Film- und Serienkritiken

Der Latinum-Standard des Star Trek Universums

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Kurzfilm „765874: Unification“ und Dokumentation „William Shatner: You Can Call Me Bill“

Kurzfilm „765874: Unification“ und Dokumentation „William Shatner: You Can Call Me Bill“

Heute zu viel Spaß gehabt? Trotz Blick in die Tagesschau & den Rasierspiegel zu wenig an den Tod gedacht? – Dem kann man abhelfen! Denn mit dem 7-minütigen Nahtoderlebnis von Kirk (das danach bekanntlich zum Langtoderlebnis wurde) erfahren wir endlich, was nach dem Ende vom 7. Kinofilm passierte. Außerdem gibt es bei Amazon Prime derzeit die Doku „Call Me Bill“ zu sehen, in der unser allererster Lieblingscaptain anderthalb Stunden über sein nahes Ableben sinniert. Nun ja, und natürlich über seine Karriere. Aber das konnte ich kaum hören. Mir waren zu viele Tränen in die Ohren gelaufen…


„William Shatner: You Can Call Me Bill“ (2023)

Hat man jetzt schon so lange (das alte) Star Trek verfolgt, dass selbst die Dokus langsam weinerlich werden?

William Shatner sitzt hier in einem dunklen Raum, beantwortet unhörbare Fragen aus dem Off, sammelt feuchte Ränder an den Lidern und erzählt von toten Hunden, kraftvollen Pferden, dem Ende seines Lebens, seinen Bühennauftritten und sonstigen Rollen – und ja, Star Trek ist immerhin zu ca. 50% dabei.

Das alles wirkt oft melancholisch, wie er verfrühter Nachruf. Wie verfrüht auch immer ein Nachruf sein kann, wenn die Person darin 93 Jahre alt wird…?

Aber gut, anders geht es inzwischen nicht mehr.

Star Trek nach „alter Manier“ ist nun seit über 20 Jahren tot. Und Kirk „endete“ im Kino vor genau 30 Jahren. Hier bleibt halt nur noch die Träne-im-Knopfloch-Betrachtungsweise übrig, um sich dem Thema „Star Trek“ zu nähern. Immerhin hatte Shatner ja bereits 2011 mit dem Film „The Captains“ mit Scott Bakula halbnachdenklich in den Staub geblickt, mit Stewart angenehm geplaudert und sich von Avery Brooks zeigen lassen, wie man live vor der Kamera wahnsinnig wird.

Da sei ihm ein NOCH persönlicherer Abschied von Herzen gegönnt.

Heute also geht es darum, dass Bill niemals seine Urenkel wird aufwachsen sehen. Dass Bäume im Untergrund kommunizieren, alle Menschen verbunden sind (auch NACH der millionenfachen Abschiebung? Muss da noch mal nachhaken…) Und dass er Kirk stets so angelegt hat, dass er Humor verströmen kann, gerade WEIL er autoritär ist.

Manches war für mich neu, manches nur etwas neu (er fand seinen Tod in „Generations“ zu düster) und maaaanches sogar dezent blöde. Zum Beispiel, dass man Kirk-Doppelgänger, Kirk-Formwandler & Kirk-Androiden anders spielen muss als den Original-Kirk.

Trotzdem habe ich diesen trauerbekloßten Einblick in Shatners Philosophie und alte Western-Rollen sehr genossen. Hier ist nichts zu spüren vom oft berichteten Schürzenjäger-Shatner, vom Egomanen-Shatner und „Muss unbedingt auch mal Regie führen“-Shatner.

Und mit was wurden diese ewig gleichen Personenklischees weggelassen? Mit recht!

Schon heute schäme ich mich für Dinge, die ich vor 25 Jahren gesagt oder geschrieben habe. Niemals würde ich mich vor die Kamera setzen und sagen: „Odyssee im Weltraum war mal der ödeste Film, den ich je gesehen habe.“ – Vielmehr würde ich wohl auch einen auf Kirk machen und das Weltraumbaby beweinen, während ich den schwarzen Monolithen in meinem Vorgarten umarme – irgendwas von „unabänderliche Kantigkeit des Menschseins“ murmelnd.

