„Die Stunde des Skorpions“ – Ein Gastartikel
Tag, hier Klapo… Leider dauert es noch etwas, bis die „Schlechteste Filme“-Liste fertig recherchiert ist. Eine große Entschuldigung dafür. Auch an meinen Neurologen. – Doch zum Glück blitzte neulich eine neue Mail auf, in der Betreff was von „schlechten DDR-Filmen“ stand. Sofort war mir klar: Mein Freund Tobias H. arbeitet ebenfalls weiter an seiner „Miese Movies“-Liste und hat sich abermals mit einer Pulle Rotkäppchen-Sekt und Bautz’ner Senf vor das volksempfängerische Fernmeldebild-Gerät gesetzt.
„Die Stunde des Skorpions“ ist ein DEFA-Film aus dem Jahre 1968. Er ist so unglaublich unbekannt, dass selbst ich nie etwas davon gehört habe – bis ich in einem Museum einen Ausschnitt gesehen habe. Ein ideales Filmprojekt für den Fan von alter und schräger SciFi also.
Die Handlung ist schnell erzählt: in einer schönen und natürlich absolut sozialistischen Zukunft ereignen sich Mordfälle ohne erkennbaren Täter. Eine geheime Space-Stasieinheit beginnt zu ermitteln und findet Hinweise auf einen Tarnumhang und einen mysteriösen Industriellen (Kapitalistenschwein!!!).
So läuft man dem Ermittler durch winzige Kulissen lange hinterher, bevor es dann zum Showdown aller Figuren auf einer Raumstation kommt. Der Industrieboss ist ein Supergangster, der eine neuartige Energiequelle (zur Erforschung des Alls gedacht? In 5 Minuten zu Superwaffe umbaubar?) der Raumstation nutzen will, um die Welt zu erpressen.
Oh, der Tarnumhang ist das Werk einer außerirdischen Intelligenz – das wird uns ganz am Ende in 2 Sätzen von ELVIRA, der KI der Space-Stasi, erzählt und sogar kurz gezeigt. Sonst noch was: ja, eine unnötige Lovestory ist hier auch drin.
„Ich bin beeindruckt!“ „Von dem Großrechner?“ „Was? Nein, wo gibt es solche Korbstühle im Osten?“ Das ist übrigens der am besten ausgestattete Raum im Film – mit Abstand.
Puh, eigentlich ist der Film eine Miniserie, die mit 3 Folgen zu je 60 Minuten Länge daherkommt. Das ist aber deutlich zu viel Zeit für diese Handlung. Das hätte TOS in eine Folge gepackt und nebenbei noch genug Raum für Sticheleien zwischen Spock und Pille gehabt. Es ist wirklich schwer, hier zuzusehen. Wo die anderen DDR-„Perlen“ (Eolomea, Der schweigende Stern…) wenigstens schräg-lustig waren, kommt hier alles so ernst und drückend daher wie ein SED-Parteitag zur Ausschaltung humorvoller Elemente.
Manche sahen hier sogar den Gegenentwurf des Ostens zur auch dort sehr erfolgreichen „Raumpatrouille Orion“. Diese war den SED-Machthabern ein Dorn im Auge und so kam wohl auch das Drehbuch mit offensichtlichen Referenzen auf die Beine. Der Vergleich lohnt sich schon:
– Orion konnte mit für damalige Verhältnisse riesigen Sets aufwarten – hier hat man das Gefühl, dass die heimische Besenkammer mehr Raum bietet
– man zeigte im Westen ein komplettes Unterwassercasino mit einer sonderbaren neuen Tanzform, die viele der Gäste praktizierten – hier machen vier Leute Tanzverrenkungen auf kleinem Raum
– die bayrischen Raumhelden hatten mehrere Raumschiffmodelle anzubieten – hier ist selbst eine Raumschlacht nur ein kleines Blinken auf einem Radarschirm oder aber eine Hightech-U-Boot-Yacht wird immer nur als U-Boot-Turm gezeigt, der aus dem Wasser ragt
– ganz allgemein konnte McLane’s Truppe mit sogenanntem Geld aufwarten, welches etwa für ein wirklich einzigartiges Design genutzt wurde – das ist hier nie der Fall und so gibt es eigentlich nichts, was den Zuschauer auch nur im Ansatz fesseln könnte
Der Film ist so (zum) vergessen, dass ich tatsächlich kein gutes Bild der Aliens jenseits vom DVD-Cover habe finden können. Rechts unten erkennt man immerhin die Krönung der Maskenbildnerkunst, die auf etwa 20 Sekunden Screentime kommt.
Das alles muss nicht mal schlimm sein, aber die Story und die wirklich blassen Darsteller tun dann ihr Übriges. Sicher, gerade bei solchen Projekten, die als Gegenentwurf gedacht waren, kommt der Geist der Oberschicht oft deutlich durch, aber ich bin mir sicher, dass wäre auch damals schon alles etwas knackiger und witziger gegangen. Insbesondere der bemühte Orion-Kontrast macht das alles so unangenehm.
In der letzten Folge wird dann doch ein kleines Effektfeuerwerk gestartet und wir bekommen eine unscharfe Raumstation und schlecht verkleidete Aliens zu Gesicht. Wie genau die KI diese nun herleiten konnte ist da schon nicht mehr wichtig oder aber interessant. Man ist froh, dass es vorbei ist und abermals dankbar für die Abwesenheit von Stasi-Derivaten aller Art.
Fazit: blutleerer und völlig zu Recht vergessener Film aus der Unterwelt des DEFA-Archivs. Sogar Trash-Fans werden hier verzweifeln.
„Diese war den SED-Machthabern ein Dorn im Auge…“
Ich würde mich sehr über einen Beleg dazu freuen, Zeitungen wie das „Neue Deutschland“, in denen möglicherweise eine Kritik von „Orion“ erschien, sind ja leider nicht in digitalisierter Form zu finden.