Star Trek Enterprise – 1.08 – „Das Eis bricht“ („Breaking the Ice“) Hoffmann-Review
Eine Frage beschäftigt uns seit 35 Jahren: was geschieht eigentlich mit der Scheiße?
Dachten wir bisher, sie würde Freitag Abends um 20:15 Uhr auf SAT1 entsorgt, wissen wir dank Charly Tucker: auf der Enterprise wird Erbsensuppen-Durchfall in wohlriechende Moonboots verwandelt…
von Gert Günter Hoffmann
Enterprise überrascht den weltoffenen Freund menschlicher Bedürfnisse mit herzerfrischender Unverblümtheit.
Mußten wir bis kürzlich annehmen, dass in Star Trek Verdauungsnebenprodukte des Nachts diskret aus Darm- und Blase hinausgebeamt werden und dem jungen Erdenbürger des 24. Jahrhunderts im übrigen freudenspendende Körperöffnungen schon im Mutterleib zugetackert werden, durften wir nunmehr erfahren, dass gemeinsames Kacken und Schnullerschütteln wenigstens im 22. Jahrhundert noch zu den liebenswerten Traditionen menschlicher Kultur gehören.
Da war auch nicht anders zu erwarten. Auf unserem schönen Planeten verhalten sich wohl nur die Deutschen so verklemmt, als müsste man sich für sympathische Ausscheidungsprodukte schämen.
Wir kennen es alle aus unserer mitteleuropäischen Heimat:
Öffentliche Toiletten sind säuberlich in Einzelkabinen mit Verschlussmöglichkeit und Sicht- leider noch nicht Duft- und Hörschutz – vor unerwünschter Anteilnahme gesichert. Mit einem peinlichen Lächeln auf dem Antlitz verabschieden sich die Vertreter der Herrenrasse in ein Hochsicherheitskackstübchen und warten mit der Darmspülung schamvoll, bis auch der letzte Kollege die Großraumtoilette endlich verlassen hat, um ihr geheimes Werk möglichst lautlos und diskret zu verrichten und um ebenso unauffällig den Ort der archaischen Demütigung wieder zu verlassen.
Welch offenes Gemeinschaftserlebnis ist dagegen das Kacken in anderen Kulturen! Allen voran bei unseren sonst so prüden amerikanischen Freunden!
Aus amerikanischen Filmen und Serien wissen wir: hier fehlt es mancherorts nicht nur an der körperlichen Trennung von Damen- und Herrentoilette (Ally McBeal), nein, auch verschließbare Kabinen scheinen völlig unbekannt. Statt dessen erfreuen amerikanische Scheißhäuser den liberalen Freidenker mit saloonmäßigen Schwingtüren, die ebenso wie auch die Trennwände nur 60 cm hoch sind und mithin den kommunikativen Sichtkontakt mit dem Nachbarn erlauben.
Scheißen als kulturelles Gemeinschaftserlebnis! Während hierzulande schon allein das Wort Unbehagen auslöst, begnügen sich andere große Nationen mit einem Loch im Boden.
Doch ich schweife ab. Auf der Enterprise jedenfalls scheint man kein Problem damit zu haben, sich öffentlich von der Vortagsmahlzeit zu verabschieden.
Nun wird auch klar, warum T`Pol sich fortdauernd über den penetranten Geruch an Bord des Schiffes beschwert. Fleischfresser duften bei der Entsorgung nicht gerade wie Rosen. Und die in der Schiffskantine servierten T-Bone-Steaks stammen definitiv nicht von kleinen Nagern.
Folgerichtig musste der Chefingenieur einer Grundschulklasse eben dieses menschliche Grundbedürfnis haarklein erläutern.
Und diese Szene gehörte zu den angenehmsten und realistischsten, die wir seit Jahren in Star Trek sehen durften. Denn Kinder – so sehr wir sie auch dafür hassen – stellen solche Fragen. Immer. Überall. Bei jeder Gelegenheit. Und immer wollen sie es auch selbst tun. Immer. Überall. Bei jeder Gelegenheit.
Doch ich will mich nicht zu lange mit dieser Scheiße aufhalten. Es erschien lediglich aufgrund der bisherigen diesbezüglichen Zurückhaltung besonders erwähnenswert.
