„Oben“ – Hebt Pixar erneut ab?
Pixar ist wieder da! Doch war es überhaupt jemals weg? Und wenn ja: Wie schaffen sie es trotzdem, jedes Jahr einen neuen Kassenhit abzuliefern? Und können wir Deutschen demnächst etwa auch so produktiv werden, jetzt, wo endlich wieder die FDP an der Macht ist? – Der neueste Streich der Kultmanufaktur schickt sich erneut an, Kinder wie Erwachsene ungemein zu beeindrucken. Aber wie wir wissen, kann man alles verschickte auch wieder zurückkommen. Wird der Postbote zumindest vor MEINEM Haus ein „Annahme verweigert“-Schildchen auf das Paket kleben müssen?
Ein alter, einsamer Mann, der mit einem dicklichen Pfadfinder nach Südamerika fliegt, indem er Hunderte Luftballons an sein kleines Haus bindet? Ein bunter Vogel, der dort recht schnell alle Aufmerksamkeit und Actionszenen auf sich lenkt? Sprechende Hunde und ein alternder Naturforscher, der es noch mal wissen will? – Kann Pixar auch diesmal wieder diese ungewöhnliche Mischung zu einem superguten Gesamtkunstwerk verquirlen?
Nö, zumindest nicht alle Teile dieser „Ich back‘ mir einen Kinokassenhit“-Mischung. Denn die Einsamkeit und Griesgrämigkeit eines Rentners, der seine Frau verloren hat, interessierte mich dann doch etwas mehr als die Probleme und Ticks („Katze!“) sprechender Hunde.
Aber daran merkt man wohl selber, dass man älter wird: Nämlich, wenn man in einen Pixar-Film den „Almanach Griechischer Tragödien“ mitschleppt und mit gerümpfter Nase die („unrealistische!“) Verfolgungsjagd auf einem (“viel zu großen!“) Luftschiff verfolgt.
„Freut mich sehr, Dich kennen zu lernen, sprechendes Hundi! Jetzt fehlt nur noch das sackhüpfende Eichhörnchen und der kartenspielende Puma.“ – Tricktechnischer Over-Kill(ekille): Auch „Oben“ bietet wieder aufregende Welten aus dem Computer! – Wie lange muss man das eigentlich noch floskelhaft in seine Reviews schreiben, bis man sich endlich mal an die Renderfilmchen gewöhnt hat, hä? „Toy Story“ ist schließlich schon 14 Jahre her, Klapo!
Aber vermutlich drifteten hier die kinderkompatible A- und die erwachsenenverzückende B-Handlung wirklich etwas zu weit auseinander, was bei den filmischen Vorgängern noch etwas besser gelöst worden ist: Die Einsamkeit des Roboters Wall-e beispielsweise stand auch an Bord des Menschenschiffes noch im Vordergrund. Hätte man dort schon die Dramaturgie von „Oben“ verwendet, hätte sich der knuffige Metallmann wohl in einen außerirdischen Riesenvogel verliebt und wäre nebenbei von einem wahnsinnigen Weltraumpiraten herumgehetzt worden. Und die Ratte in „Ratatouille“ hätte sich nach dem „Oben“-Muster wohl erst als Stabhochspringer und Rennfahrer verdingt, bevor sie tief im Inneren gespürt hätte, dass sie in Wirklichkeit doch nur Koch werden möchte.
„Oben“ zerfällt in drei etwas unausgewogenen Teile: Die philosophische Betrachtung ganz am Anfang und am Schluss (Was will und kann man in seinem Leben erreichen, wenn einem eine Horde Animationskünstler ihre Hilfe anbietet?), dann die durchaus lustigen Szenen mit dem blöden Pfadfinder und dem bunten Riesenvogel (teilweise schönes Timing, auch zeitlich betrachtet!) und am Filmende die blagenkompatible Action, die man so (oder auch ganz anders) schon in diversen Samstag-Morgen-Serien gesehen hat. Nur halt in gezeichnet und weniger hübsch.
Die „Pflasterszene“ kommt komischerweise nicht im Film vor. Aber warum eigentlich nicht? Immerhin bringt sie die Charaktere emotional weiter als die kompletten letzten 20 Minuten!
Okay, ich gebe es ja zu: Eigentlich DARF man Pixar-Filme ja nicht kritisieren. Der Kulturbetrieb hat dies schon vor Jahren verboten, Zuwiderhandlungen werden gelegentlich mit 10 nichtssagend hochtrabenden Peter-Sloterdijk-Interviews bestraft. Und ich glaube sogar, dass die neue Schwarz-Gelbe Regierung demnächst auch per Gesetz die letzten Herummäkler an Pixar-Patzern ruhigstellen wird.
