The Coffin of Andy and Leyley – Das Spiele-Review voller Geschwisterliebe
Typisch Klap! Da lauert eine Milliarden-schwere Videospiel-Industrie gleich um die Ecke und der Höööörr konzentriert sich stattdessen auf die passive Glotz-Unterhaltung von Vorgestern. Klar, dass der Spark mal wieder alles richten muss. Doch mit überteuerten Mainstream-Titeln wie Fortnite („30 Euro für einen Skin?! Gibt es etwa gerade ein Sonderangebot?“) kann man MICH natürlich nicht hinter dem Spielestudio hervorlocken, weswegen ich nun etwas tiefer in die Steam-Schublade greife…
„The Coffin of Andy and Leyley“ ist eine Visual Novel (also wie ein Bilderbuch, nur mit Mausklicks!), in welcher es um das namensgebende Geschwisterpärchen geht. Diese wurden wegen einer Pandemie in ihrer Wohnung eingesperrt und verhungern langsam aus verwaltungstechnischen Gründen, denn die Zahlung vom Mindestlohn beim kommunalen Ordnungsdienst ist schließlich immer eine gute Idee! Nur gut, dass der Nachbar nebenan gerade ins übernatürliche Fettnäpfchen getreten ist und sein Fleisch nun so ganz ungenutzt in der Gegend rumliegt. Und waren im Schrank nicht noch ein paar Gewürze?
„Sohn, ich bin so stolz dich. Dieses Hackebeil habe ich mir schon immer gewünscht! Aber das mit dem Scharfmachen hast du irgendwie falsch verstanden?!“ – Dem Masturbör ist nichts zu schwör. Dieser Screenshot übrigens zeigt einen der entspannteren Momente dieses Spiels. Unser Held hat die Tupperdose für die Gedärme seines Vaters nämlich bereits vorbereitet.
Eines vorweg, mit 3D und Open World ist hier Nix. Abgesehen von ein etwas Rumlaufen, ein paar Entscheidungen und lockeren Einsteiger-Puzzles („Stelle ich den Stoffhasen auf das LINKE oder RECHTE Podest??“) ist der Ablauf sehr linear, doch den Schwerpunkt stellt sowieso die perverse Geschichte dar (*lechz*). Aber dank einer tollen Atmosphäre und wunderbar kaputten Figuren kommt diese SEHR gut rüber. Und mit den Figuren meine ich ALLE. Hier gibt es keinen netten Hauptcharakter, keine Helden und keine moralisch guten Lösungen für die Probleme, vor denen man gestellt wird. Es ist eine nette Abwechslung wenn Mitglieder einer satanischen Sekte über die größte Sympathie verfügen.
Aber die Erwählweise sorgte bei mir für die größte Motivation zum Weiterspielen. Wird man zu Beginn noch ins kalte Wasser geworfen sorgen später Rückblenden dafür, dass man den Vollschuss der asozialen Geschwister erst so richtig zu schätzen weiß. Leider ist es gerade bei Visual Novels schwierig ins Detail zu gehen, ohne zu spoilern. Aber was man im Verlauf an Mord, merkwürdigen Essgewohnheiten und… öh… intimer Romantik vorgesetzt bekommt lässt selbst Cersei und Jaime aus Game of Thrones wie eine vergleichsweise stabile Beziehung wirken.
„Andrew, mein lieber Bruder. Mit diesem Finger halte ich dich auf Distanz. Als emotional stabile Person hege ich nämlich keinerlei Gefühle für dich, welche unsere Gesellschaft als tabu ansieht.“ – „Puh, da bin ich aber froh. Also gehört das Blut, welches gerade unter der Türm vom Kleiderschrank rausläuft, NICHT zu meinen darin gestapelten Ex-Freundinnen??“ – Lieber Inzest als Mathetest? Schwester Ashley liebt ihren Andy gaaanz doll und sogar eine Puppe hat von ihm hat sie gebastelt. Aber warum sehen die Augen davon so ECHT aus… ??
Grafisch und musikalisch wird zwar nicht geklotzt, aber handwerklich passt alles wie das Messer ins Auge. Die Musik schwillt in den vielen schrägen Momenten an wie ein aufgeblähter Leichnam und hält sich dazwischen aber auch mal zurück. Man muss zudem auch berücksichtigen, dass hinter dem ganzen Spiel anscheinend nur EIN Macher steckt. Finde diese alleskönnenden Wunderkinder ja immer faszinierend, schon so rein vom Sitzfleisch her… *auf knochigen popo zeig*
„Was? Werbung für Selbstmord?? Wie geschmacklos!“ – „Das stimmt! Und jetzt komm, wir brauchen noch ein Opfer für den Rest meiner Zahn-Halskette.“ – Euthanasie? Dann lieber dicke Euter, hör-höörrr! Auf ihrer wunderbaren Tötungs-Tour treffen unsere beiden Anti-Hel— Anti-ALLES nämlich auch auf schöne Frauen mit schöner blasser Haut. Also, NACH dem Ausbluten.
Fazit: Wer interaktive Geschichten mag UND gerne auch mal im Kannibalen-Katalog blättert, dem sei dieses Spiel sehr ans (rausgeschnittene) Herz gelegt. Negativ könnte man höchstens anmerken, dass es sich auch hier um „Early Access“ der Marke „Geld jetzt, Weiterspielen später“ handelt. Aber 2-3 Stündchen makabre Unterhaltung sind schon jetzt enthalten und einmalig zehn Euro zur Unterstützung von Indie-Machern kann man ruhig mal investieren.
Das sind immerhin zehn Euro mehr als Klapo bisher in MICH investiert hat. Buhuuu!
*an daniel-puppe weiterklöppel*
Danke für die überraschende Vorstellung. Da ich seit einigen Jahren tatsächlich auch Spiele schätze, die gar keine sind („Hey, eine Geschichte mit Knopfdrücken statt Umblättern. Why not?“), merke ich mir das vor.
Allerdings mag ich’s nicht, in Early Access-Games reinzuschauen. Spielstände werden dann vielleicht nicht in die fertige Version übernommen – oder man vergisst drölfzig Jahre später, dass diese inzwischen rausgekommen ist.
tach auch !
Sehe ich das richtig, dass ich als Betatester (fast) 10 Euro zahlen soll, um das zu testen?
Gruß BergH