„Poor Little Things“ – Das Review

Feministische Filme mit phantastischem Touch… Genau dafür wurde Zukunftia damals gegründet – und 2 Tage später wieder geschlossen. („Sie haben WAS mit der Praktikantin gemacht?! Schmutzige „Star Trek – The Motion Picture“-Rewatches in Dauerschleife?!“) Doch einige Relaunches und Re-Imaginations später sind wir nun bereit, das Phantastische (= gelebte Gleichberechtigung) mit dem anderen phantastischen Elementen zu verbinden. Besprechen wir also mal diesen oscarprämierten Film um eine Frankenstein-Frau, die ihren Körper entdeckt.
Inhalt: Ella hat ein Schicksal, gegen das Kruppstahl als Weichspüler durchgeht.
Denn als ihre Mutter starb, war sie noch gar nicht geboren. Dann wurde sie als Fötus aus dem Unterleib geholt, das Gehirn entfernt und in den Körper der toten Mama eingepflanzt.
Bis hierhin also eine typische Hintergrundgeschichte einer Unterschichten-Reportage.
Doch es geht noch weiter: Danach entwickelte sich das kleine Kind (im Körper der Mutter) durch die ganzen Hormone besonders schnell – und wurde rasch… äh… wuschig.
Doch ist die junge/mittelalte Frau einer Gesellschaft gewachsen, die konservativ und männlich geprägt ist? Mal schauen, was dieses Oscar-prämierte Werk dazu sagt.
Besprechung:
Eines kann man schon mal festhalten: „Poor Things“ ist ein wenig wie „Barbie“ – nur mit mehr Neuronenaktivität. Und weniger Widersprüchlichkeit in der Dramaturgie. Und dem angeschlossenen Instagram-Account.
Denn wo sich die Mattel-Materie nach 45 Minuten irgendwo zwischen Kapitalismuskritik und –anhimmelung, Bodyshaming und Body-Gutfinding selber schief auf den rosa Plastikpott setzte, kann man HIER immerhin eine Haltung/Handlung erkennen.
Optisch ist der Film in jedem Fall schon mal toll: In krassen Kulissen – irgendwo zwischen Steampunk und Lillifee-Fanfiction -, stolpert und holpert die Hauptfigur durch das Geschehen. Sie nimmt sich Männer, wie sie es will, entdeckt ihren Körper, ihre Freiheiten und auch die Möglichkeiten der Prostitution. Wenn ihr einer blöd kommt, wird simple Kinderlogik bemüht – die witzigerweise schlauer ist als Spocks Einwürfe in den letzten 15 Jahren Kurtzman-Trek.
„Ich spüre… wie das Leben mich neu findet! Oh, welch Freunde ist es doch, Tod, Bewusstsein, Familienbande neu zu entdecken! Vom Kondomautomaten an der Ecke ganz zu schweigen.“ – Schulmädchenreport 17: Was Eltern für die Oscarverleihung nicht zu nominieren wagten.
Das wirkt frisch und frech, vor allem im Kontext der viktorianischen Ästhetik. Irgendwie ist’s auch konsequent: In einer Zeit, in der einem der Körper nicht wirklich gehörte, musste man vermutlich schon ein wiedergeborenes(!) Kleinkind im Körper der eigenen toten(!) Mutter(!) sein, um die Gesellschaft gehörig aufzurütteln… ?
Noch mehr Gesellschaftskritik wäre wohl nur denkbar, wenn man dabei mit einem schwulen Zwillingsbruder zusammengenäht wäre, der auf einem Kamm „La Paloma“ spielt.
Und so ist der Film die meiste Zeit auch ulkig anzusehen: Immer passiert etwas „Unerhörtes“. Sie schlägt Männer vor den Kopf, hofiert dafür andere Kerle (die es nicht verdient haben), sagt stets die Wahrheit und findet im „Aufeinander Rumhopsen“ nur dann etwas Schlechtes, wenn sie gerade KEINEN Bock drauf hat. Auch unsympathische Gestalten werden zur Triebabfuhr ausgenutzt, während die sympathischen Gesellen (ihr junger Verehrer + der eigene Schöpfer) sich mehr oder weniger zur Seite drängen lassen. Oder gar auf jegliche „Ansprüche“ verzichten.
