dann wieder den Kleinmach-Trank runterspülst! Will danach aber schnell den patentierten Burton-Kult sehen, bevor die Chinesen den auch noch klauen!“

„Okay, genug Blumen geschaut. JETZT gehe ich in den Park mit den großen Pilzen. Hey, wachsen dahinten etwa auch noch Klostopfer in allen Farben?“ – 5 Meter große Fleischfressende Pflanze gesucht: Die erste Hälfte des Filmes wird vor allem darüber gestaunt, was einem in der zweiten so alles am Arsch vorbeigehen kann… Immerhin ist das Kleid schön. Aber gibt es dafür eventuell auch einen Schrumpftrank?

Weitere Inhalte:

Die Rote Königin (CGI) schimpft mit aufrecht laufenden (CGI-)Fröschen. Ein haariges Monster (CGI) prescht aus dem (CGI-)Gebüsch und die qualmende (CGI-)Raupe (das eigentliche Wunder ist hier, dass man DAS in den rauchophobischen USA noch zeigen darf) resümiert darüber, ob es sich bei der Hauptperson um die „richtige Alice“ handelt… – Ich weiß nicht, wie es Euch geht (ich hoffe, gut?), aber ich sehe hier keine Charakterentwicklung, für die man seine Legosteine mehr als 10 Minuten an den Nagel hängen müsste.

Zwar versuchte man – zu Beginn – in der realen Welt, der Alice-Figur mit dem Heiratsantrag vom Ekelbaron einen ernsthaften Hintergrund zu geben, doch scheint das wohl gründlich in die (CGI-)Hose gegangen zu sein, so lange man ein junges Mädchen ernsthaft und vollautomatisch „Alice-Figur“(!) nennt.

Dazu erdreistet sich der Hörr Filmemacher dann auch noch, uns ernsthafte Emotionen aufzwingen zu wollen. Wo eben noch am Teetisch geblödelt wurde, sollen wir danach um ein zerlegtes Dorf trauern, das uns per Rückblick um die freudig gespitzten Kinderohren gehauen wird. Anders ausgedrückt: Stell Dir vor, es ist Genozid im Playmobilland, aber keiner hat an das Spielset „Leichenbestatter“ (6-Teilig, mit Schaufel, 14,99 €) gedacht!

Auch nervig sind die ständigen Größenwechsel von Alice im Wanderpark: Die komplette erste Hälfte des Filmes muss der augenberingte Schwarm eines necrophilen Grabschänders ständig zwischen allen möglichen Größen hin- und herschwanken. Warum sie im Garten der Königin nicht einfach den ganzen Anabolika-Kuchen aufaß und den keifigen Pumuckl-Ersatzstoff danach ihre Absätze spüren ließ, war mir nicht ganz klar. Ich vermute aber so etwas wie „Die Logik spielt in so einem Film keine Rolle, ihre Gage war zu hoch!“ als durchaus annehmenswerte Ausrede. DANN aber muss es noch irgendwas anderes geben als eine Kostüm- und Pixelshow, die in 15 Jahren als nette Echtzeit-Grafikdemo über jeden Heim-PC flimmern darf.

„Hahaha! Was sehen die beiden FETTEN lustig aus! Wie bescheuert die gucken! Mann, der Film, lohnt sich ja jetzt schon! HIHI!“ – „Ähm, Sparki? Wir stehen noch in der Schlange vor dem Kino und DAS da ist das angepeilte Zielpublikum des Films!“ – Erst später erfuhren wir, dass wir einfach nur unsere Spiegelbilder in den Glasvitrinen ausgelacht hatten… Wie auch immer: Müsste ich mir den Film noch ein zweites Mal ansehen, würde ich wohl zum „Next Uri Geller“ werden. Ich sehe rechts unten auf dem Bild nämlich schon wieder ein paar Löffel, die ich liebend gern verbiegen würde, gnnnrrh!

