Gastartikel: „Hunger Games“ – Das Hungern nach dem Inhalt (II)

Unser Gastautor Tobias H. musste lange warten, bis ich heute endlich diesen zweiten Teil seiner Besprechungsreihe hochladen wollte. Böse Zungen (= seine nämlich) munkeln sogar, dass ich warten wollte, bis das hier als reale USA-Dokumentation durchgeht. Das STIMMT sogar. Aber da ich nächste Woche schon was vorhabe, veröffentliche ich die beiden abschließenden Kritiken etwas vorgezogen… Da ich selbst Probleme hatte, alle Filme der Reihe durchzustehen, bin ich Tobias für das Füllen dieser Lücke dankbar.
Mockingjay (Teil 1) (2014)
Endlich, endlich hat man die meisten Figuren aus der Arena herausbekommen, die nicht nur für diese qualvoll war. Der dritte Teil profitiert klar vom Ortswechsel, denn hier lernt man Distrikt 13 kennen. Der ist ein unterirdischer Komplex, der vor langer Zeit die Atomanlagen von Panem beherbergte. Zwischen dem Kapitol und diesem Ort herrscht seit 75 Jahren eine Art Kalter Krieg. Er ist optisch das genaue Gegenteil des schillernden Kapitols. Die Bewohner tragen schlichte, einfarbige Overalls, und auch sonst ist Sichtbeton das bevorzugte Stilmittel. Allerhöchstens einige Computerdisplays deuten einen Hauch von Farbe an.
„Aaaargh, warum teilen die das Finale? Keuch! Ich mach es trotzdem bis zum bitteren Ende (Schnauf) mit!“ Jennifer Lawrence rettet so manche Szene, was man aber erst durch „Das Lied von Vogel und Schlange“ so richtig würdigen kann.
Endlich bekommt man auch mehr erwachsene Darsteller angeboten. Es gibt hier Alma Coin, das Gegenstück zu Präsident Snow, gespielt von der stets guten Julianne Moore. Auch Plutarch Heavensbee, den man in Teil 2 schon kennenlernen durfte, bekommt hier dankenswert viel Screentime. Philip Seymour Hoffman kann so auftrumpfen. Das ist auch nötig, denn ähnlich wie bei dem Vorgänger merkt man auch hier, dass nur das Finale eingeleitet werden soll. Es passiert aber trotzdem genug, um die Spannung oben zu halten.
Die Distrikte erheben sich und ein neuer Bürgerkrieg bricht los, im Kapitol werden die gefangenen Sieger gefoltert (müssen die Teil 2 in Schleife sehen?) und Katniss darf nun endlich Propagandafilmchen runterdrehen. Obwohl man spürt, dass der ganz große Knall noch nicht kommen darf, war dieser Film doch immerhin für keine Sekunde öde. Selbst ein kleiner Luftangriff ist mit dabei, bei dem Präsident Snow physischen Terror mit psychischem Terror gut mixt. Eine Gefangenenbefreiung darf dann auch nicht fehlen. Tatsächlich freut man sich als Zuschauer, den sympathischen Peeta wiederzubekommen. Am Ende muss man dann aber erleben, wie er seine Katniss zu erwürgen probiert. Was war los? Keine Lust auf Teil 4? Ein guter Cliffhanger am Ende.
Fazit: sicher, der ganz große Wurf ist das hier nicht, aber das gilt für keinen der Filme der Reihe. Dieser hier bringt die Handlung aber voran, kann mit neuen, guten Figuren punkten, und statt der drögen Arena bekommen wir nun langsam endlich mal einen echten Krieg zu sehen. Okay, heutzutage hat man sowas in echt vor der Haustür, aber im unschuldigen Jahr 2014 fand ich es gut.
