Blitzkrieg im All? – Von der Unmöglichkeit deutscher SF-Serien
„Raumschiff Orion, … dann, dann… öh,… … Alarm für Kobra 11? Mit den fliegenden Autos und so?“ – Wer versucht, sich große deutsche SF-Serien ins Gedächtnis zu rufen, vernimmt nach seinem Ruf eventuell nur ein hohles Dauerecho. Denn aus irgendeinem Grund haben damals unsere Großeltern und Eltern beschlossen, dass Serien, die NICHT auf Bauernhöfen oder in Eigentumswohnungen spielen, in der deutschen Fernsehkraterlandschaft nichts zu suchen haben! ICH will das ändern und habe auch einige Vorschläge anzubieten. Und Schläge generell, sollte daraus nichts werden…
Viele erfolgreiche deutsche Serien sind ja bekanntlich nach diversen Straßen, Plätzen und hochklappbaren Bürgersteinen benannt. Sei es der züchtig klingende „Marienhof“ (Inzucht für gläubige Katholiken), die „Lindenstraße“ (Das düstere Spin-Off „Birkenallee“ hat es bis heute nicht über die Vorproduktion hinaus geschafft) oder die total humorige „Schillerstraße“ (Friedrich Schiller war bekanntlich ein begeisterter Comedien). Seitdem wissen wir: Wo die Fake-Straßenschilder sprießen, darf Erfolg geerntet werden!
Warum also nicht endlich mal eine deutsche SF-Serie, die man ebenfalls als Ziel in sein Navigationssystem einprogrammieren könnte? Da fühlt sich Oma Platuschke im All doch gleich viel wohler, wenn der Asteroidengürtel als Schauplatz für Gürtelrosengeschichten den Namen „Brockengasse“ oder „Rudolf-Hess-Straße“ trägt.
Wieso sollte es dort auch keine Raumstation geben, in der Deutsche (integrierte Quotentürken eingeschlossen) sich mit Alltagsproblemen herumschlagen? Gut, ein deftiges Rollstuhldrama würde aufgrund der zuschaltbaren Schwerkraft sicherlich etwas an Tiefe verlieren („Ich kann wieder laufen! An der Decke!“). Und spätestens, wenn der Herr Pastor seine Messe in einem umgebauten Treibstofflager abhält, werden wohl auch die innovationsfreudigen 100-Jährigen ein Problem mit dem Konzept bekommen…
Dann vielleicht schon lieber das wahrhaftige „Mutantenstadl“! – Mit einer kleinen, spacigen Rahmenhandlung kann man hier sicherlich neue Zielgruppen gewinnen. Oder zumindest die gaaanz Alten vor ihrer letzten Ölung noch auf links krempeln! – Ein Chemieunfall mit psychoaktiven Gasen könnte als Erklärung dafür herhalten, warum fortan hyperaktiv geschunkelt und die dicke Posaune aufgepustet werden soll… Und so eine Seppelhose sieht ja durchaus wie ein ABC-Schutzanzug aus, wenn dieser bereits einige Versuchsreihen mit nahe gelegenen Atomexplosionen hinter sich hat!
„Hihihi! Guck Dir nur mal diesen Kerl da hinten an, Klaus-Dieter! Der trägt ja gar keine Frauenkleider, hihihi!“ – „Stimmt, Ernst-August! Die Erdlinge sind sich echt für keinen Knallergag zu schade, hihihi!“ – Andere Länder, andere Unsitten: Auf Byzanthus II laufen alle Männer im Fummel herum und fummeln dann herum. Diese beiden Abgesandten freuten sich daher sehr, dass sie mal im Musikantenstadl der Erde zu Gast sein durften. – Denn in der „Liga der 3.194.829 Planeten“ wollte sie sonst niemand anders haben!
Das mögliche Problem wäre aber auch hier: Diese Backgroundstory trägt das Grundszenario nicht sehr lang. Da ist die Thematik wohl schon ausgenudelt, bevor die Schnauzer der Teilnehmer grün gefärbt wurden – für den futuristischen Effekt. Und eine aufwendige SciFi-Umgebung wäre für einen derartigen Hirn- und Personenschlag wohl auch viel zu schade. Schließlich kann man auch mit weniger Aufwand ÜBERALL eine jodelnde Brauereiausstellung auf die Beine stellen: Im Gemeindesaal, im Kino, in einem aktiven Vulkan… – Im völligen Vakuum gäbe es da aber schon wieder Probleme. Wegen dem fehlenden Übertragungsmedium für das Vollplayback.