Tja. Und HIER beginnt die eigentlich clevere Feminismus-Film immer wieder mal in den Schenkeln Scharnieren zu wackeln und zu schwackeln. Denn einerseits will man mit Mitteln der Frankenstein-Fantasy ein positives Frauenbild vermitteln, andererseits ist dieses aber irgendwie schon teilweise vorhanden: Es gibt ja KAUM männliche Widerstände in dieser bonbonfarbenen Parallelwelt. Zwar existieren ein paar comichafte Gegenspieler, aber im Grunde gucken alle mit großen Augen aus der Wäsche, sobald diese selbstbewusste Frauenfigur die Bühne betritt.
Klar, die Handlung soll rasch vorangehen, aber manches wirkte auf mich FAUL. Dass der Film relativ clever ist, täuscht nicht darüber hinweg, dass wir hier (ACHTUNG, steile These meinerseits!) eine Michael Burnham für Kunstfilmer vor uns sehen.
„Ella, möchtest du mit diesem jungen Mann zusammen sein?“ – „Klar, Vater. Aber vorher muss ich kurz mein Auslands-Trimester ablegen. Und ein Haus auf dem Mariannengraben bauen.“ – „So sei es. Aber sei vorsichtig, mein Kind! Im Gasthaus hinter dem Hügel sind finstere Gestalten.“ – Glaubwürdigkeit in a Nutshell: Die Motive sind bei allen Charakteren etwas „weich“ gezeichnet. Das hilft aber bei der Parabelhaftigkeit.
Nochmals: Ella wird sofort respektiert und angehört. Das spart der Dramaturgie zwar mehr Zeit (was für eine Bonusrunde „Rumhopsen“ sorgt), war für mich aber dezent langweilig. Egal ob auf der Straße, auf Kreuzfahrt oder im Hinterzimmer: Alle Personen sind sprach- und antriebslos, wenn Ella ein kindliches „Aber waaaarum?“ blökt.
Ellas Vater – er wird konsequent „Gott“ genannt – ist sowieso ein eher positiver Charakter, der sie rasch in die Welt hinausgehen lässt. Und ihr erster Lehrer kommt auch eher geduldig und unterwürfig daher, nachdem er sich in sie verliebt hat. Diese Liebe wird zwar nur teilweise erwidert, aber auch das fällt in die Kategorie „Null Probemo“. („Ach so, Ella… Du musst Erfahrungen sammeln? Für mich natürlich okay!“ – *Männer-Dutt aufsetz und Hafermilch anrühr*)
Fast bekommt man den Eindruck, dass alles schon gut wird, wenn man mit kindlicher Naivität seine Überzeugungen vertritt. Und dabei sogar zu doof ist, unfallfrei in einen Apfel zu beißen…
Klar, das alles ist zwar schamlos unterhaltsam, aber auch ein wenig getrickst: Gäbe es dieses „Toleranz-Stilmittel“ nicht, hätte jemand wie Ella größte Probleme, mit ihrer „Rumhops-Philosophie“ unfallfrei um Kirche, komplette Ausgrenzung und Schuldturm herum zu manövrieren.
Ihre seltsam-ungelenken Bewegungen (= toll gespielt von Emma Stone!), das freche Mundwerk und das unberechtigte(?) Selbstbewusstsein müssen wir ebenso hinnehmen wie alle Personen, auf die sie auf ihrer Reise trifft.
Klar, der gesellschaftliche Spiegel wird einem hier schon sehr gut vorgehalten – z.B., wenn sie auf dem Luxusdampfer die alten Damen moralisch herausfordert –, aber über die komplette Filmlaufzeit wird’s etwas … anekdotisch.
Zumal es ja nicht so ist, als wenn die Hauptfigur hier durch ihre Gesellschaftskritik gut durchs Leben käme. Denn wäre Ella nicht so schön (= angeborener Vorteil), hätte nicht so einen herausragenden „Vater“ (= Meisterbiologe statt Straßenkehrer) und ihren anfangs reichen Liebhaber (= mehr Ansehen auf Reisen), wäre die erste Filmhälfte KOMPLETT anders verlaufen.
Das ist alles nicht schlimm, aber nimmt dem Werk etwas den Witz. Wenn eine Figur der spießigen Gesellschaft den Spiegel vorhält, aber dennoch – teilweise – davon profitiert, kommt das „Barbie“-Dilemma zum Tragen. Auch dort fragte man sich irgendwann, was bei all den kunterbunten Ansätzen jetzt der Widerspruch ist, wenn der sich selbst alle 30 Sekunden in Handpuppenmanier aufzulösen versucht.
