Gastbeitrag: Kritik zu „Der Schwarm“ – Bauchlandung nicht nur für Wale
Tobias H. meldete sich erneut bei mir. Er habe nun derartig viel Freizeit, dass er tagein, tagaus nur noch ungefragte Reviews schreiben wolle. Da ICH diesen Luxus nicht besitze (Dabei hatte ich Sparkiller sogar 2010 gesagt, er solle 10 von diesen komischen „Bitcoins“ kaufen), füge ich mich in die Rolle einer fleischlichen Veröffentlichungs-KI. Es könnte aber schlimmer kommen. Zum Beispiel eine deutsche SF-Serie sehen müssen. Schauder.
Der Schwarm, war ein Bestseller von Frank Schätzing, der uns im Jahr 2004 in praktisch jeder Buchhandlung begegnete. Ich erinnere mich noch deutlich an das blaue Auge, welches auch mich anstarrte und via Hypnose zum Kauf brachte. Der Roman war eher mittelmäßig, wenn ich das noch recht im Kopf habe – ein typischer Fall von: aber das kommt aus Deutschland!!!
Nun hat sich das ZDF zusammen mit etlichen anderen Fernsehanstalten an eine Verfilmung gewagt. Entstanden ist eine achtteilige Fernsehserie, die man in der Mediathek des Senders „genießen“ kann.
Manchmal können Serien durch ihre Verdichtung die Schwächen des Werkes ausgleichen. Hier auch?
Dieses Werbebild zeigt schön das Simulieren von nicht vorhandener Epik. Im Ernst, hat man Lust auf diese Truppe? Das Boot hingegen ist gut gewählt, denn es nimmt den Endzustand des ahnungslosen Betrachters vorweg.
Zum Vergleich ein Poster von „The Abyss“. Cool: U-Boote, geheimnisvolle Wasserwesen und warum hat der Typ hinten Wasser im Helm? So machen es eben Könner.
Im Ernst: nein! Was man hier geboten bekommt, wurde von Schätzing treffend als „Es pilchert eher, als dass es schwärmt!“ umrissen. Doch worum geht es eigentlich?
Es fängt harmlos an: Fischer verschwinden und Wale verhalten sich ungewöhnlich aggressiv. Mehr und mehr häufen sich Vorfälle, die allesamt mit den Ozeanen in Verbindung stehen. Die Ereignisse überschlagen sich dann, als Schiffe versinken. Das alles ist zu gezielt für einen Zufall. Ein Team aus Forschern entdeckt eine fremde Schwarmintelligenz, weit älter als die Menschheit, die in den Meeren haust. Nach verheerenden Katastrophen probiert man einen Dialog zu eröffnen.
Soweit der Rahmen, an dem die Verfilmung vorbeiplätschert. Tatsächlich halte ich dieses Werk für angehende Regisseure sogar für sehr sehenswert, denn es zeigt deutlich, was man in deutschen Landen typischerweise alles falsch macht. Im Grunde sieht man hier einen Öko-Tatort mit mehr Budget, aber ansonsten tut sich nicht viel.
Die Figuren handeln unmotiviert, die Darsteller wirken blutleer, und die Kameraleute wurden offenbar alle durch Stative ersetzt. Wo uns Hollywood immerhin große Bilder bringt, bleibt hier alles an der Oberfläche (in mehrerer Hinsicht). Besonders stark ist der Kontrast zu den Darstellern, die man aus Japan hat einfliegen lassen – die verstehen mit stets geringem Mienenspiel ihr Handwerk. Gut, der Fokus liegt also auf den Gefühlen, das muss keineswegs übel sein.
Leider haben alle Ereignisse kaum emotionale Folgen. Egal ob die beste Freundin samt anderen Kollegen ersäuft oder aber ein Super-Tsunami Nordeuropa plattmacht: Alle wirken seltsam unbeteiligt – oder ist das der Schock? Im Roman spielt auch das Militär der USA eine größere Rolle. Die Armee wird zwar mal angedeutet, aber verschwindet gleich wieder. Ja, die Supermacht baut halt deutlich ab.