Dann doch lieber so etwas wie „Unser Charly“ im All! Das Original war sowieso schon immer ein interessantes Format. Denn in dieser ZDF-Serie ging es schon immer um einige lustige Menschendarsteller, die den blödelnden Mini-Primaten in das beste Licht zu rücken versuchen. Das stelle ich mir für die Schauspieler richtig aufregend vor: Denn egal, ob man so spannende Szenen wie Armbrüche, Steuerbescheid oder Lokusverstopfung spielt, 97% der Zuschauer warten sowieso nur darauf, dass sich der Schimpanse eine Banane in den Auspuff steckt, lustig quiekt oder mit einem Stein die Scheibe zur Bushaltestelle einwirft…
Aber das heißt ja nicht, dass sich das Format nicht auch für das All eignen würde: Eine Alienpuppe, Hand rein, fertig ist „ALF“ für Glücksrad-Groupies! Während die lustige Hauptfamilie sich dann über eine drohende außerirdische Invasion unterhält, kann „Unser Chyrlyx“ in die Bratpfanne kacken oder Einbrecher mit faulen Eiern bewerfen! – Wenn eine Handpuppe zu teuer ist, darf man eventuell auch auf ein grün angemaltes Kaninchen ausweichen. Till Schweiger könnte man dann eventuell auch als Sprecher gewinnen. Glaubwürdige Mümmel- und Schmatzgeräusche habe ich von ihm zumindest schon mal vernommen…
„Guck maaaal, wie süüüß! Er hat einen kleinen Plutonium-Brennstab aus dem Schiffsantrieb gemopst und steckt ihn nun in Omas Orangensaft!“ – Das Drehbuch ist total Banane: Charly ist nicht nur der Freund aller Kinder, sondern er bringt ihnen auch auf spielerische Weise bei, dass eine gehörige Tracht Prügel manchmal gar nicht so unangebracht ist…
Und wenn alles – und jeder – nichts hilft, tut es vielleicht so etwas wie „Verliebt in Berlin – auf dem Neptun“. Eine bebrillte Raumschiffputze verliebt sich in ihren Captain, der zwar gewisse Resteficken-Ambitionen hegt, aber dennoch aus sendetechnischen Gründen 700 Folgen auf die finale Hosen-Torpedierung warten muss. Erst dann zeigt er dem Domestos-Dummerle, dass man Haarknoten auch aufmachen und Brillen abnehmen kann…
Und falls sich DANN noch jemand über die störenden Mini-Inseln an Restniveau beklagt, kann ja immerhin noch „Universums Next Topmodel“ schauen. Dann wird im All die schönste Raumanzugträgerin gewählt (mit zuhem Visier) oder halt bemängelt, dass Kunstmöpse unter Schwerelosigkeit permanent in unterschiedliche Richtungen entschweben.
„Liebe Plusminus-Redaktion! An meiner Decke klebt seit neuestem ein außerirdisches Mini-Raumschiff! Kann ich den Vermieter jetzt um Senkung meiner Miete bitten?“ – „Liebe Zuschauerin! Leider ist unsere Redaktion in Angelegenheiten der puren Phantastik überfragt. Wir haben ihre Frage daher an die Redaktionen der Sendungen ‚Waldis Fußballtalk‘ und ‚Die Musikantenscheune der Volksmusik‘ weitergeleitet. P.S.: Entschuldigen Sie die schlechte Handschrift, aber unsere Schulungen für die erstmalige Benutzung eines Nadeldruckers laufen erst im Herbst an!“
Wie auch immer: Selbst mit diesen Mainstream-anbiedernden Annäherungsversuchen wird es das deutsche Publikum weiterhin schwer haben mit allem, was weiter als der nächste Zahnarzttermin in der Zukunft liegt… Vermutlich werden wir im deutschen TV-Programm auch im Jahre 2090 noch Probleme mit Science Fiction haben. Zum Beispiel, wenn das gezeigte FIKTIVE Raumschiff in einer Serie um 20% schneller ist als das REAL existierende, überlichtschnelle Raumvehikel.
Da hilft nur eins: Kopp zu oder – als SF-Fan – auswandern. Wie hoch die GEZ-Gebühren dann wohl auf dem Mars sind…?
Guter Artikel. Deutsche SF oder SF aus Deutschland… na ja, mir wär es ja schon recht wenn endlich ein B5 Kinofilm gedreht würde. Oder wenigstens BSG weitergehen würde. Oder der Shatner endlich weggehen würde.
Alles Hirngespinnste eben. Da muss man realistisch sein. Das geht nicht anders.