Somit ist diese Dokumentation vielleicht nicht der beste oder Einblick-bringendste Rückblick auf Star Trek, aber eine sehr passende Abrech… Anrechnung von allem, was Shatner je geben wollte, konnte, durfte, musste.

Dass manches etwas oberflächlich klingt (dass wir alle baumwurzelgleich verbunden sind, hätte man z.B. im Alien-Kontext doch ausbauen können?), stört da wenig. Denn genauso stochern ja auch die alten Fans inzwischen in Erinnerungen, in den ewig gleichen Vor- und Nachteilen des Franchises in den 60ern, 80ern, 90ern.

Ja, hier holt mich Shatner an der taschentuchübersäten Haltestelle ab, an der ich seit „Discovery“ eh schon wartend stand.

Daher: Ruhig mal angucken.

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
ALLES IN ALLEM

„765874: Unification“

Zugegeben, der Kurzfilm ist eher eine Technik-Demo als eine Trek-Neuerfindung. Und dennoch ist dieses Werk von „OTAY Inc.“ und den Roddenberry-Erben VIEL mehr als das.

Zum vielleicht ersten Mal werden die alten Figuren so gelungen per KI und der „Digital Prosthetic Technology“ zum Leben erweckt, dass man FAST in diesen Szenen versinken kann. Der Schauspieler Sam Witwer wurde hier zu Kirk, der hier nach seinem Tod durch eine „Anderswelt“ streift.

Ob dies das Paradies ist, eine finale Gehirn-Zuckung oder etwas ganz anderes (der Nexus aus dem Film?), spielt dabei keine Rolle. Denn der Kurzfilm thematisiert hier nichts außer den Bildern, die alle superschön sind. Klar, manchmal blitzt eine geringe Künstlichkeit über den Bildschirm (war das ein Wabern?), aber im Prinzip hätte man diesen wortlosen Nachklapp direkt ans Ende von „Generations“ schneiden können, ohne Fackeln und Heugabeln der alten Greenscreen-Hasser zu beschwören.

Neben den drei verschieden alten Kirks (die aus TOS, Zorn des Khan, ST7) gibt es unter anderem ein Wiedersehen mit Saavik und natürlich Spock – der ebenfalls im Sterben liegt.

Mehr muss man eigentlich wissen, daher:

Bildgewalt, nur halt ohne Gewalt: Dass man auf konfrontative Sequenzen verzichtete (es gibt z.B. keine Rückblicke auf Kämpfe, abstürzende Raumschiffe oder sterbende Söhne) wirkt aus heutiger Sicht nicht mal Oldschool. Denn in den 60ern hätte man das vielleicht ebenfalls „krawalliger“ inszeniert?

Komischerweise kommt man keine Sekunde darauf, dass dieser Totentanz mit einem – hoffentlich jetzt gerade – noch lebendem William Shatner geschmacklos oder technokratisch sein könnte. Viel mehr drängt sich der Gedanke auf, was zum Henker CBS und Paramount in den letzten Jahren eigentlich getrieben haben, um 200-Millionen-Dollar-Bomben ohne Herz zu zünden, obwohl ein 20-Millionen-Dollar-Werk (um einfach mal irgendeinen Bitcoin-Gegenwert zu nennen; der Kurzfilm war garantiert günstiger) völlig ausreichen würde, um irgendwas mit Herz und Verstand zu erschaffen.

Besonders fällt auf, wie gut getimet jede einzelne Sekunde wirkt, wie perfekt die Bildelemente erscheinen. Vergleicht man das mit Nahtod-Erlebnissen bei z.B. Doktor Culber oder den generellen Verabschiedungen am Ende von DISCO (Staffel 5), so steht dieses kleine Kleinod einfach für sich. Breitbeinig und hemdsärmlig wie Kirk selbst, aber trotzdem so gefühlvoll wie Deanna Troi nach dem Gefühls-Gangbang.

Ein ganz tolles, kleines Werk, dem gerne noch weitere KI-Fanfilme folgen dürfen.