„Oh, ein toter Schwertwal. Das lässt mich als passionieren Walknuddler aber eher kalt.“ „Hör auf zu meckern, wir müssen das Ding in Wasser rollen, bevor sich noch wer aus Protest daran festklebt.“ Bilder wie diese bleiben eben nicht hängen.
Rein optisch ist das Gezeigte für eine Fernsehproduktion ordentlich, aber eben nicht mehr. Das Budget reichte nicht, um die Katastrophen glaubhaft zu illustrieren. Wenn ein Tsunami kommt, will ich das im Kino nicht nur für 2 Minuten sehen. Ein paar Bilder von den plattgemachten Landschaften sollten schon kommen. Auch die Quallenplage in Venedig endet nach kürzester Zeit. Unterwasseraufnahmen, die sich hier angeboten hätten, sind ebenfalls sehr rar. Da kann jede Wal-Doku mit mehr aufwarten.
So geht das gefühlt endlos weiter. Ich selbst habe mir den „Schwarm“ gegeben, als ich mit Grippe auf der Couch saß. Um meine miese Stimmung zu unterstreichen, eignete sich das Werk bestens. Am Ende von Folge 8 hätte ich allerdings schwören können, dass ich schon seit Wochen krankgeschrieben bin.
Fazit: netter Versuch, zugegeben. Wer allerdings „The Abyss“ kennt, der wird sich hier vor Lachen kaum halten können. Diesen Cameron-Film empfehle ich als gutes Gegengewicht.
tach auch !
Ich fand das Hörbuch zu dem Schwarm , als O.K.
Bei der TV Serie habe ich bei Folge 6 aufgegeben. Es war imho noch schlechter , als Tobias das oben schildert.
Obwohl ein Teil der Hauptdarsteller*inennen recht atraktiv waren, spielten alle so emotionslos,
als hätten die Yyr schon das Gehirn übernommen. Bei dem Budget und den Schauspielern hätte mehr herauskommen müssen.
Gruß BergH
Immerhin hab ich jetzt Lust mir mal wieder „The Abyss“ anzusehen.
Schwächen im Roman?
Wo sind die denn?
Viel besser wäre es wohl nicht gegangen. Die Buchvorlage war schon eher meh und hat weder meine Frau noch mich hinter dem Ofen vorgelockt. Meistüberschätzter Schätzing bisher.
Die letzte gute deutsche Scifithrillerserie (die eher ein Pandemiethriller war): Sløborn.
Sowas funktioniert gut im kleinen Rahmen, in einem deutschen Setting.
Auch hier könnte ich meckern über emotionales Geseiche und „wer hintergeht wen, wenn nicht gevögelt wird“ … aber das kann ich US-Produktionen auch vorwerfen, die Schauspieler haben geliefert.
Und das Pandemiesetting, in gemütlicher Inselatmosphäre, das geht immer. Zumal eine Pandemie war.
Wo wir dabei sind: Station Eleven, von HBO, ist die erste Pandemieserie, die mal emotional stabile Menschen zeigt, die selbst bei Härten versuchen, sich zusammenzureißen und aus der Lage das Beste zu machen. Ich hoffe, das macht Schule, soviel Optimismus bei starkem Charakterdrama ohne das übliche Intrigenschmieden, hat mich umgehauen, gab es seit den 90ern nicht mehr?!
Klar, es hatte jeder ein Trauma, aber auch das war weniger weinerlich dargestellt als bei NuTrek.
Station Eleven ist völlig an mir vorbeigegangen … werd ich mir mal ansehen, zumal ich gerade recherchiert habe, dass Mackenzie Davis dort mitspielt.
Die fand ich in – der leider kaum bekannten Serie über die Anfänge der Computerentwicklung – „Halt and catch fire“ überragend und in ihrer Nebenrolle im „Marsianer“ toll.
Danke für den Hinweis.