Aber: WENN Kritik an der Vorzeige-Renderschmiede berechtigt ist, dann wohl hier (gleich nach „Cars“, der in meinem Augen überhaupt nicht funktionierte): Einerseits sollen wir dem Film abnehmen, dass hier ein gebrechlicher Rentner unterwegs ist, welcher anfangs lieber minutenlang einen Treppenlift benutzt, als die Stufen wie ein normaler Gebrechens-Greis einfach herunterzufallen. Andererseits purzelt, wirbelt, klettert und rennt der Opa am Ende wie vom wilden Kukident gestochen durch die Handlung, als hätte einer der Power Rangers eine Rentner-Maske aufgesetzt und am Anfang nur simuliert. – Aber vielleicht hat Freund Carl einfach einen altersunüblich hohen Testosteronspiegel, was immerhin erklären würde, warum sein Kinn so breit ist, dass er es – ohne Kippelgefahr – auf einem Tisch ablegen könnte.
„Äh… Ich führe im Auftrag meiner Schule eine Umfrage zum Thema ‚Schicksalhafte Begegnungen‘ durch. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie mir dabei weiterhelfen könnten…?!“ – Ein echter Teufels-Carl: Den Alten zum Held eines Kindertrickfilms zu machen, zeugt vom Mut der Pixaristen! Was kommt als nächstes? Ein römischer Rentner-Roboter, der Koch werden möchte? „Findet Nero“?
Ein bisschen verliert die Figur mit dieser „Pseudo-Gebrechlichkeit“ von ihrer Ernsthaftigkeit. Und wer jetzt sagt, dass ihn solche körperliche Wendungen inhaltlich nicht stören, möge einmal überlegen, ob er es auch in „Toy Story“ toll gefunden hätte, wenn sich eine der Plastikfiguren zwischendurch so arg geschnitten hätte, dass sie blutet. Die Glaubwürdigkeit des alten Knackers Carl ist der Dreh- und Gammelpunkt der ganzen Geschichte und gerade in dieser Hinsicht gab es – abgesehen von seinem wirklich herzerreißend zusammengefassten Leben zu Beginn – doch ein wenig zu viel Schaumschlägerei im zuckerfreien Nachmittagskaffee.
Carl ist nicht so gaaanz grantig oder unsympathisch genug, um im Verlauf der Story eine interessante Wandlung zum Besseren durchzumachen. Außerdem wird dem Wenigsprecher und Kurzsatz-Ausspucker von all den schrillen Nebenfiguren nach und nach die Show(s) gestohlen. Musikantenstadl, Dalli Dalli und Peter Frankenfeld: Alle weg. Hoch lebe stattdessen der bitterböse Naturforscher, der – logisch betrachtet – mindestens 30 Jahre älter als Carl sein müsste und mit seinen geschätzten 105 Jahren aber immer noch eine recht gute Herumhampel-Figur abgibt.
Die Grafiken sind wie immer wunderschön, aber eine Steigerung mag ich inzwischen nicht mehr zu bemerken. Der Dschungel wirkte auf mich sogar etwas steriler (und sogar bakterienarmer) als die liebevoll gestaltete Großküche in „Ratatouille“. Solche (vermutlich sowieso total unbegründete) Vorwürfe macht Pixar aber wieder mal durch perfektes Timing wett: Wenn der riesige Vogel dämlich dreinschaut und sich ruckartig bewegt, ist das witzig, ohne dass unser Zwerchfell mit dem Holzhammer durchmassiert worden wäre. Wo andere Animationsfilme sich wie besoffen an den eigenen Slapstickkreationen berauschen („Horten hört ein Hu“, „Madagascar“!) und danach so überdreht aussehen, als hätten sie in einer laufenden Schiffsschraube übernachtet, wollen Pixarfilme selten brüllend komisch sein: Ist eine Szene „nur“ nett, liebevoll oder amüsant, so reicht das den Machern in der Regel. – Danke, Macher!
„Verdammt! Ich verpasse wohl doch noch die Begrüßungsmelodie vom ARD-Frühstücksfernsehen!“ – Symbolgehalt: Dieser Bezieher überhöhter Renten reitet hier wohl auf dem Rücken zukünftiger Generationen. Aber schön, wenn Senioren noch draußen Sport treiben. So können wir deren ekelhaften Geruch wenigstens für ein paar Stunden aus der Wohnung zu lüften versuchen. – Buäh!