Insgesamt war die gesamte Videoaufnahme für besagte Grundschulklasse eine ganz besonders gelungene Vorstellung aller Darsteller (was ja bei Trekschauspielern selten genug ist…).
Archer stotterte wie ein Schauspielschüler – und diesmal lag es nicht an den mangelnden Fähigkeiten von Scott Bakula -, Hoshi van de Meiklokjes miemte das MTV-Girl und rümpfte mit süß-naiver VIVA-Moderatoren-Stimme das Näschen wie ein Häschen, das Mäuschen… (*seufz*) und Doktor Phlox übte sich in übertriebener Schwatzhaftigkeit und erinnerte uns an einen längst vergessenen kahlköpfigen Holokollegen.
Zu gefallen wusste auch das gemütliche Abendessen mit einem redseligen Vulkaniercaptain. Hielten wir die Vulkanier bisher für unterkühlte, humorlose, dumpfbackige Idioten (bitte nicht verwechseln mit Trekkies), mußten wir anlässlich des Captain`s Dinner erkennen: unsere Befürchtungen waren noch weit untertrieben.
Vulkanier zählen zweifelsohne zu den dümmsten Arschlöchern seit es Star-Trek-Foren gibt. Die Reaktionen von Archer und Tucker auf das Verhalten der außerirdischen Partylöwen war daher für einige Schmunzler im Kinosaal gut – nicht zuletzt als Trip den spitzohrigen Vertreter der Ballermann-Generation nach seinen „Hobbies“ fragte.
Hohen Unterhaltungs- und Überraschungswert hatte auch das intime Gespräch zwischen T`Pol und Tucker. Nicht zu überzeugen vermochte dagegen T`Pol`s Entscheidung, Tucker`s Dr.Sommer-Ratschlag zu beherzigen und die geheiligten Traditionen ihres Volkes in den Wind zu schießen.
Wieder einmal wurde uns die Botschaft vermittelt: man mag die Menschen für stinkende, unterentwickelte Spastiker halten – doch eigentlich sind sie obercool und für jeden Alien höchst nachahmenswert. Zur Bestätigung dessen hat T`Pol am Ende nicht nur ihrem Alten den Laufpass gegeben, sondern sich auch noch ein fettiges Stück Ami-Torte hinter die Binde geschraubt. Viva America!
Die Kometenstory war selbstredend nur der übliche Begleitkäse, um dem Haupthandlungsfaden den entsprechenden Rahmen zu verleihen. Genausogut hätten sich die bemitleidenswerten Statisten Reed und Mayweather in einem außerirdischen Supermarkt umtun können.
Bedauerlicherweise scheint sich schon zu Beginn der Serie herauszukristallisieren, dass die beiden zu Stichwortgebern à la Neelix und Kim verkommen. Gleiches gilt für Hoshi und den Doktor.
Bisher rankten sich alle acht Episoden um das Trio Archer, T`Pol, Tucker. Eine ein wenig eindimensionale und unheilschwangere Entwicklung. Denn um herauszukehren, dass auch die anderen Charaktere nicht gänzlich überflüssig sind, muß notwendigerweise schon bald mit einer minderwertigen Mayweather-Charakterfolge gerechnet werden, die es an Spannung und Tiefgründigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich mit Wesley-JakeSisko-Kim-Stories aufnehmen werden kann.
Wenigstens durften die Abgesandten des Kometen auf eben jenen die Zuschauer noch mit dem äußerst bescheuerten – aber in seiner kindlichen Albernheit durchaus nachzuvollziehbaren – Bau eines vulkanischen Schneemanns erfreuen.
Im übrigen war die Kometenstory schlecht durchdachter Blödsinn. Dieser kleine Dreckhaufen dürfte kaum genug Gravitation besitzen, um ein Shuttle überhaupt dauerhaft an sich binden zu können, geschweige denn mit großen Krachtata in die Tiefe zu reißen. Insofern hätte es weder einer Seilwinde noch eines Traktorstrahls bedurft, um das Ding wieder flott zu bekommen. Ein aufgeblasenes Kondom am Kiel hätte es auch getan.
Fazit: eine durch und durch humorige Folge mit nur wenigen Schwächen
Note: 1-
(ggh)
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