Hab Mackenzie Davis in Terminator Teil sonstwas eher als geschlechtsloses Wesen kaum wahrgenommen – aber bei Station Eleven zeigt sie sich luftiger und weiblicher, und hat die niedlichsten Kulleraugenblicke, das beeinflusste vielleicht meine Wertung der Serie ^_^
Kann aber auch sehr böse und griffig gucken, also die hat schon ein richtiges breites Spektrum.
Und deswegen wirkt sie als Hauptcharakter mit Messerkampferfahrung einfach nicht lächerlich, wird alles hergeleitet und gut gespielt. Etwas holprig ist nur ihr Mädchencharakter in der Vergangenheit, so superschlaue nerdige Mädchen sind einfach selten, allerdings wäre es mit dummen Mädchen auch nervig, passt schon.
tach auch !
@Miles
https://literaturkritik.de/id/7292
Nur so als Beispiel , wo es auch im Buch schwächelt.
Oder hier positiv aber auch kritisch:
https://www.krimi-couch.de/titel/2804-der-schwarm/
Gruß BergH
Danke. Ich habe es damals in erster Linie als Wissenschaftsthriller gelesen und fand es sehr spannend, eine zweite intelligente Spezies auf unserem Planeten zu erfinden.
Der angebliche oder tatsächliche schlechte Stil ist mir nicht aufgefallen.
Entweder, weil ich zu blöd bin oder weil mich die Story (endlich mal richtige S c i e n c e Fiction) zu sehr fesselte.
tach auch !
Wie oben angedeutet, hat mir das Buch (als Hörbuch) auch gefallen. Auf stlistische Feinheiten habe ich da auch nicht geachtet.
Ich glaube wir sind uns aber einig , dass die TV Serie eine recht schwache Adaption war.
Gruss BergH
Sind wir.
Ich hab nach der zweiten Folge abgebrochen.
Die Serie war leider ein Reinfall, aber bei der Vorlage ist das kein Wunder. Manche Dinge sollten nicht für jedes Medium adaptiert werden
The Abyss ist tausendmal besser als dieser lieblos zusammengeschusterte Müll, dann lieber nochmal the Abyss kucken.
Vor 20 Jahren hat mir „Der Schwarm“ als Buch gefallen, auch wenn Schätzings Stil, wie er selbst einräumt, eher an Drehbücher erinnert bzw. er sich vorstellt, einen Film, den er vor seinem inneren Augen sieht, niederzuschreiben. Daher hat er vielleicht gehofft, man werde sich bei der Umsetzung enger an seiner Vorlage orientieren, die ja bereits eine Art Drehbuch ist.
Nach ein paar Büchern, die zwar meist spannend und unterhaltsam sind (außer: „Limit“ * schnarch *), nutzt sich dieser sehr beschreibende Stil aber ab. Wie oft habe ich in Schätzings Werken überflüssige Standardformulierung gelesen, wie etwa: „XY legte die Finger aneinander/übereinander.“ Und ich weiß immer noch nicht, was ich mir konkret darunter vorstellen soll. Stets wird die Mimik, Gestik und die Stimme der Handelnden beschrieben und ganze Passagen der wissenschaftlichen Teile erwecken den Eindruck mehr oder weniger an Wikipedia-Artikel angelehnt zu sein.
Stil und Spannungsaufbau, das ständige Wechseln zwischen verschiedenen Szenerien, erinnert zudem an Dan Browns Romane. Bei dessem letzten Werk musste man auch nur noch die jeweils ersten und letzten drei Kapitel lesen, alles andere war überflüssiges Füllmaterial.
Dies vorausgeschickt, möchte ich zur Serie „Der Schwarm“ sagen, dass ich sie nicht gesehen habe, weil ich das Buch mit einem deutschen TV-Budget nicht für verfilmbar halte. Aber auch für einen dreistündiges Multimillionendollar-Hollywoodfilm eignet es sich eher nicht als enge Vorlage, während eine starke Verkürzung des Stoffs viel von dem langsamen Spannungsaufbau nähme.