Dass die Physik meist nicht zuuu überdreht daherkommt (kein „wir ziehen die Nebenfigur auf 5 Meter länger und schießen sie dann 5 Kilometer in den Himmel“), macht es mir als erwachsenen Zuschauer auch stets etwas einfacher, mich auf einen „Kinderfilm“ einzulassen.
Allerdings kamen mir an einer Stelle doch ein wenig Zweifel an der obigen These, nämlich, als die sprechenden(!) Hunde in Flugzeuge stiegen(!) und Spritzen(!) verschossen, wobei ein fiepender Gummiknochen(!) zum Draufbeißen als Auslösemechanismus herhalten musste. Sicherlich Geschmackssache, aber für mich kein Beleg der sonst so oft geäußerten „Tiefe“ in den Pixarfilmen.
Aus irgendeinem Grund nervte mich auch irgendwann das Haus, welches Carl stets mit sich herumführte. So etwas bindet wohl irgendwie Aufmerksamkeit und Energien, welche sonst für wohlwollende Reviews benötigt werden. Stellt Euch zum Vergleich einfach vor, Captain Kirk hätte im letzten Film ständig ein Shuttle über sich schweben gehabt. Aber immerhin machte das „Haus an der Leine“ dramaturgisch Sinn, denn dieses verkörperte nichts anderes als Carls verstorbene Frau und seine ganze Vergangenheit, welche er nicht loslassen wollte. Und wer will sich schon dem Konzept der Liebe in den Weg stellen, wenn er nicht bis an die Zähne bewaffnet ist? – Also ICH bestimmt nicht.
Wer sich wie ich die 3D-Version im Kino ansieht, wird immerhin noch mit hübschen Tiefeneffekten versöhnt. Allerdings legt es der Film wirklich nicht auf die permanente Zurschaustellung des Effektes an. Im Gegensatz zu anderen zukünftigen Animationsfilmen (die ich in der Vorschau betrachten durfte) wurde hier NICHT ständig nach irgendwelchem Krempel gesucht, der ganz unschuldig und nebenbei(?) in die Kamera zu fliegen hat.
„Aah… Trautes Heim, altertümliche Einrichtung allein! Ich glaube, jetzt schaue ich mir jetzt mal wieder diesen alten Film über Nazideutschland an. Wie hieß der denn noch mal? ‚Monster AG‘, oder so ähnlich?“ – Er hat ein Haus, ein Käffchen und ein Pferd: Da Senioren schnell mal nerven können, wird dieser Herr am Ende nur noch am (Action-)Rande als solcher betrachtet. Aber wer weiß? Vielleicht nerven WIR unsere Enkel in 60 Jahren auch mal mit altertümlichen Geschichte über unsere tolle Playstation 3 („Das war noch Technik mit Charme!“)?
Fazit: Wieder ein schöner Pixarfilm, der es aber am Ende auf zu viel Kindergartenbespaßung anlegt, um wirklich wegweisend zu sein. So wie Carl sein Haus ständig an einer Schnur mit sich herumträgt und letztendlich nur damit belastet wird, so schwebt auch der 6-Jährige Kinozuschauer drohend und schattenwerfend über der Handlung, um anerkennend „Bababuuu!“ zu rufen, wenn lustige Hunde und gierige Naturforscher dem Film seine eigentliche Essenz hinfort albern.
Die erste halbe Stunde ist aber derartig unterhaltsam, dass ich nicht ernsthaft von einem Kinobesuch abraten möchte.
Aber dieses „Ernsthaft“ wäre auf dieser Internetseite ja sowieso ein völlig neues und fragwürdiges Konzept…
Tja, hat jemand geglaubt, dass die Pixar-Filme tiefgründiger und weniger klischeebeladen werden, wenn Disney den Ton angibt?
Erinnert mich von der Grafik her an das neue Monkey Island. Bunt und doof. Irgendwie technisch nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Kein Vergleich zu „Wally“ oder „Ratatouille“. Was ist eigentlich gegen eine zurückhaltende Farbgebung einzuwenden? Und weshalb sieht das fette Kind so augenkrebsbunt aus wie echte amerikanische Burger-Gören? Die Figuren sind mir so sympathisch wie die Puppen von „Hallo Spencer“ oder der „Rappelkiste“. Typisch Pixar eben, deren Produktionen mir mit Ausnahme von „Ratatouille“ und „Wally“ bislang wenig zugesagt haben.