ACTION
HUMOR
TIEFSINN
ALLES IN ALLEM

(Und wenn zukünftig geredet wird, habe ich auch nichts dagegen)

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Artikel

von Klapowski am 08.12.24 in Fan-Filme, Star Trek

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Kommentare (12)

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  1. JP1957 sagt:

    Ein Sonntagmorgen mit (ur) alten Männern.

    Erst entdecke ich das beeindruckende Video „All my love“ von Chris Martin (Coldplay) mit dem 99-jährigen Dick van Dyke (Mary Poppins) und dann schenkst Du mir Shatner und Nimoy in einem liebevoll gemachten Kurzfilm.

    Was man alles sagen kann, wenn man „Show don’t tell“ beherrscht.

    Es lohnt sich auch, die Kommentare auf YouTube dazu zu lesen … das war das, was einst Star Trek ausmachte.

    Ich hab es ja schon einmal geschrieben – ich würde hier viel lieber mehr solche „positiven“ Reviews lesen, gerade heutzutage.

  2. JP1957 sagt:

    Einer der Kommentare auf YouTube zu Unification:

    „People: Please compare this now with the Section 31 trailer that Paramount just dropped today… My god how far we’ve fallen here! One was clearly made by those who understand, respect, and love Star Trek, the other was not.“

    • Agentbauer sagt:

      Das kann ich so 1:1 unterschreiben, ich habe auf Youtube einen ähnlichen Kommentar hinterlassen.
      So emotional hat mich seit Langem kein Film mehr berührt.

      Antworten
  3. G.G.Hoffmann sagt:

    Schönen Gruß aus dem uncanny valley. Es sieht einfach furchtbar aus. Weit schlimmer noch als die Anfangssequenz in „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“. Bitte in ein paar Jahren noch einmal versuchen.

    • jako sagt:

      Jup. Kann ich nur zustimmen. Ich Fand es überhauptnicht nicht gut, geschweigedenn schön…

      Und inhaltlich ist das kitschige Heldenverehrung, viel mehr nicht.

      Antworten
    • jcneal sagt:

      Ich fand das schon recht ansprechend. Besonders die (paar) Gesichtsausdrücke vom jungen Kirk. Bei mehr Falten hat die Software wohl noch (zu) viel zu tun.

      Was mich störte, war dieses Echsen-Alien mit dem dicken Hals.
      laut Google: „Yor“ https://memory-alpha.fandom.com/wiki/Yor
      Jo. Den habe ich nur kurz als Standbild-Holo in DISSO gesehen, über den wurde da nur was ERZÄHLT, „Time Soldier Paralleluniversen Körper zerfällt“ blabla. Dafür ist das hier aber ziemlich prominenter Auftritt? Will sagen: Was sollte das denn? Wozu denn in einer Hommage an TOS-/Movie-Kirk und Spock noch DIS-Inhalte reinbringen??
      Dieser Yor trägt den TNG-Schlafanzug aus den ersten Staffeln. Hat den jemals einer auf der Enterprise-D wahrgenommen? Ein über 30 Jahre im Voraus geplantes Easteregg? Das glaube ich nicht.
      Der Nexus war ja irgendwie außerhalb von Raum und Zeit; was allerdings sonstige „normale Zeitreisen“ und das Spiegeluniversum nun damit zu tun haben sollen, weiß ich nicht.
      SPOILER: in der 6. Staffel von DISSO reist Burnham nach El-Aurean reist und nennt sich ab da Guinan…

      Naja, als etwas sentimentaler Schlusspunkt für Kirks Reise ist das Video besser als der Film „Generations“.
      Und immerhin lauerte im Licht am Ende des langen Ganges keine grinsend-heulende Brennschinken!

      Antworten
  4. Gott ist groß und seine Unterhose erst recht sagt:

    Ich kann so einen Film ohne Pegasus, der vom Meeresstrand über einen Regenbogen zeitlupig zu den Sternen galoppiert, einfach nicht ernst nehmen.