Die Stimmung im Königinnen-Palast ist mehr albern als bedrohlich („Hihi, herumwuselnde Tiere, hihi!“), was auch daran liegt, dass die Herrscherin einen gigantischen Wasserkopf mit sich herumträgt. Was im besten Falle skurril, im schlimmsten aber nach einem aufgeblasenen Computereffekt aussieht, welcher der Figur wohl noch ein wenig Tiefe (zwischen den Ohren) verleihen sollte. Alice selber ist in mindestens einer Szene einfach nur feige und lässt den viel tapfereren Hutmacher fast von dem bösen Dingsbums zerschnetzeln, der mit dem Rücken(!) zu ihr steht. Zusätzliche Statuswerke für Alice in diesem Moment: Magisches Megaschwert (+12 Angr.) und über einen Meter größer (+9 Angr.) als alle anderen. – Moderne Frauenrolle? Gibt’s weiterhin nur in Form von geblümten Klopapier…

Immerhin mutiert Alice dann in den letzten Minuten(!) dann doch noch zur Schwertkämpferin und besiegt ein riesiges Drachenviech. Natürlich OHNE vorher 5 Wachstumskuchen gefuttert zu haben. Man will ja schließlich nicht, dass der Abspann zu schnell aus den Wolken fällt.

Okay, ein paar schöne Momente hat der Film dann doch noch: Wenn die beiden interessantesten Charaktere, Johnny Depp (Hutmacher) und Helena Bonham Carter (Königin), sich völlig überdreht durch die Dialoge schrauben, hat das durchaus eine perverse Faszination. Vielleicht vergleichbar mit einem bunten, aalglatten Werbespot („Sehen sie hier die ganzen Reinigungsperlen, wie sie fliegeeen?“), von dem man aber einfach nicht die Augen abwenden kann.

Erzählerisch gelingt es Burton einfach nicht, der ganzen Schwulettengeschichte irgendetwas Modernes (abgesehen von der Rendersoftware) abzuringen. Eine zeitgemäße Interpretation mit Alice als Großstadtmädchen und einem Hutmacher namens Norbert („Keiner lässt heute noch Hüte machen, seitdem China die zu 12 Cent das Stück produziert, grmpf!“) hätte zwar 83% des Publikums in den Herzkaspar getrieben, dafür aber vielleicht für eine Art kranken Kult gesorgt.

„Tagchen! Ich bin der verrückte Hutmacher!“ – „Weg da, das ist ein Missverständnis! Wir wollten die Stripgruppe ‚Crazy Hooters‘ sehen!“ – Film absitzen und Tee trinken: Johnny Depp hat sich für diesen Streifen extra alte Felgen in die Augen klatschen lassen, die ein Kostümdesigner vorher zu Kontaktlinsen umgeschminkt hat. Am PC. – Na ja, oder so ähnlich halt…

Hier hat man sich von der „übermächtigen“ Vorlage (wohlgemerkt: Ein Brainstorming-Kinderbuch eines möglicherweise pädophilen Schriftstellers) gehörig ins Boxhorn jagen lassen. In Zeiten, in denen Shakespeare schon mal mit nackten Darstellern oder Gossendialogen neu aufgeführt wird, braucht man aber keine seelenlose 1:1-Verfilmung von verschimmelten Schlafgeschichten.


Fazit: Ziemlich nichtssagendes Mummenschatz-Märchen für Kinder und Erwachsene im Zustand der beginnenden Verkalkung. Man mische „Narnia“ mit Samstag-Morgen-Zeichentrick und einem gehäuteten 12-Jährigen und erhält genau DIESEN Werbespot für Grafiksoftware. Einige Bilder, Masken und Kulissen sind zwar ganz hübsch und durchgestylt, fühlen sich aber später so an, als hätte man sich Zuckerwatte in seinen Augentropfen aufgelöst.

Fazit-Fazit: „Bonbonpapier – DER FILM“. Völlig überhypt und nur als Grafikdemo ernsthaft zu besprechen…

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
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Artikel

von Klapowski am 24.03.10 in Filmkritik

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Kommentare (9)

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  1. KojiroAK sagt:

    Ich bevorzuge sowieso Miyuki-Chan in Wonderland. Da haben die Charaktere mehr … naja ich weiss nicht was es ist, aber sie haben es.

    ach ja, fast vergessen. 3r570r.

  2. noir sagt:

    Ja, Nein, Staub?
    „Dabei wirken die Herren Diddeldei und Diddeldum sogar nicht mal sehr realistisch. …detailarmen Eierköppe mit der Gesichtsanimation aus einer Schlaganfallssimulation…“

    Bin der Meinung die Mimik von Matt Lucas (Little Britain) ist durchaus erkennbar. Und wer erwartet schon Realismus von Tim Burton.