Ist das wieder eine Deiner „Habe den Film nicht (oder nur sehr wenig davon) gesehen, finde ihn aber trotzdem blöd“-Meinungen?
Deine Kommentar klang ein wenig nach William Shatner, wenn er nach einem TNG-Film gefragt wird. Hast Du etwa wieder nur den Trailer reviewt?
Öhm… ja, das trifft es irgendwie. Aber warum soll ich mir 90 Minuten quitschbunte Bilder anschauen, wenn mir schon 15 Minuten Vorschau, Trailer und Fernsehberichte die Laune verdorben haben und Du nur eine 3+ vergibst? Sowas ertrage ich nur als Werbepausenfüller für RICHTIGE Filme.
Und ich Blödmann lehnte einträgliche Meinungskasten-Angebote bislang mit der billigen Ausrede ab, dass ich den entsprechenden Film noch gar nicht gesehen habe.
Aber damit ist jetzt Schluss, jawoll! Gerne stehe ich daher ab sofort nicht nur für hochwertige Rezensionen von mir unbekannten Werken zur Verfügung, nein, selbst wenn der Streifen noch gar nicht ERSCHIENEN ist, hält mich dies nicht mehr von einem schnellen Rausfurzen meiner persönlichen Ansichten ab!
Shrek 4? Ein erneutes Recyclen grüner Oger-Ausdünstungen. 4+
Der Hobbit? Grütze labernde Drachen und eine Handlung „zum Ringeln“. 3-
Avatar? Grafikkarten-Demo mit einem Drehbuch aus der Sonderschule. 5
Sonst was Wichtiges übersehen? Nur her damit, je weniger ich bis jetzt davon gesehen habe, desto besser!
Ich finde diese Blindrezensionen sind ein durchaus brauchbarer Ansatz. Man kann ja nicht alles kennen & das Leben ist doch viel zu schade für schlechte Filme!
Ich finde, es gehört zur guten Tradition dieser Seite, Werke niederzumachen, ohne sie gesehen zu haben. Schließlich haben wir ENT schon verrissen, bevor auch nur eine Folge ausgestrahlt worden war. Oder wird ZUKUNFTIA jetzt seriös?
Manche Dinge, die weiß man halt. Da muss man nicht extra rumprobieren, um zu erfahren, dass einem die Hand weh tut, wenn man auf eine heiße Herdplatte fasst. Ich war schließlich auch noch nie mit einer Frau zusammen, weil ich erahnte, dass die nur hinter meinem Geld her sind. Bei Filmen ist das nicht anders. Filme sind wie Frauen. Nur mit dem Unterschied, dass Filme sprechen können.
Ich persönlich habe noch KEINEN Disney-Film gesehen, wo ich hinterher sagen mußte, der Film war Schrott von vorne bis hinten. So etwas gibt es bei Disney einfach nicht! Jeder normale Mensch hat wenigstens einen Disney-Film („Dschungelbuch“) und eine Sammlung Classic Cartoons (Donald Duck Vol. 1-4 u.a.)in seinem DVD/blu-ray/grey-ray und was es noch bald geben wird-Regal stehen. Es stimmt allerdings schon, daß man sich neuere Disney-Werke meist nur ein- oder zweimal ansieht. Das sah bei den Filmen, an denen der gute Walt noch persönlich mitarbeitete anders aus. Ausnahme: Fluch der Karibik. Zumindest mit dem ersten Teil wäre Disney mit Sicherheit sehr zufrieden gewesen. Ich werde mir „Oben“ auf jeden Fall anschauen. Ob im Kino oder auf DVD, weiß ich noch nicht.
P.S.: Haben Disney Comicfans eigentlich bemerkt, welche Ähnlichkeit der Rentner mit dem Legendären Disney-Zeichner Carl Barks hat?
@ Flutschfinger: Um die Ehre der Frauen zu retten, sag ich aus persönlicher Sicht, dass nicht alle Frauen hinter dem Geld her sind.
@sparkiller: Zu Shrek 4 stümm ich zu, der wird genauso affig wie die ersten Teile.
Und ja, man kann einen Film beurteilen ohne ihn gesehen zu haben, dafür brauch man eine Vorschau, Trailer oder sonstiges und eine eigene Meinung.
zu Oban, nette Kinounterhaltung über die man gut lachen kann und die einem positiv in Erinnerung bleibt, aber hinterher erinnert man sich nicht mehr wirklich dran, irgendwie eine oberflächlicher aber amüsanter Kinobesuch.