(„Haha, ist das nicht schlimm, wie oberflächlich die Welt ist? Hier mal eine sehr SCHÖN inszenierte, oberflächliche Szene dazu, um total kritisch davon abzulenk… darauf hinzuweisen.“)
Auch hatte ich zwischendurch das Gefühl, dass andere Aspekte des Lebens fehlen. So wäre es doch schön gewesen, wenn sie einen BERUF hätte ergreifen wollen. Etwas ohne Rumhopsen zum Beispiel? („Ich habe mich entschieden: Ich will Chemikerin werden.“) Oder wenn sie sich tatsächlich mit dem Thema Spiritualität und Glauben hätte beschäftigen müssen? Oder Bankgeschäfte, Lebensmittelpreise, Rassismus oder andere Dinge, zu denen ihr Kinder-Selbst passende Kommentare hätte abgeben können.
„Das ist also die große weite Welt? Wer hätte gedacht, dass ich mal auf sooo vielen Farben werde rumhopsen können?“ – Wie ein Gemälde aus Scheidenflüssigkeit: Prostitution sorgt dafür, dass man ganz gut über die Rundungen… äh… Runden kommt. Interessant hätte ich aber gefunden, wenn sie den Girls im Puff erklärt hätte, warum z.B. „Bettlerin für Greenpeace in Fußgängerzonen“ ebenfalls ein ehrenwerter Job sein könnte.
Denkbar wären auch kritische Vermögensfragen von Ellas Seite (= „Wie? Sie vermieten ein Haus, das sie geerbt haben, sitzen den ganzen Tag rum und fordern andere zum Malochen auf? Schuss nicht gehört oder watt?!“) oder andere Storylines.
Doch das Thema Sexualität ist derart übergroß, dass kein Raum für anderes Systemisches bleibt. Dabei hätte man auch auf Politik & Königshaus rumhops… äh… rumschimpfen dürfen?
Und da sie immer „willig“ ist, bleibt das Thema Prostitution recht zahnlos. Man verdient halt Geld, starrt in die ungläubigen Gesichter der Kunden und verquickt das Angenehme mit dem Einträglichen. Das fand ich zwiespältig: Einerseits toll, dass man mit der Hirnlosigkeit der Herrenwelt reich werden kann, aber wenn man DAS hinter‘m Hauptbahnhof als Traumjob anpreisen würde, würde ich wohl nur ein „Schon okay, Süßer. Trotzdem macht das 50€ für dich!“ ernten.
Somit bleibt gerade nach dem letzten Kapitel, wo Ella zu ihrem ehemaligen Ehemann zurückkehren soll, ein Nachgeschmack zurück: Erneut (oder sogar: erstmals?) muss sie sich hier gegen toxische Männer durchsetzen, was zu einem arg comichaften Ende führt. Der ungewollte „Körperwechsel“ des Gegenspielers ist dann sogar eher Daniel-Düsentrieb-Hommage als Gesellschaftssatire.
Hier zieht sich das ganze Erlebnis dann auch laaangsam, weil man den Punkt des Films (= „Äh… Keine selbstbewusste Fantasy-Figur runtermachen, wenn andere es auch nicht machen?!“) langsam begriffen hat.
„Wollen wir noch mal in die Kiste steigen, Schätzchen?“ – „Wieso sagt man immer Kiste? Liegt es daran, weil man darin stets alle seelenlosen Objekte verstaut?“ – Die graue Renitenz: Mark Ruffalos Figur ist eher eine tragische Gestalt. Er verkörpert sowohl Laurel als auch Hardy, wobei er sogar noch Zeit hat, den Charme eines Achsel-Schweißflecks zu verströmen.
Toll ist bei aller Kritik aber trotzdem das Schauspiel von Emma Stone! Egal, was sie anstellt, sie wirkt immer offensiv und naiv, völlig schambefreit und in ihren schlaksigen Bewegungen glaubwürdig. Was allerdings auch nur anziehend und subversiv wirkt, weil die Darstellerin so hübsch und schlagfertig ist.
Aber gut, man kann bei Gesellschaftskritik eben nicht… äh… – man kann DOCH ALLES haben.