*ausdemfensterstürz*
Zum Thema deutsche SF empfehle ich mal einen Blick in den Blog von Torsten Dewi:
http://wortvogel.de/?p=1429
– der, seines Zeichens professioneller Drehbuchautor, hat sich nämlich vor drei Monaten mal gefragt, was eigentlich aus der sogenannten „Astro Saga“ wurde, ein SF-Epos made in Germany, welcher vor ein paar Jahren mal gedreht werden sollte, aber…eben nie realisiert wurde. Prompt meldete sich der Macher hinter dem Projekt und nach langem Hin und Her durfte Dewi das Drehbuch lesen und hat nun ein Review geschrieben. Sehr interessant, sich das mal durchzulesen – inklusive der vorangegangenen Schlagabtausche.
Zum Thema deutsche SF generell; also mit Genre-Serien/Filmen tut sich ja die deutsche Filmindustrie ganz ganz schwer. Deutsche Produktionen sind zumeist Autorenwerke, von allem ein bißchen drin – Lustspielereien, Standard-Drama, Jürgen Vogel oder Till Schweiger…und am Ende wundern sich wieder alle, wenn keiner ins Kino geht, weil solchen uninspirierten, nach Schema-F ablaufenden Mist natürlich keiner sehen will. Und versucht man sich doch mal an Genres, wird einfach beim großen US-Vorbild geklaut und nachgebaut, daß sich der Zuschauer am Ende nur fragt, warum er z.B. einen deutschen CSI-Klon gucken soll, wenn das Original das Gleiche bietet, aber viel besser, weil teurer produziert und mutiger geschrieben ist.
Darum will ich eigentlich auch gar keine deutsche SF sehen – weil das wäre sowieso nichts, was es nicht schon in besserer Form gäbe.
Auf der anderen Seite halte ich Ausnahmen aber auch durchaus für möglich. Nehmen wir nur mal die Kinderserie „4 gegen Z“. Über deren Qualität kann ich nichts sagen, aber als ich einmal reinschaltete, gab es neben schrecklich-hölzernen Kinderdarstellern zumindest Udo Kier und bunte Grafikeffekte zu sehen. Würde man in einer deutschen Serie nicht unbedingt erwarten. Und die läuft wohl auch noch gut.
Deshalb…würde es ein deutscher Autor schaffen, eine originelle, eigenständige, aber auch national verankerte SF-Serie zu entwickeln, und ein Sender würde sich getrauen, genug Budget in das Projekt zu pumpen, daß man sich gute CGI und vorallem bekannte und beliebte Schauspieler leisten kann, und daß man nicht mal nur so 5-6 Folgen, sondern einen aufwendigen Pilotfilm + 13 Folgen produziert, dann könnte das etwas werden, mit der deutschen SF-Serie. Also…können wir noch lange darauf warten !
Endlich wieder ein richtig gelungener Artikel!! Die gibt es leider seit einiger Zeit viel zu selten. Davon sollte sich Kalkofe mit seiner ollen, immergleichen Fernsehschelte mal ne Scheibe abschneiden.
Bitte wieder öfters den Finger in die Wunde legen, natürlich garniert mit den üblichen humoristischen Klapo-Eskapaden. Find ich jedenfalls viel besser und anspruchsvoller (ja, ich weiß … ihr wollt gar nicht anspruchsvoll sein!!) als Kritiken zu irgendwelchen Serien, die ich mir sowieso selbst ansehen muss, um mir eine eigene Meinung zu bilden.
Zum Artikel selbst (und darüber hinaus):
Glaube, es gibt zurzeit generell das Problem in Deutschland, dass man sich an nichts Großes & Neues herantraut. Immer schön alles auf Sparflamme kochen und niemals ein Risiko eingehen, oder gar mal kreativ werden. Das gilt fürs Kino, TV und die Popmusik genauso wie für die Politik (egal, wie man zur großen Koalition steht – sie ist grundsätzlich nur ein halbgarer Kompromiss). Scheint wohl ein Trend zu sein: Man will es allen ein bisschen recht machen und ist dabei selbst unentschlossen, was man eigentlich genau zustande bringen möchte. Solange es noch so viele begeisterte NEON-Leser gibt, wird sich das auch wohl kaum ändern. Da wird ein solcher Zeitgeist ja geradezu propagiert.
Für das Fernsehen bedeutet das: Entweder man kocht alte, erfolgreiche Rezepte zum hundertsten Mal wieder auf oder klaut aktuelle Ideen aus den USA. Traurig, dass „Schlag den Raab“ als einziges originelles Format der letzten Jahre gilt und auch das bleibt Geschmacksache. Bei den Öffentlich-Rechtlichen sieht’s nicht besser aus: „Ijon Tichy“ war wieder nur eine typisch billige Hommage an alte Zeiten, die auf Grund ihres Trash-Charakters ja sooooooooo putzig und sympathisch war. Von neuen Ideen keine Spur.
Vorgestern hat die GEZ mehr als 100 € für den Rest des Jahres abgebucht.