  5. Serienfan sagt:

    Uff uff uff…

    Ich sag es frei heraus: Wenn ich die Wahl habe zwischen religiösem Kitsch und fetziger Respektlosigkeit, dann wähle ich die Respektlosigkeit. Her also bitte mit dem „Section 31“-Film, nach pappsüßem Pudding braucht man manchmal einen Magenbitter.

    Ich weiß schon, liegt alles voll im Trend. Auch in einem quälend langen, aber verblüffend erfolgreichen Hotel-Matze-Podcast wird inzwischen ein Hape Kerkeling so interviewt, als habe er einst den Hinduismus erfunden. (Gut, das Gespräch mit Precht war hörenswert.)

    Ob diese Art spiritueller Verklärung von „Star Trek“ und seinen Darstellern die richtige „Antwort“ aufs Kurtzman-Trek ist, möchte ich ein wenig bezweifeln. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich darin den berühmten „Schritt in die richtige Richtung“ sehe, oder ob es nicht sogar ein noch größerer Irrweg ist, der sich hier auftut.

    • jcneal sagt:

      Der Kirk sei unser All Heiland.
      Gebeamt sei sein Körper, wie auch sein Geist verdoppelt.
      Er führe uns durch den Ionensturm und finde jedes Weibe der Galaxie.
      Und senke auch nicht die Schilde, bevor es nicht der Klingonenmann macht.
      Seine Föderation komme. Sein Befehl werde ausgeführt. Sein Warp-Faktor geschehe.

      Siehe, wie er in seinem Himmelswagen über das Firmament zieht.
      Und der Name des Wagens lautet: ENTERPRISE.

      https://futurama.fandom.com/wiki/Church_of_Trek?file=TrekChurch.jpg

      (wenn sein Twitter-Account authentisch ist, dann ist Bill noch recht aktiv!)

      Antworten
    • G.G.Hoffmann sagt:

      @jcneal

      Brent Spiner hat ja letztes Jahr in einem Interview mit Michael Rosenbaum verraten, was ohnehin schon viele geahnt haben, dass William Shatner seinen Twitter-Account nicht selbst bedient. Viele Tweets von „ihm“ sind eindeutig nicht sein Stil. Zudem ist er auf mehreren Sozialen Medien (scheinbar) aktiv. Manche vermuten seine Tochter dahinter.

      https://youtu.be/IG7Pl0uHIUQ?si=jVZGUqci1LycMCqg

      (ab ca. Minute 11).

      Spiner äußert sich aber sehr positiv über Shatner und zeichnet ihn als sehr belesenen und freundlichen Mann, der stets ein Buch dabei habe (während er auf Twitter oft sehr arrogant und herablassend rüberkommt). Wer immer seinen Account bedient, tut ihm damit keinen Gefallen.

      Sehr gut gefällt er mir in einem aktuellen Interview:

      https://youtu.be/9XgDzLd7Qlc?si=YmoPdWIbnH07G7NY

      Antworten
    • jcneal sagt:

      @ G.G.: Danke.
      Bei dem hohen Alter von Bill ist das auf jeden Fall verständlich.
      Die Tweets, die ich gesehen habe (folge ihm erst seit ca. 1 Jahr) waren m.E. auch eher scherzhaft zu verstehen, mit Augenzwinkern, nichts weltbewegendes; und, ganz wichtig: „No Politics!“ ;)
      Oder die Kabbelei mit „Mark Hamill“. Alles davon kann ich eh` nicht verstehen mit englischen Anspielungen etc.

      Dafür ist er bis jetzt noch recht oft persönlich unterwegs, auf Conventions oder für Interviews… das zusammen mit der Social-Media-Präsenz wäre schwierig für 1 Person im gestandenen Alter, und er ist schon 93!

      Vielleicht guckt er ja ab und zu mal über ein paar Posts drüber. Wäre mehr als andere „Stars“ machen.

      Antworten
  6. Yole sagt:

    Jetzt oder nie. Vielleicht wird man den Kurzfilm als Abschluß des alten und neuen Trek betrachten können. Die aktuell produzierten Serien floppen noch kurz auf und dann kommt was ganz neues….

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