Fazit:
Ein Film mit vielen reizvollen Ideen, schöner Optik jenseits von CGI-Bühnenzauber und einer extrem starken Hauptdarstellerin.
Trotzdem muss man die Kirche etwas im Dorf lassen: Spiegel vorhalten und Feminismus frisch präsentieren ist ja gut und schön, aber die inhaltlichen Wiederholungen muss man sich definitiv schön-bumsen.
Auch kommt nicht jeder Unterpunkt (= was ist Selbstbestimmung?) bei mir total gut an, weil der Film wie eine maßangefertigte Woke-Phantasie für Leute wirkt, die noch nie einen RICHTIG verstörenden Indie-Film gesehen haben. Hier geht definitiv noch mehr Krankness statt Mainstream.
(Sehr „schön“ verstörende Filme im Zusammenhang mit Weiblichkeit: „Antichrist“ und „Bildnis einer jungen Frau in Flammen“)
Biologie, Gesellschaft und Regeln funktionieren halt NICHT so, wie es eine flotte „Poor Little Things“-Oscardarstellung liefert.
Ein gutes Werk, aber halt mehr für den Massengeschmack.
So eine Art „Avatar“ für Linke.
Ein bisschen – den Kopf einzieh – tiefgehender bespricht die Filmanalyse den Film.
Aus der Einleitung:
„Dem griechische Regisseur Giorgos Lanthimos gelingt, was Greta Gerwig nicht vermochte: „Poor Things“ ist ein intelligenter, wunderschöner feministischer Film, der jedoch nicht bei einer Kritik des Patriarchats stehen bleibt, sondern daraus eine universelle Botschaft ableitet. Emma Stone erleben wir in ihrer bislang schwierigsten Rolle, die sie bravourös meistert…“
Lahm/Dämlich.
Emanzipation = ficki-ficki wann und mit wem sie gerade will? (habe das Kritikervideo nicht angesehen, gehe aber davon aus, zu keinem Zeitpunkt wird die Pädophilie-Komponente thematisiert)
Im Grunde ist sie das aus Filmen bekannte „hübsche hässliche Entlein“.
Natürlich will man den Film verkaufen, weshalb Emma Stone besetzt wurde.
Aber die kannste drei Tage auf hässlich machen, es bleibt eben Emma Stone.
Mutig wäre es gewesen, DORT eine fette hässliche PoC zu besetzen – utopisch!
Kritik des Patriarchats… wie toll ist es doch, ein Mann zu sein: denn man kann bekanntlich jederzeit Jede haben, die man will :/
Für Dich würde es sich wirklich lohnen, mal die Kritik anzuhören.
Der Film ist schon etwas… Besonderes. Die Handlung fand ich manchmal etwas seltsam, die Darsteller hingegen stark, Emma Stone ziemlich mutig. Auch Mark Ruffalo mit einem sehr ungewöhnlichen Auftritt.
Warum Bella so war wie sie war, hatte ich schon wieder verdrängt (Hä? Fötus? Gehirn? Was?), weil ich die ersten 20 Minuten des Films als durchgehenen WTF-Moment erlebt habe. Teilweise starker Tobak und nicht gerade ein „Sissi-Film“, stellenweise aber auch sehr lustig. Für mein kleines Wohlfühlherz aber kein Streifen, den ich unbedingt ein zweites Mal sehen muss. Ich möchte in einem Unterhaltungsfilm nicht unbedingt ALLE seelischen und körperlichen Abgründe der Menschen bestaunen. Dafür gibt es schließlich RTL2.
Da lasse ich mir von Klapowski auch gerne sagen, das sei im Vergleich zu „richtig schön verstörenden Indie-Filmen“ nur etwas für den „Massengeschmack.“ Für meinen Geschmack war das teilweis schon einen Ticken drüber.
Ja, mit Massengeschmack hat dieser Film auch meiner Meinung nach nichts zu tun.
Und ja, er ist „anstrengend“ im Sinne von „Da gibt es unendlich viel nachzudenken und zu diskutieren“ und da macht man gerne fünf Jahre Pause bis man ihn sich nochmal ansieht.
Nun, was den Herren Klapo und dem intellektuell WEIT unterlegenen „Sozialer-Tunnelblick“-Wolfgang nicht ganz gelungen ist, habt ihr geschafft, ihr habt mich erfolgreich abgetörnt!
Dann lieber alle fünf Jahre die großartigen Sissi-Filme.