  3. Donald D. sagt:

    Auch wenn ich mir den Film wohl nie ansehen werde, ist die Bewertung doch etwas hart, denn 1. Es ist ein DISNEY-Film, daher wenigstens eine glatte 3
    2. Der Tim Burton Kult-Faktor: Note 2
    3. Johnny Depp scheint einiges wiedermal rauszureißen: Note 2
    Summasummarum: Note 2 (-)

  4. Klapowski sagt:

    @noir: Klar ist die Mimik von den Komikern „erkennbar“. Aber wie echte Gesichter sieht das nicht gerade aus, wenn ich hier mal gerade den Hoffmann mimen darf. Sieht aus, als hätten sich zwei Personen Frischhaltefolie vor’s Gesicht gepresst, bis diese von Innen beschlagen waren (die Folie, nicht die Personen).

    Das ist für den Filmgenuss nicht weiter schlimm, wirkt aber bei sagenhafte 250 Mio. Dollar Budget (da sind wir schon locker in „Avatar“-Regionen!) jetzt auch nicht gerade umwerfend.

    @Donald: Du bist ja sogar schlimmer als Hoffmann! Filme anhand der Produktionsfirma(!), einer Nebenfigur und des Regisseurs vorab zu benoten, ist nicht fair! Der Streifen schafft es schließlich auch ohne diese drei Elemente, strunzlangweilig zu sein.

    Und warum willst Du Dir den Film trotz seiner „2-“ niemals ansehen? Weil diesmal ein Disney-Fremder Marketingmanager das Presseheft geschrieben hat? Oder doch nur, weil die blaue Raupe NICHT von Johnny Depp gemotion-captured wurde?

  5. Donald D. sagt:

    @ Klapo: Es gibt Filme, die m. E. interessant sind, ich aber trotzdem nicht im Kino oder im TV angucken würde. „AiW“ fällt irgendwie darunter. Es ist ein Märchenfilm und die Trickfilmfassung von anno 1950er habe ich auch nie gesehen. Mit Disney ist das so eine Sache: durchweg schlecht ist ein Disneyfilm nie, aber aus manchen Filmen bin ich einfach rausgewachsen und schaue mir sie aus diesem Grund gar nicht erst an, weil auch die z.T. bösartigen Kinopreise mich davon abhalten. Anders bei Actionfilmen: Bruce Willis kann theoretisch noch „Stirb langsam 25“ und James Bond zum 40. Mal seine Lizenz zum Töten nutzen. Die würde ich immer noch im Kino angucken, auch wenn es besonders bei 007 kaum mehr neues gibt. Aber Willis sehe ich gern in dieser Rolle und Bond interessiert mich als Charakter. Abgesehen davon, sind das Actionfilme, d.h. ich muß nicht viel mitdenken und es kracht, was ich ja so mag. Bei „AiW“ wäre ich mir nicht sicher, ob ich den Film sofort begreife und somit riskiere 10 Euro für nichts verjubelt zu haben. Ich gucke aber z.B. noch regelmäßig Donald-, Mickey-, Pluto- und Goofy Cartoons und natürlich „Das Dschungelbuch“. Auch „Fluch der Karibik“ sehe ich immer wieder gern.

  6. E.Ellert sagt:

    Wassen Crap. 3D Brille hat’s ein bisschen rausgerissen.

  7. Leapse of Faith sagt:

    Enttäuschend schlecht, und die Kotzbrille nervt unheimlich. Hoffentlich verschwindet dieses pseudo 3d bald wieder aus der Entertainmentbranche.

  8. FD sagt:

    3D und die Kulissen heben den Film etwas über Durchschnitt. Die Story ist recht harmlos und deswegen leider zu nichtssagend vor allem für Erwachsene.

    Dem 3D merkt man aber leider auch an, dass es nachträglich am Computer berechnet und leider nicht mit richtigen 3D-Kameras gedreht wurde, wie übrigens auch beim kommenden Clash of Titans Film.

    3D ja unbedingt, aber bitte richtiges wie in Avatar und anderen kommenden Filmen.

  9. Simon sagt:

    Es heißt Mummenschanz, nicht Mummenschatz.

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