@Cowabunga: Dass dieser Artikel aus dem Rezensions-Einheitsbrei (es gibt allerdings Breie, in die könnte ich mich reinlegen – Mnjam!) herausragt, war mir klar. Nach dem Ende der aktuellen Who-Staffel wird es daher auch wieder häufiger Artikel der etwas anderen Mach(t)-Art geben. Auch ein neuer Teil der Serie „Klapos Telekolleg“ (SciFi-Themen real erklärt) wäre denkbar.
Ich verweise an dieser Stelle auch auf die neue Umfrage links.
Dampfhammer sind allerdings noch immer extrem beliebt bei unseren Lesern. Vermutlich, weil man auf diese Art etwas genüßlich (und regelmäßig!) niedermachen kann, ohne am nächsten Tag Post vom Anwalt zu bekommen. Denn immer nur Till Schweiger beschimpfen und deutsches TV doof finden, trägt höchstens eine halbe Kalkofe-Lebenszeit…
Ja, das wär‘ schon was, so ’ne SF-Serie aus Deutschland. Wird aber trotzdem nix.
Das Problem ist hauptsächlich, dass es viel billiger ist Serien aus den USA oder eventuell noch England einzukaufen als selbst zu produzieren, vor allem da die meisten Studios mittlerweile selbst synchronisieren und gleich die deutsche Fassung verkaufen.
Natürlich bezahlen die Sender für Topserien wie CSI Unmengen, aber man kauft dabei auch die Sicherheit, dass es ein Erfolg wird. Soaps u.ä. sind ein Sonderfall, da sie nicht nur billig sind, sondern auch aus Deutschland kommen müssen um Bezug auf aktuelles zu nehmen.
Wenn eine deutsche SF-Serie tatsächlich produziert werden soll, dann müsste sie Effekt-technisch eher wenig aufwändig sein, d.h. keine Raumschiffe oder -stationen, sondern eher etwas in Richtung Primeval, Odyssey 5 oder die alten Stargate Folgen. Mysteryelemente könnten dabei auch zum Tragen kommen.
Um erfolgreich zu werden, müsste sie ausserdem originell sein, nicht amerikanisch. Ein Start Trek Klon bringt nichts, da schau ich mir lieber das Original an.
Nur wagt das höchstwahrscheinlich kein Sender.
Ich würde ja gerne mal eine gute postapokalyptische Serie aus deutschen Landen sehen. So in Richtung Shadowrun…
@ Klapo:
Im Jahr 2090 gibt es kein TV mehr, Klapo. Laut Data verschwindet das Fernsehen im Jahre 2040, weil es keinen mehr interessiert. Nun sind die meisten Daten aus Star Trek zwar absoluter Humbug, ich hoffe allerdings, daß Data wenigstens damit recht behält. Von mir aus kann das TV schon eher aus dem Bewußtsein der unter „globaler Gehirnschmelze“ (Zitat: Kalkhofe, ja der hat´s immer noch drauf!) leidenden Weltbevölkerung verschwinden.
@ Donald D.:
Hallo? Gehts noch? 2040 werde ich aller Voraussicht (und Nachsicht) im besten Fernsehguckalter sein. Die gute, alte Glotze soll ewig leben!
;)
Bitte weniger Anglizismen – weniger „Backgroundstory“ und so – in Klappos Artikeln. Das nimmt überhand.
@ Cronos 2: Ob Du mit 120 wirklich noch viel siehst, wage ich zu bezweifeln. Klar, ein paar gute Serien kommen noch, aber das ist nichts im Vergleich, was noch in den 1980´ern und 1990´ern lief. Da konnte man wirklich noch Dauerglotzen.
Die Zahl richtig guter Serien ist sehr gering, und noch geringer was SciFi angeht… Genauso verhällt es sich auch bei den internationalen Serien zu den nationalen Serien.
Außerdem stellt Deutschland keine große Ausnahme dar, oder wann habt ihr mal was von eine französischen/belgischen/ungarischen Serie gehört? Also Deutschland ist da nicht so alleine.
lg Susanne
Ich glaube, es liegt auch daran, dass sich US/UK-Serien relativ problemlos in andere Märkte bringen lassen – zum Beispiel den deutschen. Der deutsche Markt besteht zu einem kleinen Teil aus O-Ton-Guckern und aus einem großen Synchroguckerteil. Die Franzosen und Spanier synchroniseren auch oder zeigen OmU.
Genau da streiken aber die Amis. Da machen sie es lieber neu, als irgendwas OmU oder synchronisiert zu gucken.
…is‘ bergh in urlaub? – oder hat er nix mehr zu sagen?
Zumindest ein vielgelobter und noch recht aktueller Sci-Fi Kurzfilm aus Deutschland:
http://www.d-i-m.de/