Mockingjay (Teil 2) (2015)
Das Finale! Alle Figuren kommen nochmal vor. Liebgewonnene Charaktere lassen das Leben. Die Schurken werden bestraft und alle Handlungsstränge überzeugend aufgelöst…
So etwas wünscht man sich als Zuschauer ja im Grunde immer. Tatsächlich bekommt der Abschluss auch viele der oben genannten Punkte gut hin. Die Figurenentwicklung ist dabei auch halbwegs in Ordnung. Gale, der Langzeitgeliebte, wird zum kaltblütigen Revoluzzer und disqualifiziert sich so in den Augen von Katniss selbst. Ihr Love-Fokus fällt dadurch auf Peeta, der aber blöderweise wegen einer Gehirnwäsche immer wieder probiert, sie zu ermorden. Die Probleme von modernen Teens kommen also super rüber.
„Hah, in dieser Montur stellen wir uns selbst unseren stärksten Kritikern.“ Tolles Bild! Die Statue von Altmeister Sophokles hat dieses moderne Erzählen auch direkt umgehauen. Zu erkennende Meta-Ebenen: Kommunismus kann es auch nicht sein (Katniss), Militär ist doof (alles), aber toll (alles), Statuen stehen oft nicht länger als es das Drehbuch will und Kabul ist näher, als man denkt. So viel ist zu entdecken, dass man mit dem Meckern kaum nachkommt.
Endlich ist dann auch der Befreiungskrieg in vollem Gange und man bekommt zumindest ab und an mal Action angeboten. Es krankt aber leider eben da. Die Autorin hat keinen blassen Dunst vom Militär und so folgt man Figuren in das umkämpfte Kapitol, wo man die albernen Hungerspiele-Fallen als Waffen nutzt, aber natürlich keine Straßensperren und Scharfschützen hat. So entstehen Actionsequenzen, die oft unfreiwillig komisch sind. Selbst Zombies (man nennt sie hier Mutanten) kann das Kapitol aufbieten. Ich muss aber fairerweise sagen: viele dieser Schwächen entstammen dem Buch. Man hat schon probiert, das Maximum herauszuholen.
Irgendwie ist das Kapitol dann besiegt. Eine Art Konferenzraum mit großem Lageplan habe ich dort persönlich sehr vermisst. Sei es drum. Die Bürger drängen sich zum Präsidentenpalast, wollen ihre Kinder vorlassen, und diese werden dann vom Kapitol bombardiert. Kantniss`s Schwester Prim kommt hier neben vielen anderen ums Leben. Danach wendet sich selbst die Leibgarde des Präsidenten gegen ihn. Der Krieg ist zu Ende. Am Ende erfährt Katniss, dass diese Bomben von Distrikt 13 abgeworfen wurden. Dies alles erfährt man im Zwiegespräch mit dem gefangenen Snow und seiner Rivalin. Die neue Herrscherin, Präsidentin Coin, erstickt die junge Demokratie, bevor diese losgeht.
Zuletzt soll Snow dann einer großen Show (!) öffentlich von Kantniss hingerichtet werden, aber diese wendet ihren Bogen gegen Coin. Eine wütende Menge zerfetzt dann den alten Regenten. Es ist nun unklar, was eigentlich hiernach passiert. Es gibt dann aber eine Sequenz, die Peeta und Katniss mit ihren gemeinsamen Kindern zeigt. Im Buch kann man auch schlussfolgern, dass eine Art Republik entstanden ist.
Fazit: naja, hier zählt der Versuch. Die Schauspieler mühen sich redlich ab, aber die dröge Action und die Hirnwäsche-Schmonzette machen vieles zunichte. Nicht das Ende, das ich der Reihe gewünscht hätte, aber nach „Indiana Jones 5“ sollte man trotzdem dankbar für so einen Schluss sein.
Gesamtfazit der Reihe:
Teeniefilmchen mit dystopischem Lack drüber. Es ist klar, dass diese Werke und ihre Vorlagen für eine junge Zielgruppe gedacht waren. Bei den Filmen waren aber trotzdem meist genug erfahrene Leute im Hintergrund, um eine Vollkatastrophe à la „Maze Runner“ oder „Die 5. Welle“ zu umschiffen. Somit ist die Panem-Reihe dann schon irgendwie der Terminator in einer Arena voller kämpfender Kinder.
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